Wenn Gerichtsvollzieher Walter Horz über die weltgrößte Konsumgütermesse "Ambiente" in Frankfurt läuft, ist er eine einsame Sperrspitze im Kampf gegen Produktpiraten. In seiner Aktentasche hat er Zustellungsurkunden, Zahlungsbefehle und Einstweilige Verfügungen, mit denen sich Markenartikler in einem zähen Kleinkrieg gegen unerwünschte Nachahmer ihrer Produkte wehren. Im Extremfall kann der Mann vom Gericht einzelne Messestände ganz schließen, doch das einträgliche Geschäft mit den Plagiaten kann er nach eigener Einschätzung bestenfalls ein wenig stören.
Der erste Messetag gehört den Spionen. Schon früh am Freitagmorgen sind etwa Mitarbeiter des für seine Kaffeekannen bekannten Schweizer Herstellers Bodum ausgeschwärmt, um vor allem bei den chinesischen Anbietern nach Klonen ihrer Produkte zu suchen. "Als wir damit vor fünf Jahren angefangen haben, konnten wir mehrere Stände dicht machen lassen", erzählt Bodum-Chefdesigner Sean Pettenhofer. Inzwischen ist die Ausbeute geringer geworden, die Piraten treten nicht mehr so offen auf und machen ihre Geschäfte auch außerhalb der großen Messen.
Es ist praktisch unmöglich, Produkte weltweit zu schützen
Ohnehin sind die Hersteller in den asiatischen Ländern, aber auch beispielsweise im EU-Staat Italien kaum zu belangen. Die Schließung eines Messestandes verhagelt ihnen zwar das aktuelle Geschäft, schreckt sie aber nicht wirklich ab. "Der Profit steht in keinem Verhältnis zum Risiko, erwischt zu werden", meint Horst Prießnitz, Hauptgeschäftsführer beim deutschen Markenverband in Wiesbaden, der für eine schärfere Strafverfolgung dieser Delikte wirbt.
Es sei praktisch unmöglich, die eigenen Produkte weltweit zu schützen, berichtet Katrin Bode vom erfolgreichen Kunststoff-Design-Hersteller Koziol im südhessischen Erbach. In jedem einzelnen Land müssten mit hohen Kosten gewerbliche Schutzrechte beantragt und durchgesetzt werden. Bei der alljährlichen Verleihung des Schmähpreises "Plagiarius" auf der "Ambiente" ist Koziol auch in diesem Jahr als Opfer dabei: Diesmal kupferte eine polnische Firma eine Plastik-Etagere ab.
"Plagiarius"-Preis kürt frechste Produktfälschung
Eine Waschbecken-Armatur ist mit dem Negativpreis "Plagiarius" zur frechsten Fälschung gekürt worden. Der Wasserhahn sei exakt nachgeahmt worden, begründete die Jury am Freitag ihre Entscheidung. Das Original stamme von dem nordrhein-westfälischen Hersteller Aloys F. Dornbracht. Als besonders dreist werteten die Juroren, dass das Plagiat auch in Deutschland vertrieben wurde. Der Produzent der Fälschung sei unbekannt.
Den zweiten Platz belegte ein chinesischer Hersteller für ein Gerät, das den Füllstand von Silos misst. Der dritte Preis ging an die dreistöckige Kunststoffschale eines polnischen Produzenten. Der "Plagiarius" ist ein schwarzer Zwerg mit goldener Nase. Er wird seit 1977 jährlich von der gleichnamigen Aktion verliehen und soll die Skrupellosigkeit von Nachahmern zeigen.
Gekämpft wird mit allen Haken und Ösen
Bodum hält sich in den rechtssicheren Staaten an die Importeure, berichtet Pettenhofer. Kopien werden vom Zoll beschlagnahmt und vernichtet, der Händler auf Schadenersatz verklagt. Den von Produktpiraten verursachten Schaden können die Unternehmen nicht beziffern, denn sie wissen nicht, wie viele Fälschungen bereits in den Umlauf gebracht worden sind. Der Imageschaden für die Originalfirma, wenn ein gefälschtes Produkt nicht richtig funktioniert, ist ohnehin nicht messbar. Die EU-Kommission schätzt dennoch den weltweiten Schaden auf 200 bis 300 Milliarden Euro pro Jahr.
Gekämpft wird mit allen Haken und Ösen. "Am Anfang ist nie Geld da", beschreibt Horz die übliche Taktik seiner Kundschaft, die auch schon mal handgreiflich werden kann und so die Polizei auf den Plan beschwört. Auf versprochene Überweisungen sollten sich die Gläubiger besser nicht verlassen, rät der Gerichtsvollzieher. "Hier zählt nur Cash."
Die deutsche Justiz überanstrengt sich nicht
Die deutsche Justiz überanstrengt sich nach Meinung der Markenhersteller nicht gerade im Kampf gegen die Fälscher. Am Freitagnachmittag sei es mehr als schwierig, noch einen Handelsrichter aufzutreiben, der eine einstweilige Verfügung erlässt. "Selbst wenn wir gleich zu Messebeginn ein gefälschtes Produkt entdecken, wird es Montagnachmittag, bis es vom Stand genommen wird", klagt Koziol-Sprecherin Bode.
Christian Ebner/DPA