Wohlfahrtsverbände klagen Frauen werden zu "Freiwild" in den Flüchtlingslagern

Von Lara Wiedeking
Ein Großteil der ankommenden Flüchtlinge in Deutschland sind Männer. Aber auch Frauen fliehen vor Gewalt und Unterdrückung. Doch sicher können sie sich in deutschen Flüchtlingslagern nicht fühlen. 

Sie haben tausende Kilometer zurückgelegt, um sich endlich sicher zu fühlen. Sind geflohen vor gewalttätigen Männern, Vergewaltigung, drohender Zwangsheirat oder Genitalverstümmelung. Doch angekommen in Deutschland, erleben sie weiter Schreckliches. Es häufen sich Berichte über Frauen, die in Flüchtlingslagern sexuellen Übergriffen und Gewalt ausgesetzt sind.

Keine Rückzugsorte für geflüchtete Frauen

In den überfüllten Camps leben Männer, Frauen und Kinder in Großzelten, teilen sich Duschräume und Toiletten. Abschließbare Räume oder zumindest Rückzugsorte und ein wenig Privatsphäre sind Mangelware. Die Schutzbedürftigsten sind schutzlos. So zum Beispiel in Gießen. Frauen würden sich nachts nicht trauen, auf die Toilette zu gehen. Sie schlafen in ihrer Straßenkleidung und hätten selbst tagsüber beim Gang durch das Camp Angst, heißt es in einem offenen Brief an den Landtag. Aufgesetzt wurde der von vier Verbänden: Der Paritätische, Pro Familia, der Landesfrauenrat Hessen sowie die Landesarbeitsgemeinschaft hessischer Frauenbüros. Frauen seien "Freiwild" heißt es darin: "Die Folge sind zahlreiche Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe, zunehmend wird auch von Zwangsprostitution berichtet", heißt es weiter. Auch Kinder seien betroffen. 

In München gibt es seit einigen Monaten immer wieder Berichte von sexuellen Übergriffen gegen Flüchtlinge in der Bayernkaserne. Das Problem hier, genauso wie in Hessen: Viele Frauen melden die Vorfälle nicht den Behörden. "Viele trauen sich gegenüber der Polizei nicht auszusagen, weil sie mit Nachteilen für ihr Asylverfahren rechnen", zitiert die "Abendzeitung" Elif Sahin Kobista vom Münchner Frauencafé.

In Gießen wird gehandelt

"Der Rechtsstaat duldet keine Gewalt. Er wird die Täter konsequent verfolgen", sagte Joachim Gauck am Sonntag in seiner Rede zum Auftakt der 40. interkulturellen Woche. Der Bundespräsident bezog sich dabei auf Fundamentalisten und Radikale unter den Flüchtlingen. Doch auch diese Art der Gewalt darf nicht weiter stattfinden, darum fordert man in Bayern wie in Hessen getrennte Unterkünfte für allein reisende Frauen und Kinder. Abgeschlossene Wohneinheiten, Schutzräume – aber auch eine Anlaufstelle für Opfer von Gewalt müsse eingerichtet werden. "Eine angemessene Versorgung von vergewaltigten Frauen sowie von Frauen mit anderen Gewalterfahrungen muss sichergestellt werden", heißt in dem offenen Brief der vier hessischen Verbände.  

Im Landkreis Gießen hat man das Problem erkannt, wie Dirk Oßwald, Sozialdezernent des Landkreises, gegenüber dem stern erkärt: "Es gibt zahlreiche Frauen, die alleine reisen oder mit kleinen Kindern unterwegs sind. Nicht selten sind sie auf der Flucht oder bereits hier in Europa Gewalt ausgesetzt."

Zwei Spezialunterkünfte für Frauen und Kinder seien bisher geplant. Eine soll bereits am 1. November in Betrieb genommen werden und hat Platz für 40 Frauen. "Wir möchten ihnen und ihren Kindern mit unseren beiden Spezialeinrichtungen einen Schutzraum bieten und eine Möglichkeit schaffen, eine auf ihr Schicksal und ihre speziellen Bedürfnisse besser abgestimmte Betreuung – professionell wie ehrenamtlich – zu gewährleisten", so Oßwald.