Die fünf Wirtschaftsweisen erwarten im nächsten Jahr nur noch ein Mini-Wachstum von 0,9 Prozent. Sie schließen sich damit den pessimistischen Einschätzungen der führenden Forschungsinstitute und der Bundesregierung an. Die Risiken für die Konjunktur hätten sich vor allem wegen der ungelösten Euro-Schuldenkrise deutlich erhöht, geht aus dem Jahresgutachten des Sachverständigenrates hervor.
Die als Wirtschaftsweise bekannten Regierungsberater übergaben die 461 Seiten starke Analyse am Mittwoch in Berlin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Weiterhin sehr erfreulich sei die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Im nächsten Jahr werde die Zahl der Arbeitslosen im Schnitt auf 2,9 Millionen sinken.
Vorschläge für Einnahmequellen
Die Ökonomen unterstützen grundsätzlich den Plan der schwarz-gelben Koalition, die inflationsbedingte "kalte Progression" abzumildern und so für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Jedoch sollten die erwarteten Steuerausfälle von 2,2 Milliarden Euro durch mehr Sparen an anderer Stelle oder die Streichung von Steuervergünstigungen gegenfinanziert werden.
Die Wirtschaftsweisen schlagen vor, dafür die Pendlerpauschale und die Steuerfreiheit von Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen abzuschaffen. Auch sollte der Steuerbonus bei Dienstwagen sowie bei der Absetzbarkeit haushaltsnaher Dienstleistungen und Handwerkerleistungen auf den Prüfstand kommen.
Schuldenpakt für Bankrottstaaten
Angesichts der stockenden Euro-Rettungsbemühungen haben die Wirtschaftsweisen eine Alternativ-Lösung ins Spiel gebracht. Falls sich eine Verstärkung des Euro-Rettungsschirms EFSF als unzureichend erweisen sollte, schlagen sie in ihrem am Mittwoch vorgelegten Gutachten einen sogenannten "Schuldentilgungspakt" vor. Der entsprechende Fonds soll durch die Währungsreserven der Teilnehmerländer und Steuern abgesichert werden, die speziell für die Tilgung vorgesehen sind.
"Das Modell stellt eine bewusste Abkehr von der bisherigen Praxis dar, Schulden durch immer höhere Schulden abzusichern", heißt es in dem 435 Seiten starken Gutachten der Sachverständigen. Länder mit einer Staatsschuld jenseits der im Maastricht-Vertrag festgelegten Obergrenze von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen diese Verbindlichkeiten demnach in einen gemeinsamen Tilgungsfonds mit gemeinschaftlicher Haftung auslagern. Deutschland hat eine Staatsschuldenquote von über 80 Prozent, Italien von rund 120 Prozent.
Gleichzeitig soll für jedes Land ein Konsolidierungskurs abgesteckt werden, mit dem die ausgelagerten Schulden eigenverantwortlich binnen 20 bis 25 Jahren getilgt werden können. Nach den Plänen der Wissenschaftler kann der Fonds mit einem Anleihen-Volumen von 2,3 Billionen Euro bereits binnen weniger Jahren eine gewaltige Schlagkraft aufbieten. Deutschland mit 25 Prozent und Italien mit 41 Prozent würden den Löwenanteil daran stellen. Weitere wichtige Schuldner des Tilgungsfonds wären Frankreich, Belgien und Spanien.