BMW-Chef Ein Preuße in Bayern

Krise? Welche Krise, könnte BMW-Chef Helmut Panke fragen, wenn er auf seine Bilanz schaut: über eine Million Autos verkauft, über 4.700 Arbeitsplätze geschaffen.

Neulich sah sich Helmut Panke ins falsche Licht gerückt. Eine Designerin lobte seinen treffsicheren Krawattenstil, befand ihn aber als zu bleich. Der Mann, der gewöhnlich andere in Fahrt bringt, sieht sich oft diesem Vorwurf ausgesetzt. "Ich bin kein blasser Typ", insistiert er mit Stahl in der Stimme. Immerhin ist der 56-jährige Helmut Panke Konzernherr des bayerischen Edelkarossenbauers BMW. In dieser Woche hat er Hauptversammlung und blickt auf sein erstes Jahr im Amt zurück - das erfolgreichste in der Geschichte des Unternehmens. Die Münchner Lokalblätter feiern ihren globalen Matador mit rührenden Geschichten, zum Beispiel über Putzfrauen, die einmalige Boni kassieren. Und auch das gibt es noch in Krisendeutschland: 4.732 neue Arbeitsplätze hat BMW in den vergangenen Monaten geschaffen und zählt wieder zu den beliebtesten deutschen Arbeitgebern. Erstmals wird es vom US-Wirtschaftsmagazin "Fortune" in der Liste der "Most Admired Companies" geführt, weltweit gewählt von Führungskräften der Wirtschaft: Der Karossenbauer mit dem weiß-blauen Propellerlogo fahre eine beispielhaft klare Strategie, "powered by emotion", wie sich das Haus selbst empfiehlt.

Emotionsgepeitscht wirkt Helmut Panke nicht. Selbst dann nicht, wenn er auf große Momente zurückblickt. Da war etwa zu Beginn des Jahres die Enthüllung des "Phantom" auf der großen Automobilmesse in Detroit - ein Rolls-Royce mit 12 Zylindern und 460 PS. Mit sakralem Murmeln streichelten die aus der ganzen Welt angereisten Autofanatiker den Lack, als liebkosten sie die Kurven einer schönen Frau. Und Panke stand auf der Empore und beobachtete von oben herab, wie sich Menschen - meist Männer - in "Spielkatzen" ("Automobil Report") verwandelten. Seit 1994 gehört zu den Pfründen der Bayerischen Motorenwerke das englische Kultlabel Mini und mittlerweile auch Rolls-Royce. Der Vorsitzende gab in Detroit auch seine eigene Premiere, und die war kühler. Er zeigte den X3 vor, einen zwei Tonnen schweren Geländewagen mit Dosenhalter und beheizten Sitzen. In akzentfreiem Englisch zählte er einen Rekord nach dem anderen auf. Alles gut, besser, "BiEmDabbelju".

Aber erweisen sich die Euphorien von gestern jetzt, am Ende des Irak-Krieges, angesichts einbrechender Märkte und gestörter transatlantischer Beziehungen, nicht als reine Autosuggestion? "Für uns hat sich nichts zum Schlechteren verändert", beharrt Panke, "wir spüren keine Antihaltung, sind im Gegenteil in Amerika erstmals Segmentführer." Die bayerischen Karossen sind im Land der Tüchtigen jetzt erst recht begehrt - den für Beobachter besorgniserregenden Nachfrageeinbruch im ersten Quartal 2003 erläutert der Chef mit Modellumstellungen. Selbst die Drohung der USA, den Dollar noch weiter zu schwächen, lässt ihn bloß schmunzeln. Das Nobelhaus hat mit Kurssicherungen vorgesorgt.

Also keine Nachjustierung im ehrgeizigen "Fünfjahresplan 2008", der die größte Produktoffensive der Firmengeschichte und eine 40-prozentige Absatzsteigerung verspricht. Alles bleibt bei der strategischen Zauberformel "Expansion und Wachstum": Die etablierten Märkte sollen mit den bewährten Modellen weiter wachsen, und gleichzeitig will das Unternehmen mit frischen Autoideen neue Kundschaft locken. So wird in den kommenden Jahren vom kleinen 1er BMW über den X3, den neuen 6er Touring und das 6er Cabrio jede nur denkbare Zielgruppe anvisiert, voll Vertrauen in die Prognose der Marktforscher, dass im Laufe der nächsten zehn Jahre der Premium-Markt doppelt so schnell wachsen wird wie die Nachfrage nach Massenware.

