Auf einmal gibt es wieder Gründe, neidisch nach Amerika zu schauen. Nach der verheerenden Corona-Politik der Trump-Regierung mit Hunderttausenden Todesopfern, Massenarbeitslosigkeit und Irrsinn an allen Ecken sind die USA unter Joe Biden wieder auf dem Weg nach vorn.
Der neue US-Präsident betreibt eine seriöse Corona-Politik, die Impfkampagne kommt in ganz anderem Tempo voran als bei uns – und nun hat Biden auch noch ein gigantisches Hilfsprogramm durchgesetzt, um die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu bekämpfen. 1,9 Billionen Dollar ist sein Konjunkturpaket schwer. Repräsentantenhaus und Senat hat es bereits erfolgreich passiert, Bidens Unterschrift soll zeitnah folgen.
Das Hilfspaket hat historische Dimensionen. Es ist noch einmal gut doppelt so groß wie die 900 Millionen Dollar schweren Hilfen, die der US-Kongress erst im Dezember verabschiedet hatte. Die "New York Times" nennt es eines der größten Hilfsprogramme seit der Großen Depression der 30er Jahre. Donald Trump mag das größte Großmaul im Weißen Haus gewesen sein, doch das größte Konjunkturpaket kommt vom bescheidenen Biden.
Sozialstaat wird ausgebaut
Bemerkenswert für US-Verhältnisse ist der soziale Ansatz des Pakets. Während Trump gerne Steuern für Unternehmen und Reiche senkte, zielen die Biden-Hilfen vor allem auf den schwächeren Teil der Gesellschaft. Der größte Batzen der finanziellen Hilfen wird direkt an die Bürger ausgezahlt. Jeder US-Bürger, der weniger als 75.000 Dollar im Jahr verdient, erhält einen Scheck über 1400 Dollar. Allein das kostet 410 Milliarden Dollar.
Auf ein sogenanntes Helikoptergeld hat zwar auch schon Trump gesetzt: Er ließ in der Corona-Krise einmal 600 Dollar und noch einmal 1200 Dollar pro Person verteilen. Doch während Trump es vor allem wichtig war, dass jeder Scheck seine Unterschrift trägt, was wertvolle Zeit kostete, verzichtet Biden ganz bewusst auf diesen selbstverliebten Schritt.
Stattdessen ergänzt Biden die Einmalzahlungen um weitere großzügige soziale Maßnahmen. So soll das Arbeitslosengeld – in den USA traditionell niedrig – bis September um 300 Dollar pro Woche erhöht werden. Es gibt mehr Geld für Coronavirus-Tests und Impfungen sowie Finanzhilfen für Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen und kleine Unternehmen in Schieflage.
Kindergeld wie in Deutschland
Eine kleine Revolution sind zudem die Steuererleichterungen für Familien mit Kindern, die Biden in das Paket gepackt hat. Für Kinder unter sechs Jahren steigt der "Child tax credit" von 2000 auf bis zu 3600 Dollar im Jahr. Das entspricht einem Kindergeld von 300 Dollar im Monat (250 Euro) und übersteigt damit sogar die Summe, die es in Deutschland fürs erste und zweite Kind gibt (aktuell 219 Euro). Für Kinder über sechs Jahren sieht das US-Paket immerhin bis zu 3000 Dollar im Jahr vor.
Die Effekte der Maßnahmen dürften enorm sein: Eine Studie der Columbia Universität kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Armut durch das Hilfspaket um ein Drittel und die Kinderarmut mehr als die Hälfte verringern könnten. Am stärksten werden voraussichtlich Schwarze und Latinos profitieren.
Vorbild für Europa?
Da kann man hierzulande schon mal fragen: Machen uns die Amis jetzt nicht nur beim Impfen, sondern auch bei der ökonomischen Krisenbewältigung etwas vor? Wo sind unsere 1400-Euro-Schecks? Wer sich die USA jetzt zum Vorbild nimmt, sollte allerdings nicht vergessen, dass der Sozialstaat bei uns grundsätzlich stärker ausgebaut ist als in den USA. Ohne die temporären zusätzlichen Hilfen stünden etwa viele in der Krise arbeitslos gewordene Amerikaner vor dem finanziellen Nichts, bei uns sind die staatlichen Auffangnetze enger gestrickt. Neben höherem Arbeitslosengeld ist hier derzeit insbesondere das Kurzarbeitergeld zu nennen.
Zweitens hat auch Deutschland in der Krise schon Milliarden unters Volk gebracht, nicht nur für spezielle Gruppen wie Selbständige, sondern auch für die Masse. Die Umsatzsteuersenkung im vergangenen Jahr und der Kinderbonus etwa stehen im gleichen Geist wie das amerikanische Helikoptergeld. Die Ausweitung des Kurzarbeitergeldes hat Arbeitslosigkeit verhindert. Direktzahlungen für jedermann halten die meisten deutsche Ökonomen angesichts der übrigen Maßnahmen hierzulande daher nicht für zielführend. Auf europäischer Ebene gibt es zudem noch den Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Milliarden Euro.
Und schließlich sind sich Ökonomen keinesfalls einig, dass Bidens Strategie des "Viel hilft viel" tatsächlich so schlau ist. Denn viel ist natürlich auch teuer und treibt die Staatsschulden in die Höhe. "Konjunkturpolitisch ist das Programm angesichts der in der Krise ohnehin aufgestauten Kaufkraft, die sich nach dem Ende der Pandemie entladen wird, unnötig", sagt etwa Clemens Fuest, Chef des Münchener Ifo-Instituts dem Handelsblatt. Auch andere Ökonomen halten Bidens Geldregen für zu üppig. Zunächst einmal, da sind sich die Experten ebenfalls einig, steht den USA aber ein gewaltiger Aufschwung bevor.
Quellen: New York Times / Washington Post / CNBC / Handelsblatt / Columbia-Studie