Und wieder kassiert Bayer vor Gericht eine herbe Niederlage: Auch im dritten Prozess um Krebsrisiken von Unkrautvernichtern der US-Tochter Monsanto wird der Konzern aus Leverkusen zu einer milliardenschweren Schadenssumme verdonnert. Die Jury im kalifornischen Oakland brummte dem Pharmariesen eine Zahlung von mehr als zwei Milliarden US-Dollar auf, die der Konzern an das klagende Rentnerpaar zahlen muss. Im ersten Prozess sollte Bayer Schmerzensgeld und Entschädigung über 289 Millionen Dollar blechen. Die Richter reduzierten die Summe am Ende auf 78 Millionen Dollar. Der zweite Prozess ging Ende März verloren, auch dort muss Bayern eine vergleichbare Summe zahlen. Rund 11.000 Klagen wurden in den USA gegen Bayer eingereicht.
Mit der Übernahme des seit Jahren in der Kritik stehenden Saatgutkonzerns Monsanto wollte sich der Bayer-Chef Werner Baumann wohl auch ein wenig selbst ein Denkmal setzen - und den mächtigsten Agrarkonzern der Welt schmieden. Allen Kritikern zum Trotz. Im März 2019, als die Aktien schon im Sinkflug und die ersten Urteile gegen Bayer verhängt wurden, gab sich Baumann kämpferisch bis trotzig: "Der Monsanto-Kauf war und ist eine gute Idee", sagte er zur Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Auch zu diesem Zeitpunkt hatte der umstrittene Deal schon Milliarden an Börsenwert verbrannt. Da zwingt sich die Frage auf: Hat sich Bayer verzockt?
Bayer nach Monsanto-Übernahme im Krisen-Modus
Die Leverkusener sind seit der Übernahme in Dauerkrisenstimmung: Mit 53,65 Euro notierte die Bayer-Aktie am Montag nach der Urteilsverkündung auf dem tiefsten Stand seit 2012. Vor vier Jahren lag der Aktienkurs noch bei über 128 Euro. Knapp eineinhalb Jahre später - im Herbst 2016 - kaufte Bayer Monsanto. 63 Milliarden Dollar war die Übernahme schwer. Zum Vergleich: Bayer bringt es nach den Kursrutschen der jüngsten Vergangenheit gerade noch auf einen Unternehmenswert von umgerechnet 56 Milliarden Dollar (50 Milliarden Euro). "Die Abschläge an der Börse sind stark übertrieben", maulte Bauman gegenüber das F.A.S. "Wenn es darum geht, Unsicherheiten zu bewerten, neigt die Börse zu Übertreibungen." Es scheint, als ob die Konzernzentrale den Deal vielleicht doch ein wenig unterschätzt hat.
Auch hinter den 12.000 Stellen, die Bayer weltweit bis 2021 abbauen will, steht ein Monsanto-Fragezeichen. Auch wenn Baumann betont, dass die Spar- und Umstrukturierungspläne nichts mit der Milliardenübernahme zu tun hätten.
Bayer-Hauptversammlung wird zur Revolte
Auf der Hauptversammlung wurde es für Baumann ungemütlich: Nach einer zwölfstündigen, mitunter hitzigen Debatte mit erbosten Aktionären, wurde der Bayer-Chef nicht entlastet. Das hat für Baumann zwar zunächst keine konkreten Auswirkungen und auch der Aufsichtsrat, der sich im Anschluss an die Hauptversammlung zu einer außerordentlichen Sitzung eingefunden hatte, bestätigte zwar, dass man "geschlossen hinter dem Vorstand" stehe. Doch die Revolution gegen Bayers Vorstandschef kommt einer Sensation gleich. Auch der Aufsichtsrat wurde von den Aktionären mit einem sehr schwachen Ergebnis entlastet. Eine schallende Ohrfeige für die Führung.
Die wiederum wird nicht müde, immer wieder zu betonen, dass der höchst umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat - von Monsanto unter dem Namen Roundup auf den Markt gebracht - ganz sicher nicht krebserregend ist. "Bayer steht hinter der Sicherheit von Glyphosat und wird glyphosathaltige Produkte weiterhin vehement verteidigen", heißt es dazu von Bayer. Dazu hat das Unternehmen auch rund 100 Studien öffentlich zugänglich gemacht, die belegen, dass "Glyphosat und glyphosathaltige Produkte bei sachgemäßer Anwendung sicher sind und dass Glyphosat keinen Krebs verursacht."
Die Gerichte in den USA sehen das offenbar anders - ganz zum Ärger von Bayer. "Bayer ist von der Entscheidung der Jury enttäuscht und wird Rechtsmittel dagegen einlegen", kommentiert der Konzern die Entscheidung. Klar ist: Die Berufungsverfahren werden viel Zeit kosten, in diesem Jahr ist eine Entscheidung kaum zu erwarten. Und solange die Prozesse nicht durch alle Instanzen gegangen sind, wird Bayer auch (noch) nicht zahlen müssen.
Teure Vergleiche für Bayer
Doch die bisherigen Gerichtsprozesse gelten als "bellwether trial", also als richtungsweisende Urteile, die in den USA gerne als Grundlage für etwaige Schadensersatzansprüche und Vergleiche genutzt werden. Und Vergleiche könnten für Bayer zwar teuer werden - dafür würden sie deutlich weniger öffentlichkeitswirksam ausgefochten werden. Und mit einem Maulkorb für die involvierten Personen einhergehen. Denn noch mehr schlechte Presse können weder Baumann noch Bayer gebrauchen.