Die Asylverfahren in der EU sollen angesichts der Probleme mit illegaler Migration deutlich verschärft werden. Bei einem Innenministertreffen in Luxemburg stimmte am Donnerstag eine ausreichend große Mehrheit an Mitgliedstaaten für umfassende Reformpläne, wie der schwedische Ratsvorsitz mitteilte. Sie sehen insbesondere einen deutlich rigideren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vor.
So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.
Deutschland fordert Ausnahmen für Familien
Die Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen nachdrücklich dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Um den Durchbruch zu ermöglichen, musste sie allerdings letztlich akzeptieren, dass dies doch möglich sein könnte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte bei dem Treffen allerdings, dass sich die Bundesregierung weiter dafür einsetzen wird, dass alle Kinderrechte gewährt bleiben.
103 Millionen Geflüchtete weltweit – diese Länder nehmen die meisten auf
Ein Großteil der Menschen kommt aus dem Nachbarland Myanmar, wo die muslimische Minderheit der Rohingya seit Jahrzehnten verfolgt wird, besonders seit einer Offensive der myanmarischen Armee im August 2018. Bangladesch erkennt die Genfer Flüchtlingskonvention zwar nicht an, nimmt aber seit Jahrzehnten eine hohe Zahl an Geflüchteten auf. Diese haben allerdings keinen legalen Aufenthaltsstatus, was die Sicherheitslage für sie schwieriger macht. Bangladesch hat etwa 171 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner, Geflüchtete stellen einen Anteil von rund 0,55 Prozent.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat die gefundene Lösung verteidigt. "Der Kompromiss ist ganz und gar kein einfacher. Zur Ehrlichkeit gehört: Wenn wir die Reform als Bundesregierung alleine hätte beschließen können, dann sähe sie anders aus", schrieb die Grünen-Politikerin am Donnerstag in einer Erklärung, die während ihres Besuches in der kolumbianischen Stadt Cali veröffentlicht wurde.
Interne Kritik bei den Grünen
"Aber zur Ehrlichkeit gehört auch: Wer meint, dieser Kompromiss ist nicht akzeptabel, der nimmt für die Zukunft in Kauf, dass niemand mehr verteilt wird", so Baerbock. Bei den Grünen waren die Pläne für die Neuregelungen auf scharfe interne Kritik gestoßen.
Ein Scheitern der Reform hätte bedeutet, "dass Familien und Kinder aus Syrien oder aus Afghanistan, die vor Krieg, Folter und schwersten Menschenrechtsverletzungen geflohen sind, ewig und ohne Perspektive an der Außengrenze festhängen", schrieb Baerbock. "Ein Nein oder eine Enthaltung Deutschlands zu der Reform hätte mehr Leid, nicht weniger bedeutet." Der bittere Teil des Kompromisses seien die Grenzverfahren an der Außengrenze für Menschen aus Ländern mit einer geringen Anerkennungsquote. "Ohne diese Grenzverfahren hätte sich aber niemand außer Deutschland an dem Verteilmechanismus beteiligt."
Denkbar ist auch, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt. Es hat bei der Reform ein Mitspracherecht und wird in den kommenden Monaten mit Vertretern der EU-Staaten über das Projekt verhandeln.
Schärfere Asylregeln und mehr Solidarität
Neben den verschärften Asylverfahren sehen die am Donnerstag beschlossenen Pläne auch mehr Solidarität mit den stark belasteten Mitgliedstaaten an den EU-Außengrenzen vor. Sie soll künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. Länder wie Ungarn stimmten deswegen gegen den Plan.
Von der Pflicht zur Solidarität könnten beispielsweise Länder wie Italien profitieren. Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats wurden in Italien in diesem Jahr bereits mehr als 50.000 Migranten registriert, die über das Mittelmeer kamen. Die meisten von ihnen kamen aus Tunesien, Ägypten und Bangladesch und hatten damit so gut wie keine Aussichten auf eine legale Bleibeperspektive.
EU-Parlament verhandelt noch
Die noch ausstehenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament sollen im Idealfall noch vor Ende des Jahres abgeschlossen werden. Dann könnten die Gesetze noch vor der Europawahl im Juni 2024 beschlossen werden. Sollte dies nicht gelingen, könnten veränderte politische Kräfteverhältnisse Neuverhandlungen nötig machen.