INDUSTRIE Krise bei Grundig spitzt sich zu

Unternehmen entlässt insgesamt rund 1.200 Mitarbeiter in Nürnberg und Bayreuth, dementiert aber gleichzeitig seine Zahlungsunfähigkeit.

Stürmische Zeiten bei dem angeschlagene Elektronikkonzern Grundig: Zusätzlich zum angekündigten Abbau von rund 900 Arbeitsplätzen, wird das Unternehmen bis Ende Juni etwa 300 »vorsorgliche Kündigungen« aussprechen, sagte der neue Vorstandschef Hans-Peter Kohlhammer dienstags in Nürnberg. Damit verliert über ein Drittel der 2.900 in Deutschland beschäftigten Grundig-Mitarbeiter den Arbeitsplatz. Kohlhammer wies gleichzeitig Spekulationen zurück, dass der Konzern zahlungsunfähig ist.

Ohne Kredite »substantielles Problem«

Es sei bekannt, sagte der Grundig-Chef, dass bis zum Monatsende eine Einigung über Qualifizierungs- und Beschäftigungsmodelle zwischen allen Beteiligten erfolgen muss, damit die Banken zugesagte Kredite zur Verfügung stellen. »Daraus jedoch zu schließen, die Grundig AG sei bereits im Juni nicht mehr in der Lage, die Löhne und Gehälter seiner Mitarbeiter zu zahlen, ist eine nicht den Tatsachen entsprechende Unterstellung.« Kohlhammer räumte jedoch ein, Grundig habe »ein sehr substanzielles Problem, wenn die Banken diese Kreditlinie nicht genehmigen.«

Auftragslage im Sommer entscheidend

Laut Kohlhammer werden 1.083 Arbeitnehmer am Standort Nürnberg und 180 in Bayreuth bis Ende Juni ihre Kündigung erhalten. Falls sich die Auftragslage nach der Internationalen Funk-Ausstellung in Berlin im Sommer bessert und vor allem die geplanten eigenständigen Qualifizierungs- und Beschäftigungsgesellschaften zu Stande kommt, »werden die entsprechenden Präventiv-Kündigungen zurück genommen«, versicherte Kohlhammer.

Kritik an Gewerkschaft

Zu dem Ende März bekannt gegebenen Abbau von 656 Stellen in der Fertigung von Fernsehgeräten, fallen noch rund 250 Stellen in der Nürnberger Verwaltung weg. Für die 114 von der Kündigung bedrohten Mitarbeiter im Formenbau wird nach Lösungen für externe Aufträge gesucht. Harsche Kritik übte Kohlhammer an den Arbeitnehmervertreter, da sie mit der »Verbreitung von Halbwahrheiten in der Öffentlichkeit« das Vertrauen für eine schnelle Einigung untergraben.

Der Elektronikkonzern hatte Ende März angekündigt, ein Sanierungskonzept der Unternehmensberatung Roland Berger umzusetzen. Demnach wird die Fertigung von Fernsehgeräten in Nürnberg aufgegeben und komplett nach Wien verlagert. Grundig hatte im vergangenen Jahr nur durch Auflösung von Rückstellungen in Höhe von 77 Millionen Mark (39,5 Millionen Euro) einen Jahresüberschuss von gerade einmal 1,9 Millionen Mark erreicht. Weltweit beschäftigt Grundig derzeit noch 5.900 Mitarbeiter.