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Verbrauchertäuschung im Netz Gekaufte oder gefälschte Bewertungen: Wie Amazon und Co. dagegen in den Kampf ziehen

Amazon-Bewertungen
Gefälschte Bewertungen sind für Portale und Kunden ein Problem
© Jaap Arriens/ / Picture Alliance
Bewertungen bei Amazon oder Reiseportalen wie Holidaycheck sind zu handfesten Kauf- und Buchungshilfen geworden. Hat ein Artikel fünf Sterne, greifen Verbraucher eher zu. Um so ärgerlicher, wenn diese Bewertungen gekauft oder gefälscht wurden. Die Portale wollen dagegen vorgehen.

Der Kauf im Internet bringt immer eine Distanz mit sich. Verbraucher können die Ware nicht anfassen, bei Reisen oder Dienstleistungen fehlt die Beratung. Also gibt es nur zwei Möglichkeiten, um vor dem Kauf oder der Buchung mehr Informationen zu bekommen: Man glaubt der Beschreibung des Anbieters - und man liest die Kundenbewertungen. Während Verbraucher bei den anpreisenden Texten der Hersteller und Verkäufer mit Recht skeptisch reagieren, scheinen die Bewertungen von Kunden authentisch. Das ungenießbare Hotelfrühstück, der gammelige Pool oder die tolle Kinderbespaßung - solche Erzählungen aus dem Urlaub helfen bei der Buchung des nächsten Trips. Doch aus Bewertungen ist längst ein Business geworden.

Agenturen im Netz bieten Herstellern, Hotels und jedem, der gerne viele Sterne für sein Angebot hätte, gekaufte Bewertungen an. Wie das "Handelsblatt" berichtet, kostet eine einzelne Bewertung bei Agenturen wie Fivestar Marketing oder Goldstar Marketing rund 23 Euro. Das Paket aus 50 Bewertungen kostet knapp 970 Euro. "Gefälschte Bewertungen sind mittlerweile recht professionell. Häufig werden sie dennoch entdeckt – etwa wenn bei einem Unternehmen ganz plötzlich viele Bewertungen auftauchen“, sagt Karsten Gulden, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht aus Mainz, zum "Handelsblatt". 

Gekaufte Bewertungen sind für Amazon eine Katastrophe

Für Plattformen im Netz sind gekaufte oder gar gefälschte Bewertungen eine Katastrophe. Denn so verlieren sie das Vertrauen der Verbraucher - und im nächsten Schritt dann Kundschaft. Deshalb haben die meisten Portale verfügt, dass gekaufte Bewertungen nicht eingestellt werden dürfen. Doch offenbar interessiert das die Händler bei Amazon oder die Hotels bei Holidaycheck herzlich wenig. Deshalb haben die Plattformen nun dem Bewertungshandel den Kampf angesagt - und zwar mit juristischen Mitteln.

Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied Ende Februar, dass Amazon den Händlern sehr wohl verbieten darf, ihre Produkte mit gekauften Bewertungen zu bewerben - und folgte damit der Argumentation des Handelskonzerns. Der hatte sich gegen ein Unternehmen gewehrt, das Drittanbietern auf Amazon Produktbewertungen gegen Entgelt zurück Verfügung stellt. Unlauter, also unzulässig, urteilte Amazon über dieses Geschäftsmodell. Das OLG sah das ähnlich und gab der einstweiligen Verfügung statt. Noch ist der Beschluss nicht rechtskräftig, es kann noch Widerspruch eingelegt werden.

Holidaycheck klagt

Auch Holidaycheck hatte jüngst Klage gegen Fivestar Marketing am Landgericht München 1 eingereicht. Gegenüber dem "Handelsblatt" macht Georg Ziegler, Director Brand, Content & Community bei Holidaycheck, deutlich, was er von dem Geschäftsmodell hält: "Fivestar Marketing ist aus unserer Sicht der unverblümteste Fall von Bewertungsbetrug." Ob das Landgericht das auch so sieht, sei zwar offen, doch Holidaycheck erhoffe sich, "dass die Gerichte es wie wir sehen, dass das Geschäft moralischer und inhaltlicher Betrug am Kunden und damit unrechtmäßig ist“.

