Der irische Branchenführer Ryanair wurde tatsächlich schon 1985 gegründet, eroberte aber erst seit 1997 Kontinentaleuropa. Das allerdings mit schier unglaublichem Tempo und mit oft umstrittenen Praktiken. 200 Experten, Wissenschaftler, Flughafenmanager und Luftfahrtkaufleute aus aller Welt haben in diesen Tagen bei ihrer Luftfahrttagung in der Universität Hamburg nur ein Thema: Billigflieger, ihr Boom und ihre Folgen für den internationalen Luftverkehr.
Umdenken im Verhältnis
Der renommierte amerikanische Luftverkehrswissenschaftler David Gillen bringt die veränderten Beziehungen zwischen Flughäfen und Fluggesellschaften auf den Nenner: «Früher basierten Infrastruktur und Verfahren bei Airports im Wesentlichen auf dem Modell der Airline-Geschäftsplanung. Das heutige Modell stellt völlig andere Anforderungen an die Flughäfen: Herkömmliche Gesellschaften verlangen gebündelte Dienstleistungen von den Airports, die neue Kundschaft will ungebündelte Dienstleistungen und vieles selbst arrangieren.»
Neue Anforderungen an Verkehrsflughäfen
Damit sind Verkehrsflughäfen, so Gillen, von öffentlichen Versorgungsunternehmen zu Geschäftsunternehmen geworden. Gillen nennt sie unbarmherzig «vor- und nachgelagerte Lieferanten für die Airline-Industrie». Damit unterliegen sie dem gleichen konjunkturbedingten Druck wie Fluggesellschaften herkömmlicher Art. Die Low Cost Carrier haben nach Auffassung von Gillen das Risikoverhältnis verändert und die Flughäfen gezwungen, sich zu diversifizieren. Manche Flughäfen reagieren darauf sehr entgegenkommend wie der Londoner «Vorort- Airport» Stansted und profitieren davon so stark, dass Stansted mittlerweile über 15 Millionen Passagiere jährlich zählt. Dabei ist Stansted einer der kleineren Londoner Airports. Zum Vergleich: Hamburg zählte 2002 knapp neun Millionen Passagiere.
Weniger Dienstleistungen
Die Low Cost Carrier verlangen deutlich weniger und andere Dienstleistungen von den Flughäfen, um die Kosten niedrig zu halten, und versuchen so, auch wesentlich niedrigere Gebühren berechnet zu bekommen. Die Landegebühren werden von den meisten Flughäfen gewöhnlich nach dem Gewicht der Flugzeuge berechnet. Gillen nennt das freimütig eine Form der Diskriminierung, bei der die Fluggesellschaft das Risiko trägt, da die Gebühren unabhängig von der Zahl der Passagiere entrichtet werden.
Großairlines entdecken passagierbasierte Rechnung
Umgekehrt versuchen die neuen Low Cost Carrier den Weg über an der Zahl der Passagiere orientierten Gebühren zu gehen. Entsprechend sind sie noch mehr als herkömmliche Airlines an hohen Auslastungen interessiert, weil sie bei ihren niedrigen Gewinnspannen Gewinn nur bei höchsten Auslastungen erreichen. Wie sehr sich gerade in jüngster Zeit der Wind gedreht hat, weist Gillen an einem drastischen Beispiel nach: Ausgerechnet der mächtige deutsche Flagcarrier Lufthansa, der schon viele erbitterte Kämpfe mit den Billigfliegern ausgetragen hat, war völlig überraschend eine der ersten Gesellschaften, die eine leistungsbezogene passagierbasierte Gebühr am Frankfurter Flughafen ausgehandelt habe.