Am 1. Juli war es soweit: Endlich senkten die Krankenkassen ihre Beiträge um 0,9 Prozent. Grund zum Jublen war das aber nicht, denn gesetzlich Krankenversicherten bleibt am Monatsende trotzdem weniger Gehalt übrig: Sie werden für den zeitgleich in Kraft getretenen Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent zur Kasse gebeten. Was wie ein Nullsummenspiel klingt, wird auf den Gehaltsabrechnungen der Angestelten oder Rentenbescheiden von Ruheständlern anders aussehen. Denn von den gesenkten Beitragssätzen profitieren Arbeitgeber und Kassenmitglieder je zur Hälfte - für den Zusatzbeitrag müssen Mitglieder aber alleine aufkommen.
Die Beispielrechnung
Die Kassen senken ihre Beiträge - weil vom Gesetz zur Gesundheitsreform so vorgeschrieben - ihre Beiträge um 0,9 Prozent. Davon profitieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer 50:50. Für den Versicherten bedeutet das einen Nachlass von 0,45 Prozentpunkten. Dann kommt der Pferdefuß: Gleichzeitig muss ein Sonderbeitrag zur Krankenversicherung von ebenfalls 0,9 Prozent geleistet werden. Diesen schultern die Versicherten aber alleine - ohne Zuzahlung der Arbeitgeber. Macht für die Versicherten also insgesamt einen höheren Beitrag von 0,45 Prozentpunkten. Damit begann - quasi durch die Hintertür - der Abschied von der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung.
Dies ist eine weitere Belastung der Kassenmitglieder, denen die Gesundheitsreform mit Praxisgebühr und höheren Zuzhalungen sowieso schon finanziell einiges abverlangt. Was diese 0,45 Prozentpunkte in Euro und Cent bedeuten, hängt allein vom Bruttoeinkommen des Versicherungsmitglieds ab, nicht aber vom Beitragssatz der jeweiligen Krankenkasse. Ausgenommen vom Zusatzbeitrag sind unter anderem beitragsfrei mitversicherte Familienangehörige. Für Selbstständige hat diese Neuregelung ebenfalls keine Auswirkungen, da diese ja auch bisher keinen Arbeitgeberzuschuss zu ihrem Kassenbeitrag bekommen haben.
Lohnnebenkosten sollen entlastet werden
Grund für den Zusatzbeitrag ist, dass die Arbeitgeber mit ihren hohen Lohnnebenkosten entlastet werden. Anders als oft zu hören war, hat der Zusatzbeitrag nichts mit Zahnersatz und Krankengeld zu tun. Denn durch den Zusatzbeitrag steigen die Einnahmen der Krankenversicherung nicht. Er verschiebt zwar den Finanzierungsanteil vom Arbeitgeber auf den Arbeitnehmer, an der Summe der Beitragseinnahmen der Krankenkassen ändert dies aber nichts.
Warum wurde der Zusatzbeitrag eingeführt?
Der Gesetzgeber will mit diesem Schritt die Arbeitgeber bei den Lohnnebenkosten entlasten. Davon verspricht er sich einen Anreiz zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Mit dieser Begründung appelliert er auch an die Solidarität der Beschäftigten, die mit ihrer Zusatzbelastung zu mehr Beschäftigung und damit einer weiteren Entlastung der Sozialsysteme beitrügen.
Werden damit die Kosten für Zahnersatz und Krankengeld abgedeckt?
Nein. Es ist zwar richtig, dass der Gesetzgeber die Versicherten ursprünglich stärker an den Kosten für Zahnersatz und Krankengeld beteiligen wollte. Da ein konkreter Bezug auf diese beiden Leistungen aber verfassungsrechtlich äußerst bedenklich gewesen wäre, hat man in der endgültigen Fassung des Gesetzes darauf verzichtet. Daher wird der Zusatzbeitrag unabhängig von bestimmten Leistungen erhoben. Wichtig auch: Zahnersatz und Krankengeld bleiben unverändert Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.
Wen trifft die Zuzahlung?
Bezahlen müssen alle Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse. Wer als Ehe- oder Lebenspartner oder als Kind beitragsfrei mitversichert ist, für den fällt natürlich auch der Zusatzbeitrag nicht an.
Wenn die Kassen ihre Beiträge um 0,9 Prozent senken, ist das nicht ein Nullsummenspiel?
Zwar sind alle Krankenkassen per Gesetz verpflichtet, ihren Beitragssatz um 0,9 Prozentpunkte zu senken. Das kommt Arbeitgebern und Arbeitnehmern je zur Hälfte zu Gute - also jeweils 0,45 Prozent. Für die Mitglieder kommt dann aber der Zusatzbeitrag von 0,9 Prozent dazu, so dass die meisten ab Juli unterm Strich 0,45 Prozent mehr bezahlen.
