Die dramatische Finanzkrise bringt nach Ansicht des IWF die Weltwirtschaft an den Rand einer Rezession und zwingt Deutschland in die Stagnation. Für 2008 sei in Deutschland noch ein Plus von 1,8 Prozent zu erwarten, im Jahr darauf dann lediglich "Nullwachstum", hieß es in dem am Mittwoch in Washington vorgelegten Weltwirtschaftsausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF). Der Fonds senkte die globale Wachstumserwartung für 2009 von 3,9 auf 3,0 Prozent. Das wäre der geringste Zuwachs seit sechs Jahren. Bei einem weltweiten Wachstum von unter 3,0 Prozent spricht der IWF von einer Rezession.
Für 2009 nahm der Währungsfonds seine Deutschland-Prognose vom Juli um ein vollen Prozentpunkt zurück. "Die deutsche Wirtschaft ist vor allem auf einem Motor gelaufen, nämlich dem Export. Diesem Motor geht durch das weltweit verlangsamte Wachstum nun der Treibstoff aus", sagte Hauptautor des Weltwirtschaftsausblicks, Jörg Decressin.
Der Fonds korrigierte für zahlreiche Länder und Regionen rund um den Erdball seine Wachstumserwartungen teils massiv nach unten. "Wir stehen vor harten Zeiten: Für einige Zeit Nullwachstum in entwickelten Volkswirtschaften und geringes Wachstum weltweit", sagte IWF-Chefökonom Olivier Blanchard. Zahlreiche große Industrieländer steckten entweder bereits in einer Rezession oder befänden sich kurz davor, hieß es in dem IWF-Bericht.
In Großbritannien, Spanien und Italien wird nach Einschätzung des IWF im kommenden Jahr die Wirtschaft schrumpfen. Für die USA als Ausgangspunkt der Finanzkrise erwartet der Fonds 2009 ein Plus von gerade noch 0,1 Prozent, in der Eurozone 0,2 Prozent. Deutschland war 2007 noch mit 2,5 Prozent gewachsen, im Jahr zuvor mit 3 Prozent.
Lage kann sich noch verschärfen
Trotz des bereits düsteren Ausblicks könnte sich die Lage laut IWF noch einmal verschärfen. "Könnten die Dinge noch schlechter werden als in unserer Prognose? Leider ja", sagte Blanchard. Voraussetzung sei laut IWF, dass die Belastungen der Finanzmärkte weiterhin sehr hoch blieben und die Kreditklemme sich als breiter und langwieriger herausstelle. Sorge bereite auch eine mögliche Zuspitzung der Krise im amerikanischen Immobiliensektor und eine weitere Schwächung des europäischen Häusermarktes.
Blanchard rief die politisch Verantwortlichen zu entschlossenem Handeln auf. "Mit den richtigen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen - und diese Maßnahmen sind verfügbar - können wir den Sturm abwettern und mit dem Beginn einer Erholung im Laufe von 2009 rechnen", sagte der Chefvolkswirt des Fonds.
Krise erreicht auch Schwellen- und Entwicklungsländer
Auch Schwellen- und Entwicklungsländer können sich dem IWF zufolge dem globalen Abwärtstrends nicht entziehen. In China rechnen die Experten indes mit einem robusten Plus von 9,3 Prozent im nächsten Jahr, in Indien immerhin noch 6,9 Prozent. Aber auch für die beiden aufstrebenden Wirtschaftsgiganten stutzte der Fonds seine Prognosen. Mit am massivsten korrigierte der IWF seine Erwartungen für Russland: Um 1,8 Prozentpunkte auf 5,5 Prozent.
Als Folge der Krise rechnet der IWF auch mit einer drastischen Verlangsamung des globalen Handels mit Waren und Dienstleistungen. Legte er 2007 noch um 7,2 Prozent zu, sei 2009 nur noch mit einem Plus von rund 4 Prozent zu rechnen.
Dank sinkender Rohstoffpreise und durch die globale Konjunkturschwäche rechnet der IWF immerhin mit einer Entspannung an der Inflationsfront. In den Industrienationen sei im Laufe des nächsten Jahres deshalb ein Preisauftrieb von unter zwei Prozent zu erwarten.