Ein Amazon-Lagerhaus wurde vergangenen Freitag in Edwardsville im US-Bundesstaat Illinois zerstört, als ein Tornado über die Stadt wütete. Sechs Angestellte sind dabei um Leben gekommen. Nun steht der Versandriese einmal mehr wegen seiner Arbeitsbedingungen in der Kritik. Angehörige behaupten nämlich jetzt, dass die Tragödie hätte verhindert werden können. Das berichtet die BBC.
Amazon habe nicht rechtzeitig gehandelt
Vergangene Woche tobten mehrere Tornados über sechs US-Bundesstaaten und kosteten fast 100 Menschen das Leben. Sie beschädigten Häuser und Geschäfte in einem Gebiet von rund 322 Kilometern. In Mayfield, Kentucky, wurden acht Todesfälle in einer Kerzenfabrik bestätigt. Nun auch in einem Lagerhaus von Amazon.
Tornado zerstört Amazon-Lagerhalle

"Das wäre nie passiert, wenn ihnen das Leben einzelner Mitarbeiter wichtiger gewesen wäre als die Produktivität", schrieb Rachel Cope, die Schwester von Clayton Cope, in den sozialen Medien über Amazon. Ihr Bruder war einer der Angestellten, die aufgrund der Naturkatastrophe gestorben sind. Sie und ihre Mutter Carla hätten den Bruder gewarnt, sobald die Sirenen ertönten und ihm gesagt, dass es so aussehe, als würde der Tornado in Richtung des Lagerhauses wandern. Sie erklärt gegenüber der BBC, sie habe aus dem Gespräch zwischen ihrem Bruder und ihren Eltern nicht heraushören können, dass er und die anderen Angestellten sofort nach dem Ertönen der ersten Warnsirene aufgefordert wurden, sich in Sicherheit zu bringen.
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In einem Facebook-Kommentar kritisierte sie nun das Unternehmen scharf und forderte eine klare Stellungnahme von Amazon. "Jeder weiß, dass es Amazon nur um die Produktivität geht", schrieb sie. Sie glaube nicht, dass ihr Bruder gestorben wäre, wenn das Unternehmen die Mitarbeiter gleich in Sicherheit gebracht und die Situation ernst genommen hätte. "Niemand hätte sich erst in letzter Minute in den Schutzraum begeben", schreibt sie weiter. Ihr Bruder habe seinen Kolleg:innen geholfen, noch Schutz zu suchen, habe es dann aber selbst nicht mehr geschafft. "Ich möchte, dass sie sich dafür verantworten, ich möchte, dass dies ein Anfang dafür ist, dass Unternehmen das Leben ihrer Mitarbeiter ernst nehmen und sie nicht nur als eine Nummer behandeln", so die Schwester weiter.
Ein Mitarbeiter starb auf der Toilette
"Ich war gerade dabei, das Gebäude zu betreten, als meine Kollegen anfingen zu schreien: 'Geht in Deckung!', berichtete auch David Kosiak, der seit drei Monaten im Lagerhaus angestellt ist. "Wir wurden in die Toiletten geschickt." Dort verstarb allerdings einer der Mitarbeiter. "Es hörte sich an, als ob ein Zug durch das Gebäude fahren würde. Die Deckenplatten flogen herunter. Es war sehr laut. Wir mussten an Ort und Stelle bleiben, bis wir das Gebäude verlassen konnten – das dauerte mindestens zweieinhalb Stunden", so Kosiak weiter.
Amazon beschäftigt häufig Subunternehmer
Rebecca Givan, außerordentliche Professorin an der School of Management and Labour Relations der Rutgers University, erklärte der BBC, dass Unternehmen in den USA zwar gesetzlich verpflichtet seien, für sichere Arbeitsplätze zu sorgen, dass aber die Strafen für Verstöße dagegen sehr gering seien. Sie fügte hinzu, dass Amazon viele dieser Angestellten nicht direkt beschäftige, sondern Subunternehmer einsetze. So müssten diese sich nicht dafür verantworten, ob diese Mitarbeitenden am Freitagabend überhaupt zur Arbeit hätten gerufen werden dürfen.
Amazon äußert sich vage
Amazon teilt auf Anfrage der BBC mit, dass nach einer Tornadowarnung alle Mitarbeiter "benachrichtigt und angewiesen werden, sich an einen ausgewiesenen und markierten Ort zu begeben, um Schutz zu suchen". Der Großteil des Teams habe sich an den "primären ausgewiesenen Ort" begeben, so das Unternehmen. Aber eine kleine Gruppe habe in einem Teil des Gebäudes Schutz gesucht, der von dem Tornado getroffen worden sei. "Hier kam es zu den meisten tragischen Verlusten an Menschenleben", so Kelly Nantel, Sprecherin von Amazon. Sie sagte in ihrer Erklärung, das Unternehmen sei "tief betrübt" über die Todesfälle.

Firmengründer Jeff Bezos stand nach dem Vorfall ebenfalls in der Kritik, nachdem er zunächst Bilder von Astronauten gepostet hatte, die gerade von einem Weltraumtourismus-Trip an Bord seiner ""Blue Origin"-Rakete zurückgekehrt waren. Erst später äußerte er sich auf Twitter: "Die Nachrichten aus Edwardsville sind tragisch. Wir sind untröstlich über den Verlust unserer Teamkollegen dort, und unsere Gedanken und Gebete sind bei ihren Familien und Angehörigen."
Quelle: BBC