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Kommentar Aufsichtsrat ist nicht genug: Holt Frauen in den Vorstand!

Die Frauenquote für den Aufsichtsrat darf nur der Anfang sein. Sie muss für alle Gremien gelten – nur so kann sich die Rolle der Frauen an der Spitze ändern.
Von Sophia von Rundstedt

Mein erstes Aufsichtsratsmandat habe ich ausgeschlagen. Ich schob gerade den Kinderwagen mit meinem zwei Monate alten Sohn durch Frankfurt, da rief mich der Aufsichtsratsvorsitzende eines größeren mittelständischen Familienunternehmens aus dem Allgäu an.

Er suchte eine Frau mit Expertise im Bereich Personal für seinen Aufsichtsrat. Und da käme ich als Familienunternehmerin und Geschäftsführerin einer Personal- und Karriereberatung doch wie gerufen. Ich dachte an den Nachfolgeprozess in unserem eigenen Unternehmen, der mich gerade völlig vereinnahmte, und an den Spagat zwischen Job, Kindern, Mann und allem anderen. Dann warf ich noch einen Blick auf meinen quengelnden Sohn...und sagte schweren Herzens ab. Heute würde ich anders entscheiden.

Neue Gesichter an die Spitze

Eine Menge hat sich seitdem getan. Seit Mai gibt es in Deutschland eine Quote für Frauen im Aufsichtsrat, seitdem sind die Gremien in Bewegung geraten: Jüngste Beispiele für Frauen, die Posten übernommen haben, sind Ute Geipel-Faber von EnBW oder Margret Klein-Magar von SAP. Sogar die IG Metall will im Oktober zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Frau an die Spitze berufen, die 47-jährige Christiane Benner. Ist also die Diskussion über eine Frauenquote überflüssig, weil das Ziel „mehr Frauen in Führungspositionen“ schon längst erreicht ist? Nein. Es ist erst der Anfang.

Die große Herausforderung bei der Umsetzung der Frauenquote liegt zunächst einmal darin, nicht immer auf die bereits vielfach bekannten „Goldröcke“ zurückzugreifen, die in der Regel schon mehrere Mandate auf sich vereinen, wie Ann-Kristin Achleitner, Beatrice Weder di Mauro oder Nicola Leibinger-Kammüller. Wir brauchen neue Gesichter.

An interessierten und qualifizierten Frauen mangelt es nicht. Jüngst hörte ich wieder von einer sehr talentierten Fondsmanagerin und Unternehmerin aus meinem Bekanntenkreis, die ersatzweise einen Aufsichtsratsposten bei einem internationalen Konsumgüterhersteller innehat. Obwohl sie Interesse hätte, hat sie bisher keine Angebote für weitere Mandate erhalten. Dabei tun die Frauen viel für den Aufstieg, beschäftigen sich mit der Rolle, bilden sich weiter, gründen Initiativen und tauschen sich in Netzwerken aus. Doch das Matching zwischen Unternehmen und Frauen greift noch nicht.

Mehr Vorbilder für Frauen schaffen

Nächster wichtiger Schritt ist deshalb eine Quote für den Vorstand. Das neue Quoten-Gesetz geht bereits einen Schritt in die richtige Richtung. Danach sind alle Unternehmen mit Mitbestimmung in Deutschland ab September 2015 verpflichtet, Planzahlen für die Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsrat, Vorstand und obersten Managementebenen zu veröffentlichen.

Natürlich beeinflussen Frauen im Aufsichtsgremium mittelfristig auch die Besetzung des operativen Führungsgremiums. Aber eine Quote im Vorstand würde dem Kulturwandel zusätzliche Dynamik verleihen und demonstrieren, wie wichtig es der Politik ist, dem demografischen Wandel gezielt die Stirn zu bieten. Frauen in Top-Führungspositionen spielen eine zentrale Rolle als Vorbilder für junge Talente.

Sind die gesetzlichen Vorgaben realistisch? Ich kenne die Kritik an der Höhe der Quote, die vor allem von Unternehmen aus technischen Branchen kommt: Es mangele an Frauen auf den Einstiegspositionen, sodass keine kritische Masse für Führungspositionen vorhanden sei. Da beißt sich allerdings die Katze in den Schwanz. Wenn wir nicht mehr Rollenvorbilder an der Spitze schaffen, können wir auch junge Frauen nicht für solche Karrieren begeistern. Idealerweise schaffen es role models außerdem, Familie und Karriere miteinander zu vereinbaren und somit Jüngere zu ermutigen.