Wie hoch fällt die Zuzahlung konkret aus?
Der Zusatzbeitrag beträgt 0,9 Prozentpunkte vom Bruttoeinkommen. Allerhöchstens wird ein Bruttoverdienst von 3.525 euro monatlich für die Beiträge herangezogen. Das ist die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze. Konkret sieht das je nach Einkommen so aus:
Monatliches Bruttoeinkommen | Zusatzbelastung von 0,45 % |
1.000 Euro | 4,50 Euro |
1.500 Euro | 6,75 Euro |
2.000 Euro | 9,00 Euro |
2.500 Euro | 11,25 Euro |
3.000 Euro | 13,50 Euro |
3.500 Euro | 15,75 Euro |
3.525 Euro | 15,86 Euro |
alle höheren Einkommen | 15,86 Euro |
Wie seht es für Selbstständige aus?
Für Selbstständige bleibt alles beim Alten, für sie ist es tatsächlich ein Nullsummenspiel, da sie ja sowieso nie einen Arbeitgeberzuschuss zum Kassenbeitrag bekommen haben.
Was ist, wenn man eigentlich von Zuzahlungen befreit ist?
Auch dann wird man nicht vom Zusatzbeitrag befreit, denn beides hat nichts miteinander zu tun. Der Zusatzbeitrag gehört sozusagen zum normalen Krankenkassenbeitrag. Er wird nicht vermindert oder gestrichen, wenn man von den Zuzahlungen befreit ist.
Müssen auch Rentner zahlen?
Ja, der Zusatzbeitrag gilt auch für Rentner - und zwar unabhängig davon, ob sie pflichtversichert oder freiwilliges Mitglied sind.
Was ist Beziehern von ALG II?
Wer Arbeitslosengeld II bekommt, muss den Zusatzbeitrag nicht bezahlen.
Und Studenten?
Für Studenten sollte die Regelung eigentlich kostenneutral sein, so dass sie nicht zusätzlich belastet werden. Doch zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber auch Studenten in die Pflicht genommen, so dass auch auf sie eine Mehrbelastung zukommt: Auf der Grundlage der Festsetzung der Beiträge für Studenten müssen diese einen Zuschlag von 0,3 Prozent zahlen, das sind 1,40 Euro im Monat.
Wie sieht es für Wehr- und Zivildienstleistende aus?
Grundsätzlich müssen auch diese Kassenmitglieder den Zusatzbeitrag bezahlen. Bei einem monatlichen Wehrsold (Gefreiter) von 245,40 Euro macht dies rund 1,10 Euro pro Monat aus.
Müssen auch Minijobber bzw. geringfügig Beschäftigte zuzahlen?
Ja. Wer Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, muss auch als Minijobber oder geringfügig Beschäftigter den Zusatzbeitrag bezahlen.
Nehmen die Krankenkassen dadurch mehr Geld ein?
Nein, es verschiebt sich nur der Finanzierungsanteil von den Arbeitgebern zu den Arbeitnehmern, also den Kassenmitgliedern. Für die Kassen ist es tatsächlich ein Nullsummenspiel: sie senken die Beiträge um 0,9 Prozentpunkte und müssen gleichzeitig den Zusatzbeitrag in gleicher Höhe von den Mitgliedern kassieren. Es ändert sich also die Quelle der Beiträge, aber nicht ihre Summe.
Was können Kassenmitglieder tun?
Betroffene sollten jetzt auf keinen Fall versuchen, finanziell gegenzusteuern, indem die Kasse überstürzt gewechselt wird, mahnen Verbraucherschützer zur Besonnenheit. Ein Sonderkündigungsrecht gibt es ohnehin nicht. Wird Ende Juli noch gekündigt, dann ist ein Umstieg frühestens zum 1. Oktober möglich. Wem die Belastung bei seiner derzeitigen Krankenkasse zu hoch sei, sollte die kommenden Wochen vielmehr nutzen, um sich in aller Ruhe nach einer günstigeren Alternative umzugucken.
"So manche Kasse hat im Vorfeld schon erhöht, um die Senkung dann durchziehen zu können", erklärt abine Strüder von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Andere planten den umgekehrten Weg, nämlich eine Erhöhung unmittelbar nach der verordneten Absenkung am Stichtag 1. Juli. Diese Entwicklung sollten wechselwillige Versicherte im Auge behalten, um nicht aufs falsche Pferd zu setzen.
Und noch einen Tipp haben die Verbraucherschützer parat: keine Zahn-Zusatzversicherung unter Druck abschließen. "Die Kassenleistung für Zahnersatz bleibt wie gehabt erhalten", betont Strüder. Mit dem Sonderbeitrag sind keine Änderungen in diesem Bereich verbunden, auch nicht beim Krankengeld. "Es gibt keinen Grund, sich jetzt eine Police aufdrängen zu lassen."