Fivestar fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Es gehe vollkommen in Ordnung, dass Bewertungen gegen eine Aufwandsentschädigung vermittelt werden. Das sei "selbstverständlich legal".

Auch die Wettbewerbszentrale guckt inzwischen sehr genau hin, wenn eigentlich unabhängige Bewertungen mit Vergünstigungen, verbilligte Produkte oder Gutscheine verbunden werden. Ende 2018 ging die Wettbewerbszentrale gegen einen Amazon-Händler vor, der bei Bestellungen Gutscheine dazulegte, die Kunden nur dann einlösen konnten, wenn sie eine positive Bewertungen nach dem Kauf hinterließen.

"Bei einer solchen Bewertung steht dann nicht mehr die Zufriedenheit des Kunden im Vordergrund, sondern allein der finanzielle Anreiz, der durch den Gutschein gesetzt wird. Die damit erteilten Bewertungen sind wiederum geeignet, Kaufinteressenten über die Zufriedenheit anderer Käufer mit dem Produkt zu täuschen. Mit einem solchen Gutscheinanreiz werden Kunden dazu verleitet, im finanziellen Interesse falsche Bewertungen abzugeben", hieß es in einer Mitteilung der Wettbewerbszentrale. Der Fall wurde außergerichtlich geklärt, die betroffenen Firmen wollen künftig auf diese Werbeform verzichten. 

Bewertungen wurden immer schon manipuliert

Fivestar wehrt sich gegen die Vorwürfe und glaubte, dass solche Klagewege nur eine Ablenkungen seien. Denn manipuliert würden Bewertungen im Netz schon immer. Außerdem würden sie nur echte Kunden mit echten Bewertungen vermitteln. Ziegler von Holidaycheck widerspricht im "Handelsblatt": "Wir können belegen, dass den Bewertungen keine Hotelaufenthalte zugrunde liegen und das widerspricht unseren Nutzungsbedingungen." Die Plattform beschäftigt ein Team von rund 60 Mitarbeitern, die gefälschten Bewertungen auf die Spur kommen sollen. 

Auch Amazon pumpt "erhebliche Summen", in die Kontrolle von Bewertungen, so das "Handelsblatt". Der US-Techriese kämpft seit Jahren gegen gefakte Bewertungen. Wie die britische Verbraucherorganisation "Which" berichtet, rekrutieren die Bewertungsdienstleister ihre Tester in mitgliederstarken Facebook-Gruppen (hier erfahren Sie mehr zu den deutschen Gruppen). 

Das Problem: Der Hinweis "Verifizierter Kauf" auf Amazon sei für Kunden kaum hilfreich, denn die Produkte seien tatsächlich über Amazon gekauft worden - nur eben stark rabattiert. Die Wettbewerbsaufsicht in Großbritannien (CMA) schätzt, dass sich die Konsumausgaben, die von Online-Bewertungen beeinflusst werden, jährlich auf rund 23 Milliarden Pfund belaufen. Laut einer "Which"-Umfrage gaben 31 Prozent der Kunden an, dass sie ein Produkt aufgrund der Bewertungen gekauft hätten- und vom Kauf enttäuscht wurden. 

Was ist wettbewerbswidrig? 

Auch die deutschen Verbraucherschutzzentralen haben ein Auge auf gekaufte Bewertungen. "Meiner Ansicht nach führen bezahlte Bewertungen zu unlauterer Werbung", sagt Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern zum "Handelsblatt". Eine Kennzeichnung von gekauften Bewertungen reicht ihr nicht aus, denn Verbraucher würden die Unterschiede zu echten Bewertungen kaum wahrnehmen. Anwalt Karsten Gulden sieht das gesamte Geschäftsmodell kritisch und sagte dem "Handelsblatt": "Aus meiner Sicht sind bereits das Angebot und der Verkauf von Bewertungen wettbewerbswidrig, nicht erst die Nutzung durch Unternehmen. Gekaufte Bewertungen entstehen nicht aus freien Stücken – egal ob die Bewerter die Produkte oder Dienstleistungen tatsächlich getestet haben."

+++ Lesen Sie hier: Insider packt aus: So erkennen Sie Fake-Bewertungen bei Amazon +++

+++ Wie Hotels mit ihren Sternen schummeln +++

Quellen:Handelsblatt, Which, Medienrecht-Urheberrecht

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