Gesellschaft Raus aus dem Jammertal

Welch ein Jammer: Die Lage ist trist, die Zukunft katastrophal, schuld sind die anderen - allen voran die Regierung. Doch es formiert sich eine Front gegen Dauer-Nörgelei.

Es vergeht kein Tag ohne Medienberichte, in denen klagende Wirtschaftsexperten und Lobbyisten zu Wort kommen. Die übliche Dauerkritik ist in der Nachlese zur Bundestagswahl und der anhaltenden Wirtschaftsflaute zu einem tosenden Klagelied angeschwollen. Einigen Menschen stinkt die ewige Miesmacherei mittlerweile gewaltig. Unternehmer und Forscher melden sich zu Wort - um zu verhindern, dass Deutschland im Jammertal versinkt.

Prominente Anti-Jammerer

»Was wir nicht brauchen, ist das Gejammere von Verbandsfunktionären, vielen Gewerkschaftern, von erfolglosen Managern und ideologischen Hasadeuren«, sagt etwa Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Er gehört zu den prominentesten Anti-Jammerern in Deutschland. »Einen Standort kann man auch kaputtreden.«

Selbst erfüllende Prophezeiung

Der Chef des Autovermieters Sixt hat die Weinerlichkeit ebenfalls satt: »Ich gehöre auch zu den Regierungskritikern aber irgendwann muss Schluss sein mit dem Jammern«, sagt Erich Sixt. Es bestehe die Gefahr, dass durch das ständige Jammern über die Konjunkturflaute eine Art selbst erfüllende Prophezeiung entstehe. »Wir sollten beginnen, positiv zu denken.«

'Wer mehr hat, sollte auch mehr geben'

Diese Hand voll Unternehmer gehören zur kleinen Minderheit, die Optimismus verbreitet. Eine der wenigen gesellschaftlichen Gruppen, die ebenfalls mit gutem Beispiel voran gehen, war in diesem Herbst eine Initiative von Reichen. »Vermögende für die Vermögenssteuer« schrieben an Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD): »Wer mehr hat, kann und sollte auch mehr geben.« Damit nahmen sie eine Haltung ein, die in Deutschland ungewöhnlich ist.

Jammern unterdrückt Veränderungen

»Jammern zahlt sich in unserem üppig gebenden Sozialstaat aus«, erklärt der Zukunftsforscher Matthias Horx. Wer laut genug schreit, darf auf Erhöhungen der Subventionen hoffen. »Durch die Jammerhaltung werden aber die natürlichen Veränderungsimpulse unterdrückt«, analysiert Horx. »Raus aus dem Jammertal« heißt ein von ihm initiiertes »Anti-Jammer-Manifest«. Den Aufruf »gegen den herrschenden Panik-Konsens« haben bislang rund 1.000 Menschen unterzeichnet. Dazu gehören etwa die Publizisten Dirk Maxeiner und Michael Miersch, die als Gegner von Umwelt-Schwarzsehern bekannt geworden sind.

Nur ein Medienphänomen?

»Die Tendenz zum Jammern ist auch ein Medienphänomen«, sagt die Erlanger Sozialpsychologin Andrea Abele-Brehm. In Befragungen zeigt sich immer wieder, dass die Deutschen zwar große gesellschaftliche Probleme wahrnehmen, mit ihrem eigenen Leben jedoch zufrieden sind. »Man kann ferner Unterschiede im Selbstverständnis von verschiedenen Nationen ausmachen.« Auch wenn es keine wissenschaftlichen Beweise gibt, ist zu erkennen, dass die Amerikaner pragmatisch und optimistisch handelten. Hingegen sollen die Deutschen als Volk der Dichter und Denker grüblerischer veranlagt sein und mehr jammern.

Apokalyptische Sehnsucht

»Wenn es etwas gibt, auf dass man sich mit letzter Sicherheit verlassen kann, dann ist es der deutsche Katastrophismus«, sagt Henryk M. Broder, der Autor des Buches »www.Deutsche-Leidkultur.de«. »Alles, was schief gehen kann, muss schief gehen, damit sich die apokalyptischen Sehnsüchte erfüllen. Bleibt die Katastrophe wider Erwarten aus, kommt es zu einem schweren Katzenjammer, der nur von der Aussicht auf das nächste Unheil geheilt wird.«

Lobbyisten nörgeln am meisten

Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Bernd Gottschalk, sagt: »Wenn die Deutschen Licht am Ende des Tunnels sehen, neigen sie oft dazu, den Tunnel erst noch zu verlängern.« Denn gerade Lobbyisten gehören zu den größten Nörglern der Nation.

Es sind immer die Anderen

»Jammern ist immer mit der Delegierung der Schuld an andere verbunden«, erklärt Horx. Nicht die eigene Gruppe, sondern die anderen sind schuld. Diese Haltung gibt es in anderen europäischen Ländern nicht. Dort werden Probleme angepackt und schneller gelöst. Horx vermisst Signale, wie sie etwa von der »Ruck«-Rede des Ex-Bundespräsidenten Roman Herzog 1997 ausgingen. Die Pessimisten bekommen zu viel Medien-Aufmerksamkeit.

Zusammenhalten und Probleme lösen

Einer der Optimisten, die sich dennoch unermüdlich gegen miese Stimmung wehren, ist der Chef des baden-württembergischen Textilunternehmens Trigema, Wolfgang Grupp. Er wirbt in seinem TV-Werbespot mit Affe auch für den Standort Deutschland. »Der ist so gut oder schlecht, wie wir Unternehmer ihn hinterlassen«, sagt Grupp. »Wir müssen in schwierigen Zeiten zusammenhalten und Probleme gemeinsam bewältigen.«

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