Hedge-Fonds Die Deutscher Börse und der böse Wolf

Sie sind auch nach einem Jahr noch Exoten in Deutschland und mischen doch den hiesigen Finanzmarkt kräftig auf: Seit der Hedge-Fonds TCI der Deutschen Börse ein neues Management aufzwingen will, rückt eine Branche ins Rampenlicht.

Hedge-Fonds gerieten zuletzt durch den Wirbel um ihren wachsenden Einfluss in DAX-Unternehmen verstärkt ins Blickfeld. Seitdem spekulativ ausgerichtete Investoren wie der britische Hedge-Fonds TCI versuchen, der Deutschen Börse ein neues Management aufzuzwingen, sehen erste Kommentatoren die "Deutschland AG" endgültig am Ende. Andere werten die Einmischung der mächtigen Anleger positiv: Als Beginn eines professionelleren Kapitalmarktes in Deutschland.

"Zu Unrecht verteufelt"

"Hedge-Fonds decken Missstände und Ungleichgewichte im Markt deutlich klarer auf", sagt der Finanzwissenschaftler Rolf Tilmes. Der wissenschaftliche Leiter der Finanzakademie an der European Business School im hessischen Oestrich-Winkel gesteht den Fonds ein "ausgewogenes Chancen-Risiken-Profil" zu und findet, die Anlageform werde in Deutschland "zu Unrecht verteufelt".

Hedge-Fonds

Der Sektor der Hedge-Fonds gehört zu den am stärksten wachsenden Anlageformen. Im Gegensatz zu Aktienfonds und Rentenfonds können diese Investmentfonds alle Arten von Finanzinstrumenten nutzen. Dabei versuchen sie Investitionen gegen Risiken wie Kurseinbrüche oder Wechselkursschwankungen abzusichern. In der Praxis streben sie aber danach, durch spekulative Geschäfte unabhängig vom Marktumfeld kurzfristig möglichst hohe Erträge zu erwirtschaften.
Die Fonds verkaufen beispielsweise Aktien, die sie gar nicht besitzen (Leerverkäufe). Dazu leihen sie sich diese Papiere etwa von Banken oder Pensionsfonds aus, um sie zu verkaufen. Dafür zahlen sie eine Leihgebühr. Die Manager der Hedge-Fonds hoffen auf fallende Kurse, um die Titel dann billiger wieder zurückkaufen zu können - eine Wette, die nicht immer aufgeht.
Die Zahl der weltweit aktiven Hedge-Fonds soll in der Größenordnung von 10.000 liegen. Wichtige internationale Zentren für Hedge-Fonds-Gesellschaften sind beispielsweise die britischen Kanalinseln, die Bahamas, die Kaimaninseln, aber auch Luxemburg oder Monaco.

Verbraucherschützer sehen das anders. Gerade weil Anleger angesichts niedriger Zinsen nach mutmaßlich rentableren Alternativen suchen, warnen sie vor spekulativen Geschäften. "Hedge-Fonds bergen große Gefahren für unaufgeklärte Anleger", sagt der Chef des Deutschen Instituts für Anlegerschutz in Berlin, Volker Pietsch. Nicht umsonst prangt auf Verkaufsprospekten der Hinweis: "Der Bundesminister der Finanzen warnt: Bei diesem Investmentfonds müssen Anleger bereit und in der Lage sein, Verluste des eingesetzten Kapitals bis hin zum Totalverlust hinzunehmen."

Wer da mitspielt, muss mit Totalverlust rechnen

Während Aktienkäufer gewöhnlich nur bei steigenden Kursen gewinnen, können Hedge-Fonds auch bei fallenden Werten verdienen. Der Hedge-Fonds-Begriff geht auf die Technik des Hedging (englisch to hedge: absichern) zurück. Den Fonds steht die gesamte Trickkiste der Finanzjongleure zur Verfügung: Die Fonds können zum Beispiel Aktien verkaufen, die ihnen nicht gehören (Leerverkäufe), auf Rechnung der Anleger Kredite aufnehmen oder auf Wertpapiere und Währungen wetten. In diesem Jahr erwartet die Branche im Schnitt zehn Prozent Rendite.

"Wir sind zuversichtlich, dass sich auch in Deutschland eine Hedge-Fonds-Industrie etabliert", sagt der Sprecher des Branchenverbandes BVI, Andreas Fink. Das Anlagevermögen der 16 Publikumsfonds, die Mitglied im Bundesverband für Investment und Asset Management (BVI) sind, summierte sich Ende März auf gut eine Milliarde Euro. Zwar hatte sich die Branche bis zu zehn Milliarden erhofft, als der Gesetzgeber zum 1. Januar 2004 das Verbot für Hedge- Fonds in Deutschland kippte. Doch Fachleute wie Rolf Dreiseidler von der DekaBank sind überzeugt: "Wir stehen noch am Anfang beim Investitionsverhalten." Auch Ökonom Tilmes meint: "Der Run auf diese alternative Anlageform in Deutschland steht erst bevor." In den USA, wo Hedge-Fonds seit Jahren etabliert sind, lege beispielsweise die Elite-Universität Yale fast ein Viertel ihrer Stiftungsmittel erfolgreich in Hedge-Fonds an.

Derzeit 29 Fonds zugelassen

In Deutschland genehmigte die Finanzaufsicht BaFin Ende März 2004 die ersten Hedge-Fonds. Inzwischen hat die Bonner Behörde nach eigenen Angaben 29 Fonds zugelassen, gut ein Dutzend weiter Produkte werden derzeit geprüft. Zudem haben laut BaFin 8 ausländische Hedge-Fonds-Anbieter eine Vertriebsgenehmigung für Deutschland.

Im Fall der Deutschen Börse AG könnten die Hedge-Fonds einen bislang beispiellosen Coup landen: Gelänge bei der Hauptversammlung des Börsenbetreibers am 25. Mai die angestrebte Absetzung von Aufsichtsratschef Rolf-E. Breuer, wäre dies ein Novum in der deutschen Wirtschaftsgeschichte: Erstmals würde ein Hedge-Fonds die Aufsichtsratsspitze eines DAX-Unternehmens stürzen.

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Jörn Bender/DPA