Und dann ist da noch China, das Traumland westlicher Marktwirtschaftler. Im Gegensatz zum Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp, der vor lauter Hochzeit im Himmel zumindest in Fernost irdische Dinge versäumte, hat Panke unter großem Aplomb im März mit der chinesischen Regierung die Produktionslizenz gefeiert, den Fuß auf den Spaten gesetzt und die Erde dort umgegraben, wo noch in diesem Jahr das Werk Shenyang seine Produktion aufnehmen soll. "Das war ein großer Augenblick", konstatiert er. Trotz aller kulturellen Unterschiede sollen die neuen Reichen in ganz Asien mit "Freude am Fahren" verführt werden. Und kommt man ihm mit Kritik am neuen 7er oder gar damit, dass Rolls-Royce in Deutschland nicht zu vermitteln sei, kontert er: "Wir bauen Autos für den Weltmarkt, nicht nur für die Innenstadt von München."

Wer erfolgreich ist, hat Recht, und das Argument der Rechthaber ist schon beeindruckend: 2002 überfuhren die Bayern die magische Millionengrenze und verkauften rund um den Erdball 913.000 BMW, plus 144.000 neue Minis. Der Flitzer, "erster globaler Premium-Kleinwagen", ist ein Kassenschlager, und seine Produktion hinkt der immensen Nachfrage weit hinterher. Er soll dazu beitragen, das Rekordergebnis des vergangenen Jahres zu halten und auch in der nächsten Runde wieder wie diesmal 42 Milliarden Euro umzusetzen, von denen zwei Milliarden als Gewinn blieben. Was ist das für ein Mann, der, gegen alle Trends gut gelaunt, "den großen Sprung nach vorn" ausruft? "Er ist knallhart, aber auch klar und berechenbar", lautet die häufigste Antwort auf den BMW-Etagen. "Er ist ein Teamplayer, der den Erfolg im Auge hat." Wer seine Ziele nicht erreicht, tut gut daran, früh genug "Selbstanzeige" zu erstatten. Geht es um Leistung, ist Panke unerbittlich. "Sehen Sie sich um, die Mitarbeiter von BMW gehen alle einen Tick schneller als anderswo." Weil der Chef sie hetzt? "Ich sag mal frech, aus Freude an der Arbeit."

Natürlich genießt er die Macht, weil er damit "Richtung geben" kann, so Panke, und weil ihm seine Position "einfach Spaß macht". Aber: "Jeder, der seinen persönlichen Status als Macht benutzt, macht einen Fehler." Wo immer Panke, ein promovierter Atomphysiker, der einst am Beschleunigerlabor der Uni München arbeitete, sich stellen muss - etwa vor den Fernsehkameras -, schaut er jedes Mal so interessiert aus seinen tief liegenden Augen, als beantwortete er die stets gleichen Fragen zum ersten Mal. Aber jede Frage um sein persönliches Woher und Wohin ist ihm unangenehm. Bloß kein Personenkult! "Man kann sich selbst nicht unwichtig genug nehmen." Panke versteht sich als "Prototyp" eines Verantwortlichen, der nach innen wirken und seine Arbeit gut machen möchte. Sagt, er sei ein Mann, der samstags ungestört Brötchen holen oder mit der U-Bahn in die Stadt fahren will.

