OECD-Kinderstudie Viele Kinder in Deutschland sind arm

Von Arwen Möller
Deutsche Kinder sind im internationalen Vergleich überdurchschnittlich arm. Und das, obwohl Deutschland sehr viel Geld für seinen Nachwuchs ausgibt. Doch zu wenig davon geht direkt in die Bildungsförderung.

Wie geht es Kindern in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt? Gut möchte man meinen, immerhin sorgt doch der Staat mit Milliarden an Transferleistungen dafür, dass auch die Ärmeren hierzulande ein Auskommen haben.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kommt jedoch zu einem ganz anderem Schluss: In Deutschland leben demnach 16,3 Prozent der Kinder in armen Haushalten. Das ist überdurchschnittlich hoch im OECD-Vergleich. Die Organisation hat ermittelt, dass nur Kinder in Irland, Portugal, Spanien, den USA, Polen, der Türkei und Mexiko noch ärmer aufwachsen, als in Deutschland.

Bei einem OECD-Mittelwert von 12,4 Prozent ist der Nachwuchs in Finnland (4,2), Schweden (4,0) und Dänemark (2,7) finanziell am Besten gestellt, wie sich aus der Studie ergibt, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Unter dem Titel "Doing better for Children" vergleicht sie die Lebensbedingungen von Kindern.

Kinderarmut am häufigsten in alleinerziehenden und arbeitslosen Haushalten

"Viele Kinder von alleinerziehenden Eltern und von Eltern ohne Erwerbseinkommen sind in Deutschland relativ arm", sagt Matthias Rumpf, der Pressesprecher der OECD. 40 Prozent der Haushalte mit Alleinerziehenden gelten als arm, im OECD Schnitt sind es 30 Prozent. Mit 18 Prozent ist der Anteil der Haushalte in Deutschland jedoch nicht größer als der OECD-Schnitt.

Doch gerade für Alleinerziehende hat sich in den letzten 20 Jahren die Einkommenssituation deutlich verschlechtert. "Das Problem der Kinderarmut liegt nicht in den Sozialleistungen, sondern im relativ geringen Erwerbseinkommen des Haushalts", präzisiert Rumpf. Dies ergebe sich vor allem durch die vergleichsweise hohen Abzüge und den Wegfall des Sondersteuerfreibetrags für Alleinerziehende.

Und auch beim Bildungsstand sind in Deutschland die Unterschiede zwischen starken und schwachen Schülern vergleichsweise groß. Und das bei eher durchschnittlichen Schulleistungen. Etwa bei der Lesekompetenz ist der Abstand zwischen den besten zehn und den schlechtesten zehn Prozent nur in wenigen OECD-Staaten größer als in Deutschland.

Im Lesekompetenz-Vergleich liegen Migrantenkinder fast zur Hälfte hinter ihren Mitschülern zurück. Vor allem Kanada, Finnland und Korea schneiden im PISA-Gesamtvergleich der 15-Jährigen gut ab. An der unteren OECD-Bildungsgrenze stehen die Jugendlichen in Griechenland, Mexiko und der Türkei. Deutschland liegt nur wenig über dem Bildungsdurchschnitt der 30 Mitgliedsstaaten.

Mehr in frühkindliche Bildung investieren

"Mehr Investitionen in frühkindliche Bildung könnten zu einer Reduzierung von Ungleichheit beitragen", sagte Monika Queisser, Leiterin der Abteilung Sozialpolitik der OECD. Denn das Paradoxe ist, dass Deutschland deutlich mehr öffentliche Mittel für Kinder aufwendet, als die meisten anderen OECD-Länder. Doch die Fördermittel für Kinder fließen zu 40 Prozent direkt an die Eltern. In Dänemark und Schweden, den OECD-Staaten mit der geringsten Kinderarmut, liegt der Anteil der direkten Transfers dagegen nur bei 20 Prozent. Stattdessen geht die Förderung für Kinder in Bildung und Betreuungsangebote.

Auch finanziell investieren die skandinavischen Staaten und Dänemark mehr in den Nachwuchs. Norwegen und Dänemark liegen mit 204.200 Dollar und 187.400 Dollar an der Spitze der Kinderförderung. Deutschland gibt bis zum 18. Lebensjahr 144.500 Dollar für den Nachwuchs aus. Das ist überdurchschnittlich hoch. Insgesamt 28 von 30 dieser OECD-Staaten fördern ihren Nachwuchs bis zum Alter von 18 Jahren im Schnitt mit 126.000 Dollar. Die OECD-Studie vergleicht das Wohlergehen von Kindern in Staaten mit hohem Pro-Kopf-Einkommen, die als entwickelte Länder gelten.

"Die Initiativen der vergangenen Jahre in diesem Bereich gehen in die richtige Richtung", bilanziert Queisser. Doch für die weitere Bildungspolitik rät die OECD-Expertin: "Deutschland sollte seine Transfers stärker auf bedürftige Kinder und deren Familien konzentrieren. Außerdem sollten Dienstleistungen wie Kinderbetreuung und Ganztagsschulen weiter ausgebaut werden."

Doch in einem Punkt ähneln sich alle OECD-Kinder: Die Mehrheit von ihnen mag die Schule nicht. In Deutschland gehen nur noch 34,9 Prozent der Schüler gerne in die Schule.