Der Vorwurf gegen den Ökostromanbieter Lichtblick aus Hamburg wiegt schwer. Etwa ein Prozent des Stroms komme nicht aus erneuerbaren, sondern aus fossilen Quellen, berichtete die "Financial Times Deutschland". Lichtblick-Sprecher Gero Lücking bestätigte den Vorwurf gegenüber stern.de und verspricht Besserung: "Wir denken intensiv darüber nach, unseren Kunden in Zukunft diesen Sachverhalt offen zu legen und zu erklären".
Das Problem für Lichtblick ist das hohe Ziel, das sich das Unternehmen in Sachen Glaubwürdigkeit selbst gesetzt hat. Jede Kilowattstunde soll nicht nur aus komplett regenerativen Quellen wie Laufwasser- oder Biomassekraftwerken stammen, sondern auch zeitgleich zum Verbrauch produziert werden. Dieses wesentliche Qualitätsmerkmal eines guten Ökostromanbieters setzt eine extrem gute Prognose voraus, wie hoch der Bedarf der Kunden zu welchem Zeitpunkt sein wird. Und weil die Genauigkeit dieser Prognosen bei "nur" 95 bis 97 Prozent liegt, kann es kurzfristig zu Lücken kommen, die ausgeglichen werden müssen.
Ein hausgemachtes Problem
Um diese Lücken zu decken, hat Lichtblick an der Leipziger Strombörse EEX so genannten Regelstrom gekauft. "Der stammt normalerweise aus Kraftwerken, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, vor allem mit Gas", sagt Uwe Leprich von der Hochschule für Wirtschaft und Technik des Saarlands. Er hält das Verhalten von Lichtblick für normal: "Eine zeitgleiche Versorgung ist extrem ehrgeizig". Dass dieses ehrgeizige Ziel im kleinen Prozentbereich verfehlt werde, "ist systemimmanent."
Ähnlich begründet auch Lichtblick selbst die fehlende Transparenz gegenüber den Kunden: "Für die professionellen Teilnehmer am Strommarkt ist dieser Sachverhalt so selbstverständlich, dass wir ihn nicht erwähnt haben", so Sprecher Lücking. Der planbare Stromverkauf käme vollständig aus regenerativen Quellen. Die nicht vermeidbaren Abweichungen bei der Planung führten zu "Fehl- und Überschussmengen", die ausgeglichen werden müssten. Bei Fehlmengen wird zugekauft, bei Überschussproduktion verkauft. Im Saldo, so Lichtblick, sei ein halbes Prozent des an die Kunden abgegebenen Stroms nicht erneuerbaren Ursprungs. Ein Umstand, der angeblich in der gesamten Branche bekannt und akzeptiert ist.
Angekratztes Branchen-Image
Das sieht Marcel Keiffenheim, Sprecher beim Lichtblick-Konkurrenten Greenpeace Energy, ganz anders: "Wir kaufen nicht an der Leipziger Strombörse." Für das Problem einer Deckungslücke, so Keiffenheim, hätte die Greenpeace Energy so genannte "offene Lieferverträge". Der zusätzliche Strom käme so eben nicht aus fossiler oder gar nuklearer Quelle, sondern aus Kraftwerken, an die der gleiche hohe Ökologieanspruch wie sonst auch gestellt werde. Dieser Strom sei aber teurer als der, welcher an der Strombörse gehandelt werde.
Die Kunden von Lichtblick dürfte vor allem die fehlende Offenlegung der Möglichkeit des Zukaufs von Strom aus nicht erneuerbaren Quellen stören. Auf der Homepage stellt Lichblick den eigenen Strommix in Balkendiagrammen dar, die den Eindruck erwecken, dass die ökologische Weste zu hundert Prozent grün sei - und nicht zu 99 Prozent. Das nagt an der Glaubwürdigkeit, die Anfang des Jahres bereits bei den Ökostromtarifen der großen Energiekonzerne angefressen wurde. Damals war bekannt geworden, dass durch den Handel mit so genannten RECS-Zertifikaten jeglicher Strom zu Ökostrom veredelt werden kann. Eine gängige Praxis, mit der Lichtblick nichts zu tun hat, die aber trotzdem am guten Ruf der Branche kratzte.