Schuldenpakt für Eurozone Merkel bremst ihre Wirtschaftsweisen

Die Wirtschaftsweisen erinnert die Situation in Euroland an die große Finanzkrise. Aber sie präsentieren eine Lösung: einen Schuldenpakt. Doch die Kanzlerin ist dagegen.

Es war nur eine Frage der Zeit. Irgendwann würden die Eurokrise und die enormen wirtschaftlichen Probleme Südeuropas auch die exportlastige Bundesrepublik einholen. Der Zeitpunkt ist gekommen: Die so genannten Wirtschaftsweisen erwarten in ihrem Herbstgutachten für 2012 nur noch ein Wachstum von gerade mal 0,9 Prozent. Zum Vergleich: In diesem Jahr soll es mit dem Bruttoinlandsprodukt noch um 3,0 Prozent nach oben gehen. Die Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland hätten im Herbst aber noch zugenommen, warnte der Sachverständigenrat der Bundesregierung. Die Wirtschaft im Euro-Raum befinde sich "in einem Teufelskreis aus Staatsschulden- und Bankenkrise, und die politischen Unwägbarkeiten verunsichern nach wie vor die Märkte". Einige Tendenzen erinnern die Weisen gar "fatal" an die Lage im Jahr 2008, dem Beginn der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise.

Die Zahlen waren schon vorab bekannt - und konnten die Kanzlerin, der die Weisen am Mittwoch in Berlin ihr Gutachten übergaben, nicht mehr schocken. Die Ökonomen richteten ohnehin ihren Blick nach vorne - und brachten eine neue Lösung für die große Eurokrise ins Spiel. Sie schlagen einen "Schuldentilgungspakt" für die Eurzone vor. Zusammen mit verbindlichen nationalen Schuldenbremsen könnte so ein überzeugender Abbau der Staatsverschuldung unter die maximal erlaubte Grenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht werden. Die wird von den meisten Staaten nicht mal ansatzweise erreicht und ist derzeit reine Makulatur. Die Griechen haben die Schulden auf 160 Prozent des BIP hochgetrieben, Italien liegt bei 120 Prozent, und auch das solide Deutschland kommt auf mehr als 80 Prozent.

Das Modell der Weisen

Nach dem Modell der Weisen sollen Schulden, die die 60-Prozent-Grenze übersteigen, in einen gemeinsamen Tilgungsfonds mit gemeinschaftlicher Haftung ausgelagert werden. Gleichzeitig würde für jedes Land ein Konsolidierungspfad festgelegt, bei dem die ausgelagerten Schulden eigenverantwortlich in einem Zeitraum von 20 bis 25 Jahren getilgt werden. Die allein bei den teilnehmenden Ländern verbleibenden Schulden würden zusätzlich durch nationale Schuldenbremsen begrenzt. "Entscheidend ist, dass sich der Fonds über feste Tilgungsverpflichtungen im Zeitablauf selbst abschafft", heißt es in dem Gutachten der Regierungsberater.

Bei vielen Verantwortlichen dürfte ihr Vorstoß allerdings nicht auf Gegenliebe treffen, denn er erkennt im Grunde genommen an, dass die Eurzone eine Schuldenunion ist. Der erste Schritt in dieses Bündnis waren die gemeinsamen Rettungsfonds wie der EFSF. Die Gegner von Eurobonds, heftig umstrittene gemeinsame Anleihen der Euroländer, werden mit dem Pakt wohl nicht warm werden. Die Kanzlerin wies den Pakt denn auch umgehend als nicht machbar zurück.

Lob für Merkel

Für die Kanzlerin hatten die Wirtschaftsweisen Lob im Gepäck. Sie hätte eine besondere Verantwortung für die positiven Beschlüsse beim Euro-Gipfel Ende Oktober , durch die die Finanzmärkte "zumindest eine Zeit lang das Vertrauen in die Stabilität der Währungsunion zurückgewinnen". Die fünf Weisen fordern von Merkel weiterhin "mutiges Engagement" in der Sache. Politische Widerstände in anderen Euro-Mitgliedstaaten wie die Ankündigung eines Referendums in Griechenland kreiden sie der Bundesregierung nicht an.

Auch für ein Vorhaben der Regierung im Inland haben die Ökonomen Lob übrig. Sie unterstützen grundsätzlich den Plan der schwarz-gelben Koalition, die inflationsbedingte "kalte Progression" abzumildern und so für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Jedoch sollten die erwarteten Steuerausfälle von 2,2 Milliarden Euro durch mehr Sparen an anderer Stelle oder die Streichung von Steuervergünstigungen gegenfinanziert werden.

Die Wirtschaftsweisen schlagen daher vor, dafür die Pendlerpauschale und die Steuerfreiheit von Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen abzuschaffen. Auch sollte der Steuerbonus bei Dienstwagen sowie bei der Absetzbarkeit haushaltsnaher Dienstleistungen und Handwerkerleistungen auf den Prüfstand kommen.

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ben/DPA