Seit seiner Einführung im Jahr 2005 ist "Hartz IV" nicht nur zum Synonym für Armut in Deutschland geworden. Das System der Grundsicherung mit seinen Sanktionen und sonstigen bürokratischen Fiesheiten gilt vielen auch als entwürdigend, weshalb Kritiker schon lange die Abschaffung fordern.
Nun könnte es bald wirklich so weit sein. Die Verhandler von SPD, Grünen und FDP haben in ihrem Sondierungspapier festgehalten, dass sie Hartz IV hinter sich lassen und ein neues System einführen wollen. Wörtlich heißt es in dem Papier: "Anstelle der bisherigen Grundsicherung werden wir ein Bürgergeld einführen. Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten, zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen sowie digital und unkompliziert zugänglich sein."
Wirklich das Ende von Hartz IV?
Aber ist es wirklich die Abschaffung des Systems Hartz IV, das die Ampel-Parteien hier anstreben? Oder wird dem Ganzen nur ein neuer Name gegeben und sonst ändert sich nichts, wie viele Kommentatoren auf Twitter fürchten?
Allzu viele Details zu den Plänen der möglicherweise Bald-Regierung gibt es zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht. Aber einige Punkte gehen aus den paar Sätzen, die das Sondierungspapier zum Thema liefert, schon unmissverständlich hervor.
Bürgergeld ist kein Grundeinkommen
Klar ist, dass das angestrebte Bürgergeld kein bedingungsloses Grundeinkommen sein soll, das jeder Bürger und jede Bürgerin unabhängig von Einkommen und Vermögen erhält. Eine solche Revolution war angesichts der Wahlprogramme auch nicht erwartet worden. Aber auch die abgeschwächte Variante eines Grundeinkommens mit Bedarfsprüfung scheint nicht vorgesehen. Denkbar wäre ja, dass jetzige Hartz-IV-Empfänger künftig ein Grundeinkommen bekommen, aber von allen derzeit geltenden Rechten und Pflichten befreit bleiben.
Darauf läuft das Bürgergeld offensichtlich nicht hinaus. Denn im Sondierungspapier heißt es, das Bürgergeld solle "Hilfen zur Rückkehr in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt stellen". Das Bürgergeld ist also primär nicht dafür gedacht, dass man davon auf Dauer lebt, sondern soll Anreize bieten, wieder sein eigenes Geld zu verdienen – so wie derzeit auch.
Sanktionen dürften bleiben
Auch einer der heftigsten Kritikpunkte an Hartz IV – die umstrittenen Sanktionen – dürfte nicht wegfallen. Derzeit können Hartz-IV-Empfängern, die sich unkooperativ zeigen, die Hilfen schmerzlich gekürzt werden. Im Sondierungspapier heißt es nun: "An Mitwirkungspflichten halten wir fest und prüfen, wie wir hier entbürokratisieren können."
Eine Pflicht zur Mitwirkung kann aber letztlich nur mit Sanktionen durchgesetzt werden. Was sich hier für Betroffene durch "Entbürokratisierung" verbessern soll, bleibt abzuwarten.
Was soll sich denn dann ändern?
Es bleibt also wohl bei einer Grundsicherung mit Sanktionen, aber was soll sich denn ändern? Dazu findet sich in dem schmalen Absatz des Sondierungspapiers noch nicht allzu viel. In Aussicht gestellt wird, dass "großzügige Regelungen zu Schonvermögen und zur Überprüfung der Wohnungsgröße", die in der Coronakrise galten, fortgesetzt werden könnten – beziehungsweise, dass dies zumindest geprüft wird. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass Vermögen und Wohnungsgröße nicht ganz egal sein werden, sondern wohl weiter Teil einer Bedarfsprüfung.
Dass grundsätzlich höhere Regelsätze angestrebt werden, wird dagegen in dem Papier nicht erwähnt. Das Erwähnen von "Würde" und "gesellschaftlicher Teilhabe" könnte ein Hinweis darauf sein, muss es aber nicht. Denn auch Hartz IV muss diese Kriterien formal-juristisch jetzt schon erfüllen. Ein Bekenntnis geben die Sondierer lediglich dazu ab, dass die Zuverdienstmöglichkeiten verbessert werden sollen, "mit dem Ziel, Anreize für Erwerbstätigkeit zu erhöhen". Damit wird das Problem adressiert, dass es sich für Hartz-IV-Bezieher teilweise nicht lohnt, mehr hinzuzuverdienen, da der Verdienst jenseits bestimmter Freibeträge auf die Sozialleistung angerechnet wird.
Ist das jetzt also die Abschaffung von Hartz IV durch die Ampel-Parteien? Unterm Strich geht aus dem Sondierungspapier noch nicht wirklich hervor, was das neue Bürgergeld grundsätzlich besser machen soll als das bisherige System. Aber möglicherweise wissen wir ja mehr, wenn das Konzept es - etwas ausführlicher - in einen rot-grün-gelben Koalitionsvertrag schafft.