Ein Beispiel: Eine erfolgreiche Unternehmerin aus meinem Netzwerk war Potenzialträgerin bei der Deutschen Bank und wurde mit Ende 20 unerwartet schwanger. Weil es ihr an Vorbildern weiblicher Investmentbankerinnen mangelte, entschied sie sich, die Bank zu verlassen, und machte sich selbstständig.

Studien zeigen, dass in einem Gremium mindestens drei Frauen vertreten sein sollten, um wirklich einen Kulturwandel zu bewirken.

Unternehmen, die dies bereits umgesetzt haben, sind nach der Studie „Women Matter“ von McKinsey sogar wirtschaftlich erfolgreicher. Ein Beispiel dafür ist der französische Konzern Sodexo, dessen Aufsichtsratsvorsitzende Sophie Bellon eine Frau ist. Bellon hat berichtet, dass Umsatzwachstum und Ertrag deutlich gestiegen sind, seit man das Ziel, 40 bis 60 Prozent Frauenanteil auf den obersten Ebenen zu etablieren, nahezu erreicht hat.

Rückhalt vom Partner fehlt

Ein Thema, das bei vielen Diskussionen über Kinderbetreuung und Frauenförderung auf der Strecke bleibt, ist die persönliche Sichtweise und Motivation der einzelnen Frau. Immer wieder lesen wir von Frauen, die sich „aus familiären Gründen“ zu einem Rückschritt entschieden haben, weil sie das Gefühl hatten, dass die Balance zwischen persönlichen Werten und Anforderungen an die Top-Position nicht stimmte. Beispiele dafür sind Kristina Schröder oder Regine Stachelhaus.

In meinem Umfeld beobachte ich allerdings häufig, dass das Problem nicht die mangelnde Motivation der Frau ist, sondern der fehlende Rückhalt durch ihren Partner. In diesem Zusammenhang hat mich in Sheryl Sandbergs Buch „Lean In“ vor allem das Kapitel „Make your partner a real partner“ sehr bewegt. Für die Männer der Generation X zählen in erster Linie Status, Position und Einkommen. Ihre Eltern haben ihnen in der Regel das tradierte Rollenmodell vorgelebt. So fällt es ihnen häufig schwer, sich selbst zurückzunehmen, Kompromisse zu machen und sich stärker in das Management der Familie einzubringen. Diesen Konflikt auszutragen, was eine große Belastung für die Partnerschaft bedeuten kann, ist vielen Frauen meiner Generation zu anstrengend, und so stecken sie lieber zurück.

Klar, es gibt Ausnahmen. Etwa die Geschäftsführerin eines US-Konzerns in Frankfurt. Für den Sprung in das Board of Directors, so erzählte sie mir, brauchte sie einen Aufenthalt in der Konzernzentrale.

Sie überzeugte ihren Mann, mit der Familie für mehrere Jahre in die USA zu ziehen. Ihr Mann gab seinen Job in Deutschland auf und arbeitete von Nordamerika aus als selbstständiger Finanzberater.

Auch Frauen mit Mosaik-Karrieren einstellen

Ich bin überzeugt, dass Unternehmen, die Frauen für höhere Aufgaben gewinnen wollen, mit gezieltem Karrieremanagement ansetzen können. Sie müssen ihre Führungskräfte, auch die aus der Generation der Babyboomer, darauf vorbereiten, weibliche Talente in ihrem Team bei der Karriereplanung zu coachen. Ziel der Führungskraft muss es sein, mit der Potenzialträgerin vor allem die mittel- und langfristigen Konsequenzen einer Entscheidung gegen einen Karriereschritt oder für ein Teilzeitmodell zu diskutieren.

Die Mühlen mahlen langsam, aber sie mahlen. Das Thema ist da – und nicht mehr wegzudenken. Ich bin sicher, dass es Frauen in der Arbeitswelt von morgen immer öfter bis an die Spitze schaffen können, wenn Haltung, Potenzial und berufliche Erfahrung stimmen.

Unternehmen, die nach qualifizierten Frauen suchen, rate ich: Schauen Sie auch Kandidatinnen an, die auf den ersten Blick nicht hundertprozentig auf das Profil passen. „Mehr Mut zu spiky profiles!“, hat Telekom-Managerin Claudia Nemat einmal gesagt – auch an die Adresse der Personalberater gerichtet. Oft bringen Frauen, die eher eine Mosaik- als eine klassische Leiterkarriere absolviert haben, die entscheidenden Kompetenzen mit.

Dieser Text ist aus der Capital Ausgabe 9/2015 die sie hier nachbestellen können. 

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