VERLAGE Bewegung im Holtzbrinck-Imperium

Kurs aus der Krise: Das ungewöhnliche Medienimperium, welches Bücher verlegt, Zeitungen herausgibt und TV-Sendungen produziert hat sich zu einer neuen Strategie entschlossen.

Als Stefan von Holtzbrinck im vergangenen Jahr seinen Halbbruder Dieter an der Spitze der Verlagsgruppe Holtzbrinck ablöste, wurde er zum Herrscher über ein ungewöhnliches Medienimperium. Holtzbrinck verlegt nicht nur Franz Kafka und die Wochenzeitung »Die Zeit«, sondern produziert auch die »Versteckte Kamera« und betreibt eine Partnervermittlung im Internet. In der konjunkturellen Krise muss der neue Chef nun darum kämpfen, den Überblick zu bewahren: Im Konzern brennt es an verschiedenen Ecken und Enden. Mit seiner neuen Strategie will sich der 39-Jährige offenbar wieder auf das Kerngeschäft der Gruppe, das gedruckte Wort, konzentrieren.

Viele Zukäufe

Eine Perle nach der anderen hatte sein Vorgänger Dieter von Holtzbrinck zu dem Familienkonzern hinzugefügt. Als der amerikanische Verleger Roger Straus ihm seinen Verlag Farrar, Straus & Giroux, eine Wiege amerikanischer Literatur-Nobelpreisträger, zum Kauf anbot, soll der schwäbische Unternehmer nach einem Bericht der Zeitschrift »New Yorker« nur geantwortet haben: »Sag mir, wie viel Du willst, und ich schreibe Dir einen Scheck.« Holtzbrinck stieg auch im Fernsehen, beim Hörfunk und im Internet ein. Im Jahr des Stabwechsels präsentierte der zurückhaltende Verleger stolz eine makellose Bilanz und für 2000 einen Gewinn vor Steuern von 216 Millionen Euro.

Liquiditätsengpass dementiert

Die Zahl für 2001 will das Unternehmen nicht nennen, laut Recherchen des »Spiegel« schlug ein Verlust von 47,7 Millionen Euro zu Buche. Neben dem schwachen Verlagsgeschäft (Rowohlt, S. Fischer) machen Holtzbrinck derzeit vor allem die rückläufigen Anzeigenerlöse zu schaffen. Die Verlagsgruppe Handelsblatt (»Handelsblatt«, »Wirtschaftswoche«) schrieb erstmals rote Zahlen und kündigte einen massiven Stellenabbau an. Dass der Konzern möglicherweise sogar auf einen Liquiditätsengpass zusteuert, dementierte Stefan von Holtzbrinck jedoch im »Handelsblatt«.

Elektronische Medien auf dem Prüfstand

Auch der Internet-Krise konnte sich die Verlagsgruppe nicht entziehen. Ein Beispiel: Contara, ein mit großem Brimborium angekündigtes Joint Venture für Finanzinformationen, in dessen Aufsichtsrat auch der CDU-Schattenminister Lothar Späth vertreten ist, stellte Ende 2001 sang- und klanglos seine Geschäftstätigkeit ein. Als Konsequenz will sich Stefan von Holtzbrinck zumindest teilweise von den elektronischen Medien wieder trennen: Die Beteiligungen am Nachrichtensender n-tv und diversen privaten Radiosendern sollen an RTL gehen. Im Gegenzug erhält Holtzbrinck vom ebenfalls zum Bertelsmann-Konzern gehörenden Verlag Gruner + Jahr die »Berliner Zeitung«, die nach Einschätzung von Branchenexperten künftig mit dem Berliner Holtzbrinck-Titel »Der Tagesspiegel« eine Anzeigengemeinschaft bilden könnte. Diese Lösung funktioniert schon bei der »Stuttgarter Zeitung« und den »Stuttgarter Nachrichten«, die den gleichen Eigentümer haben und trotzdem Konkurrenten sind.

Geschäftsführung schrumpfte

Die erst Ende 1998 kräftig aufgestockte Geschäftsführung der Holtzbrinck-Holding, die von Stuttgart aus das Medienimperium zusammenhalten soll, wurde bereits wieder um zwei Köpfe verkleinert. Neuer starker Mann ist dabei Holtzbrincks Stellvertreter Michael Grabner (53). Der gebürtige Österreicher trägt nun die Verantwortung für überregionale und regionale Zeitungen sowie den Bereich Wirtschaftsinformationen.

Kartellamt spricht mit

Als nicht ausgeschlossen gilt, dass Holtzbrinck künftig noch weitere Zeitungen hinzukauft. Dabei müsste allerdings das Kartellamt mitspielen, das dem Konzern auch bei der Übernahme der »Berliner Zeitung« noch einen Strich durch die Rechnung machen kann. Falls es aber hart auf hart kommt, könnte Holtzbrinck noch die eine oder andere Beteiligung abstoßen - bei der dezentralen Organisation der Gruppe wäre das wohl kein Problem.

Alexander Missal