Wim Duisenberg "Mister Euro" ist tot

Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank, Wim Duisenberg, ist in der Nähe der südfranzösischen Stadt Orange tot aufgefunden worden. In seiner Amtszeit wurde der Euro eingeführt, die größte Geldumstellung aller Zeiten.

Der erste Währungshüter des Euro, Wim Duisenberg, ist tot. Unter seiner Führung wurde die größte Geldumstellung aller Zeiten bewältigt, er brachte die Europäische Zentralbank durch die ersten Berg- und Talfahrten einer noch jungen Währung. Für viele Europäer wurde er damit zu "Mister Euro". Am Sonntag wurde der gerade 70 Jahre alt gewordene Niederländer tot in einem Haus in Südfrankreich aufgefunden.

Als erster Euro-Währungshüter überhaupt hat der Niederländer, der 2003 im Alter von 68 Jahren den Posten an den französischen Nationalbanker Jean-Claude Trichet abgab, in seiner Amtszeit einige Kritik einstecken müssen: Vor allem im Nicht-Euro-Land Großbritannien wurde dem Banker heftig zugesetzt. "Euro Dead" titelte etwa das Boulevard-Blatt "Sun" Anfang 2000 und garnierte einen Artikel mit einem Foto Duisenbergs, das ihn mit weit aufgerissenen Augen und gefletschten Zähne zeigte. "Dim Wim", was so viel bedeutet wie "einfältiger Wim", nannte die Zeitung den international profilierten Währungsfachmann.

Kritik aus Großbritannien

Und ausgerechnet ein Interview mit einer angelsächsischen Zeitung machte ihm im Oktober 2000 schwer zu schaffen: Gegenüber der Londoner "Times" hatte er eine Intervention für den Fall ausgeschlossen, dass der Euro wegen der damaligen Krise im Nahen Osten erneut unter starken Druck geraten sollte. Prompt hagelte es wieder Kritik - besonders in Großbritannien, wo "The Independent" ihm Versagen vorwarf. Kritisiert wurde vor allem, dass er überhaupt so deutlich Stellung genommen habe - ein für Zentralbanker eher ungewöhnliches Verhalten. Duisenberg zog daraus Konsequenzen: Er habe zur Kenntnis genommen, dass er mit seinen Bemerkungen kritische Kommentare hervorgerufen habe. "Ich ziehe daraus meine Schlussfolgerungen", sagte er und überließ es der freien Spekulation, was damit gemeint sein könnte.

Doch seit dem alles in allem reibungslosen Euro-Start wurden die Stimmen der Kritiker deutlich leiser. Sogar Lob konnte Duisenberg im September 2001 einheimsen, als er nach den Terroranschlägen in den USA mit allen anderen wichtigen Notenbanken der Welt an einem Strang zog und sich der EZB-Rat zu einer deutlichen Zinssenkung durchrang.

"Geld ist mein Fach"

In Bankerkreisen stand der Name Duisenberg denn auch für Stabilität. "Geld ist mein Fach", kommentierte er vor Jahren den Inhalt seines beruflichen Lebens. Der Währungsfachmann, der auch Verwaltungsratschef der Baseler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich war, studierte Wirtschaftswissenschaften. Seine ersten Sporen verdiente er sich nach einer Lehrtätigkeit an der Amsterdamer Universität beim Internationalen Währungsfonds in Washington. 1973 zog es den Sozialdemokraten als niederländischen Finanzminister in die Politik.

Der hoch gewachsene Mann mit dem schlohweißen, etwas wirren Haar wurde 1982 niederländischer Zentralbank-Chef und drängte auf einen harten Sparkurs der Regierung und die Reduzierung des Haushaltsdefizits. Sein Kurs war von Erfolg gekrönt: Unter seiner Ägide wurde der Gulden eine der härtesten Währungen der Welt, und die Inflationsrate sank von 6,6 Prozent auf zwei Prozent im Mai 1996.

Was mit der EZB-Präsidentschaft auf ihn zukommen würde, zeigte sich schon vor der Besetzung des Postens: Kurz vor dem Start der EZB setzte ein Gerangel um die Spitzenposition ein, das mit einem Deal beendet wurde: Danach konnte Duisenberg nach vier Jahren von seinem Posten abgelöst werden. Dementsprechend entbrannte 2001 die Diskussion um die Nachfolge.

Vor allem Frankreich, das den nächsten Präsidenten stellen wollte - und dies mit Trichet letztlich auch durchsetzte - drängte immer wieder darauf, dass Duisenberg nach der Hälfte der Amtszeit seinen Posten abgibt. Ein Jahr länger wurde es dann. Duisenberg selbst kommentierte 2003 sein Dienstende in der Frankfurter EZB mit den Worten: "Ich möchte sagen, es reicht dann."

Duisenberg war in zweiter Ehe verheiratet. Aus erster Ehe stammen zwei Söhne und eine Tochter.

AP
Antje Homburger/AP

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