So viel gibt er immerhin preis: Er ist im brandenburgischen Storkow geboren, als zweiter von drei Söhnen. Der Vater war Chemiker bei Osram, und die Familie durfte legal nach Westberlin umsiedeln, von wo aus sie 1955 mit der Firma nach München weiterzog. Panke machte Abitur und drückte alsbald aufs Tempo. Als der Reserveoffizier der Panzertruppen 1968 den Wehrdienst beendete, begann er sein Studium im zweiten Semester. Im dritten holte er das Pensum des ersten nach. Doktorvater Friedhelm Bell erinnert sich lebhaft, wie sie nächtelang unter Röntgenspektrometern lagen, nichts als Schwerionen im Visier. Derweil draußen die 68er versuchten, die Welt aus den Angeln zu hebeln. Das ging an Panke vorbei. "Ich habe nie etwas Extremes gemacht", sagt er. "Er war ein guter Physiker", lobt Bell, "und er kann Menschen führen." Nur eines schmerzt ihn: dass die Presse seinen ehemaligen Musterschüler als kalten Karrieristen zeichnet, als "Icehead" ("Financial Times") sogar.

Seinen ersten Chef nach der Universität, Herbert Henzler, überzeugte er bei der Unternehmensberatung McKinsey durch "wache Intelligenz". Dem Tüchtigen sollten bald die Partnerschaft und hohes Einkommen winken. Doch der ließ sich 1982 von BMW abwerben. Als Berater war er mit dem Autobauer gut vertraut, ihn begeisterte, wie viel ein Einzelner dort bewegen kann. "Unbürokratische Dynamik ist eine unserer Stärken und der Grund, warum wir schneller sind als andere", sagt er nach 21 Jahren BMW-Erfahrung. Und die persönliche Entwicklung? "Mich beschreibt, dass ich stets mit einem Fuß Neuland betrete, während ich mit dem anderen auf festem Boden bleibe." Also fragt er, als Controller, Konzernplaner, Personalvorstand und jetzt als erster Mann: Geht das nicht noch besser? Ebenso vehement beharrt Panke auf Bescheidenheit. "Die Leistung erbringen alle 102.637 Mitarbeiter, vom Fließbandarbeiter bis zum Vorstandsvorsitzenden." Und schon referiert er über nachhaltige Verantwortung für Arbeitsplätze und Ökologie, über die vorherrschende Einsicht, dass der Weg von der fossilen in die Wasserstoffwelt führt. Pankes schwarzer, blank polierter Schreibtisch im 22. Stock des "Vierzylinders", der Münchner Konzernzentrale, ist makellos aufgeräumt. Eine Schrankwand zieht sich über die ganze Länge seines Raumes und endet erst bei der Konferenzecke, in der sich Freischwinger akkurat um einen runden Glastisch gruppieren. In diesem Zimmer brachte Amtsvorgänger Joachim Milberg, gemeinsam mit dem damaligen Finanzvorstand Panke, das Trauma Rover zu Ende, nachdem es Milliarden verschlungen und die oberste Etage der Führung bedrohlich ausgedünnt hatte. Panke kam der Umstand zu Hilfe, dass Milberg wegen eines Bandscheibenvorfalls vorzeitig seinen Posten aufgeben wollte. "Wer behauptet, es ließe sich planen, Vorsitzender des Vorstandes zu werden, erzählt Schmarrn. Man kann sich bis zu einer bestimmten Hierarchie-Ebene hocharbeiten, danach entscheiden Nasenfaktor und Zufall." Er sei der "natürliche Kandidat" gewesen, behauptet Milberg. Alle wichtigen Abteilungen des Unternehmens waren ihm vertraut. 1992 baute er das Amerikawerk Spartanburg auf, die Grundlage des transatlantischen Erfolgs.

In den USA lernt er die Haltung "always look on the bright side of life" schätzen. Er genießt, sich mit Frau Monika, Sohn und Tochter und einem Eimer Popcorn in den Kinosessel fallen zu lassen, um über die Märchen Hollywoods zu staunen. "Man muss auch in die Familie investieren." Das bläut er bei jeder Gelegenheit seinen Führungskräften ein: Versucht abends um sieben zu Hause zu sein, spielt mit euren Kindern, türmt Bauklötze auf. Was ihr einmal verpasst habt, könnt ihr nie wieder aufholen. Spricht so ein Manager, der zu kalt für große Regungen sein soll?

Pankes empfindliche Stelle. Mit leidenschaftlicher Sachlichkeit will er ein für allemal richtig stellen: "Ich bin ein emotionaler Mensch, der präzise denkt. Und nicht ein präziser Mensch, der ab und zu Emotionen hat."

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Gisela Freisinger

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