Billiganbieter Föhn dich selbst

Haare schneiden wird immer billiger. Der Preiskampf unter den Friseuren kämmt eine Traditionsbranche gegen den Strich.

Für Bert Gads ist die Wirtschaftskrise in Deutschland etwas, das er nur vom Hörensagen kennt. Das Geschäft des Unternehmers aus Hamburg-Altona ist ständig voll, seine Mitarbeiter schuften beinahe im Akkord. Und auch der Laden, den er auf der anderen Straßenseite eröffnet hat, brummt.

Gads betreibt, eigentlich wenig innovativ, Frisiersalons. Trotzdem hat er Besonderes zu bieten: "Alles zehn Euro", lautet der Slogan bei XL-Cut, der täglich bis zu 120 Kunden allein in die Filiale in Hamburg-Altona lockt.

Alle versuchen, den Wettbewerb über den Preis zu gewinnen

Die Geiz-ist-geil-Mentalität hat auch das Haarschneidegewerbe ergriffen. Jeder sechste der rund 66.000 Salons bundesweit gehört zu einer Kette wie Hairfactory, C & M oder XL-Cut - und sie alle versuchen, den Wettbewerb um jeden Haarschopf über den Preis zu gewinnen. Allein rund um den Bahnhof Altona in Hamburg bieten in einem Umkreis von 600 Metern 30 Friseure ihre Dienste an.

Das Hauen und Stechen ums Waschen und Legen geht darauf zurück, dass die rot-grüne Bundesregierung 2004 den Meisterzwang für Friseure lockerte. Seitdem muss ein Salonbesitzer nicht mehr selbst Meister sein - es reicht, wenn er einen beschäftigt. Und der kann mehrere Salons betreuen, sofern sie in der Nachbarschaft liegen.

Das Kalkül der Billigsalons: Masse

Der Wettbewerb ist durch die neuen Discounter härter geworden. Allein in Hamburg haben in diesem Jahr 105 Betriebe neu eröffnet, im selben Zeitraum schlossen 75. "Leider tragen die Ketten und Zehn-Euro-Friseure nicht zur Umsatzsteigerung bei", sagt Rainer Röhr, Geschäftsführer des Zentralverbands des deutschen Friseurhandwerks. Schon 2004 verzeichneten alle Salons zusammen ein Minus von 2,5 Prozent. Vor allem in größeren Städten sind die Preise im Schnitt deutlich gesunken. Mittlerweile bieten erste Salons Männerhaarschnitte schon für unter zehn Euro an.

Das Kalkül der Billigsalons ist simpel: Masse. Termine gibt es nicht, stattdessen zieht der Kunde meist eine Nummer und wartet, bis er dran ist. Alles außer Schneiden kostet extra - bei vielen sogar das Föhnen -, sodass unterm Strich oft doch mehr als zehn Euro zu zahlen sind.

Statt wie normal etwa acht Kunden am Tag zu bedienen, kommen die Friseure bei XL-Cut auf mehr als das Doppelte. "So machen wir den gleichen Umsatz", sagt Chef Bert Gads. Rund 20 Kunden am Tag bedeutet bis zu drei Kunden in der Stunde.

"Das ist Knochenarbeit", sagt Birger Kentzler, Obermeister der Friseurinnung Hamburg. Er sieht die neue Konkurrenz mit Argwohn: "Die Billigfriseure machen unser Handwerk und die Preise kaputt, die Qualität bleibt auf der Strecke." Verschnaufpausen für die Angestellten seien in solchen Salons kaum möglich. Die Klagen der Mitarbeiter über Stress und Gesundheitsprobleme, etwa schmerzende Wirbelsäulen, häufen sich auch bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. "Wir werden die Arbeitsbedingungen bei den Billigfriseuren zusammen mit der Innung unter die Lupe nehmen", sagt Roland Ehrhardt von Verdi in Dresden. "Aus Angst um den Arbeitsplatz trauen sich die Angestellten nicht, offen etwas zu sagen."

Billiganbieter bilden keinen Nachwuchs aus

XL-Cut-Chef Gads beteuert, dass alle seine 280 Mitarbeiter Vollzeitkräfte seien, dass er sie nach Tarif entlohne und es am Monatsende sogar noch Provisionen gebe. Für Gads scheint sich das Geschäft zu lohnen. Mehr als sieben Millionen Euro Umsatz macht er in seinen 35 Filialen in Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein im Jahr. Und plant bereits die nächsten Salons im Ruhrgebiet.

Doch für das Gewerbe entsteht durch die Billiganbieter ein zusätzliches Problem: Die meisten von ihnen bilden keinen Nachwuchs aus. In Hamburg sinkt die Zahl der Azubis im Friseurhandwerk seit Jahren, etwa 850 sind es in diesem Jahr, 40 weniger als noch vor zwei Jahren.

Das konservative Handwerk sieht die neuen Anbieter nicht nur negativ

Genaue Zahlen für die Billigketten gibt es zwar nicht, aber Innungsmann Kentzler weiß, dass gerade Zehn-Euro-Friseure sich die dreijährige Lehrzeit, die den Betrieb rund 10.000 Euro kostet, nicht leisten können. "Und dann ist der Azubi öfter in der Berufsschule als im Salon", sagt Kentzler. XL-Cut habe zwar Lehrlinge, nicht aber in der Filiale in Hamburg-Altona, erklärt die Salonleitung. Anstelle von Lehrlingen werden Praktikanten beschäftigt. Die sind billiger und williger.

Dennoch sieht auch das traditionell konservative Handwerk die neuen Anbieter, die schnelle Schnitte und heiße Musik in ihren Läden bieten, nicht nur negativ. Friseurverbandschef Röhr etwa hofft, dass die Billigläden die Kunden künftig häufiger anlocken könnten: "Jeder Haarschnitt im Salon macht einen Haarschnitt weniger zu Hause von der Freundin."

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Marlies Uken