Sie nannten ihn "Sheriff Schrempp", weil er den Laden ausmisten wollte. Oder Mister "Profit, Profit, Profit", weil er die Geldbörsen der Aktionäre zum Platzen bringen wollte. Alle jubelten. Sie glaubten, ein neuer Heiliger wäre erschienen, der den Aktionären, pardon, Shareholdern natürlich, unentwegt Millionen in die Taschen stopft. Doch es war nur ein Scheinheiliger namens Jürgen Egon Schrempp, der von einer "Welt AG" faselte, präpotent viele glauben machte, dass man sich nur etwas trauen müsse im Leben. Und schon, wie durch Zauberhand, würden die Bilanzen auf ewig goldgerändert. Bis mit der Trennung von Daimler und Chrysler nun der Katzenjammer begonnen hat. Für viele ist es sicher auch eine Erlösung. Endlich ist man den Ami-Klotz am Bein los, der fast ein Jahrzehnt von der Stuttgarter Mutter durchgefüttert wurde, aber nie wirklich zu Muskeln kam. Und der Aktienkurs steigt.
Falsches Konzept? Falsche Modelle? Falsche Partner? Und, viel schlimmer, womöglich auch Verluste? Derartige Fragen wurden am Hofe Schrempps allenfalls von ewig Gestrigen gestellt. Jene, die angeblich keinen Dunst hatten von der Globalisierung und demzufolge auch schnell nicht mehr gebraucht wurden. Was der Hochfinanz genauso wie Klein-Erna als "Hochzeit im Himmel" verkauft wurde, soviel steht nun fest, ist zur Hölle auf Erden geworden. Vor allem für die Arbeitnehmer und zu Lasten der Mercedes-Qualität. Dementsprechend ist das Ansehen der Marke in der Öffentlichkeit abgerutscht - laut der jüngsten auto motor und sport-Imageanalyse in den letzten fünf Jahren von 84 Prozent auf 67 Prozent. Soviel glauben noch, dass die Marke für Zuverlässigkeit steht. Toyota liegt bei 91 Prozent.
Vorstand hat auf ganzer Linie versagt
Das Desaster kommt nicht von ungefähr. Der komplette Vorstand hat sich nicht nur über-nommen. Er hat jämmerlich versagt. Strategisch wie taktisch. Nehmen wir die einstige Mit-schwester Mitsubishi, der östliche Arm, mit dem die Welt umschlungen werden sollte. Für Milliarden ist Sheriff Schrempp, getrieben von besonders schlauen Investmentbankern und natürlich ebenso klugen Beratungsfirmen, bei dem japanischen Hersteller eingestiegen. Er wollte kostengünstig Lkw wie Pkw bauen, weil man ja weltweit mit der Power des Drei-Marken-Konzerns die Einkaufspreise für die Einzelteile mächtig drücken könne. "Skalen-Effekte" heißt so etwas im Wirtschafts- und Finanzchinesisch. Im Klartext bedeutet das nichts anders als brutales Kostendrücken à la José Igancio López, der Anfang der 90er-Jahre als Einkaufsvorstand bei Volkswagen den Lieferanten die Preise und ihre Gewinne diktierte. Das endete alsbald im Crash.
Nicht anders lief die Chose bei dem schwäbisch-amerikanischen Konzern Daimler-Chrysler, der nie hätte geschmiedet werden dürfen. Dem Ausstieg bei Mitsubishi, der Milliarden ver-schlungen hat, folgte das Abenteuer smart. Die vermeintliche Kultkiste sollte Westeuropa mit einer neuen Form der Mobilität beglücken - für zwei Leute und eine Kiste Wasser. Doch der gerne als Elefantenrollschuh verspottete Wagen zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass er in besonders schmalen Lücken quer geparkt werden konnte. Nach dem kostspieligen Versuch, aus dem Single-Modell smart eine ganze Familie zu machen, sind die Verantwortlichen wie-der beim Ursprungsauto gelandet. Ohne je auch nur annähernd in Reichweite schwarzer Zahlen gekommen zu sein. Im Gegenteil. Die Branche tuschelt von mindestens sieben Milliarden Euro Verlust seit der Gründung von smart.
Ein neuer Cerberus übernimmt
Und jetzt Chrysler, eine Trennung mit Ankündigung. Einst besoffen vom Glauben, die Welt aus den Angeln hebeln zu können, muss auch Schrempps Nachfolger Dieter Zetsche nüchtern feststellen, dass man nicht gleichzeitig auf dem Gas und auf der Bremse stehen kann. Ständig wurde bei Chrysler von Produktoffensive geredet, gleichzeitig mussten aber auch ständig die Kosten runter. Was schon bei Volkswagen mit López nicht klappte, funktionierte auch nicht bei der Alptraum AG mit Doppelsitz in Stuttgart und Auburn Hills.
Joachim Zahn, der inzwischen verstorbene ehemalige Vorstandsvorsitzende der alten Daim-ler-Benz AG, hat Schrempp Brief um Brief, Hausmitteilung um Hausmitteilung, Analyse um Analyse ins Büro geschickt. Gespickt mit Warnungen, dass die Kulturen der Konzernteile nicht zusammenpassen würden. Weder die japanische mit der deutschen, noch die deutsche mit der amerikanischen oder die japanische mit der amerikanischen. Klar, dass die Mahnungen als Papperlapapp eines Oldies abgetan wurden. Im Nachhinein würde es niemand wundern, wenn Zahns Papiere gar nicht auf dem Schreibtisch des großen Vorsitzenden gelandet wären. Denn im Vorzimmer von Schrempp wachte ein Zerberus penibel darauf, dass Unnötiges vom Chef ferngehalten wurde: Lydia Deininger, Schrempps spätere Ehefrau Nummer zwei.
Nun hat ein anderer Zerberus bei Chrysler das Sagen, der US-Finanzinvestor Cerberus, der für 5,5 Milliarden Euro (7,4 Milliarden Dollar) 80 Prozent von Chrysler gekauft hat. Der griechischen Mythologie zufolge ist der Zerberus ein Höllenhund, der Pförtner zur Unterwelt. Sein Biss verursache den sofortigen Tod. Irgendwie passt die Definition jetzt besonders gut. Denn es ist davon auszugehen, dass wieder Werke geschlossen werden und wieder Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren. Der Grund? Kapitale strategische Managmentfehler bei der Produktplanung wie der Markteinschätzung. Nicht weiter schlimm. Das Risiko war gering. Ein goldener Handschlag und Tschüsikowski. Der nächste Vorstandposten wartet schon.