Die EU-Finanzminister geben nach Informationen der "Financial Times Deutschland" (FTD) die Hoffnung auf eine Konjunkturerholung im kommenden Jahr auf. Es sei "höchst unsicher", ob das Wachstum 2010 wieder anspringe, heißt es in einem Papier der Minister für den EU-Gipfel am 19. März, aus dem die "FTD" am Dienstag zitiert.
Das düstere Szenario lasse die offiziellen Konjunkturprognosen der EU als viel zu optimistisch erscheinen, heißt es in dem Blatt. Noch Mitte Januar habe Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia eine Verbesserung der Lage im zweiten Halbjahr 2009 vorhergesagt. Inzwischen gingen viele Ökonomen aber davon aus, dass die Wirtschaftskrise sehr viel heftiger sein und länger dauern werde, als bislang befürchtet.
Europas Volkswirtschaften seien von Negativwachstum, historisch niedrigem Verbraucher- und Geschäftsvertrauen sowie ausgetrockneten Kreditflüssen geprägt, heißt es der "FTD" zufolge in dem Papier. "Negativspiralen zwischen der Realwirtschaft und den Finanzmärkten verschlimmern die Situation."
IWF-Chef warnt vor neuen Milliardenlöchern
Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, warnt unterdessen vor weiteren Verlusten im Finanzsektor. Ein Teil der Risiken sei noch immer nicht aufgedeckt, sagte Strauss-Kahn der "Süddeutschen Zeitung" (SZ). Das schaffe erhebliche Verunsicherung. Fest steht nach seinen Worten bislang nur, "es wird eine große Summe werden". Nach seiner Einschätzung kommen die Industriestaaten vor allem bei der Stabilisierung ihrer Banken nicht schnell genug voran. Die ganzen Konjunkturprogramme würden jedoch nicht wirken, wenn die Bankbilanzen nicht gesäubert seien.
Sollte die Krise weitere sechs Monate anhalten, sei auch der IWF auf zusätzliche Mittel angewiesen, sagte Strauss-Kahn der "SZ". "Der Konsens ist, dass wir unsere Fonds von 250 Milliarden auf mindestens 500 Milliarden Dollar verdoppeln." 100 Milliarden Dollar habe Japan bereits zugesagt, es fehlten aber noch mindestens 150 Milliarden Dollar.
Sorge bereitet dem IWF-Chef, dass die Finanzkrise nun auch die Schwellenländer massiv trifft, was in den vergangenen Monaten nicht der Fall gewesen sei. Die Situation hat sich nach seinen Angaben verschärft. Der Welthandel gehe zurück und damit gerieten auch die Kapitalströme in die ärmeren Ländern ins Stocken. Auch Osteuropa sei davon betroffen. "Wenn wir hierfür keine Lösung finden, wird es schlimme Rückwirkungen auf die Industrieländer geben", sagte er und warnte vor allem Deutschland und Frankreich davor, Kapital aus Osteuropa abzuziehen.
Welthandel schrumpft um fünf Prozent
Strauss-Kahn kritisierte außerdem die schlechte Koordination der Finanzkrise innerhalb der EU. "Alle versuchen noch nationale Lösungen zu finden. Es gibt aber keine nationalen Lösungen für eine globale Krise."
Wie die Nachrichtenagentur Reuters aus IWF-Kreisen erfuhr, rechnet die Organisation mit einem Rückgang des Welthandels in diesem Jahr um fünf Prozent oder mehr. Selbst diese Zahl, die schon deutlich höher ist als in der IWF-Prognose von vor anderthalb Monaten, dürfte sich als zu konservativ herausstellen, sagte ein IWF-Handelsexperte. Ende Januar hatte der IWF noch mit einem Rückgang des Welthandels um 2,8 Prozent gerechnet.