Woher stammt der Ehec-Erreger, der zurzeit für den großen Ausbruch an Infektionen mit dem Darmkeim in Deutschland verantwortlich ist? Seit heute ist klar: Die auf spanischen Gurken entdeckten Bakterien sind wohl nicht daran schuld.
Die Bakterien auf zwei der insgesamt vier Gurken stimmten nicht mit dem Erreger-Typ aus den Stuhlproben der betroffenen Patienten in Hamburg überein, teilte Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) in der Hansestadt mit. Die Ursache für die Verbreitung des Erregers vor allem in Norddeutschland ist damit weiter unklar.
"Unsere Hoffnung, die Quelle der schweren Komplikationsfälle mit HUS-Syndrom zu entdecken, hat sich bei diesen ersten Ergebnissen leider nicht erfüllt", sagte Prüfer-Storcks. "Nach wie vor ist die Quelle nicht identifziert."
Der Ehec-Keim
"Ehec" ist eine Abkürzung für Enterohämorrhagische Escherichia coli, eine gefährliche Variante der eigentlich harmlosen Kolibakterien. Bei Ehec handelt es sich um ein Darmbakterium mit der Eigenschaft, bestimmte Zellgifte, sogenannte Shigatoxine, zu produzieren, die bei Menschen schwere Erkrankungen auslösen können. Möglich sind etwa blutige Durchfälle oder als Komplikation das hämolytisch-urämische Syndrom (HUS), das ein Nierenversagen verursachen kann. Es gibt Hunderte verschiedener Ehec-Stämme. Den aktuellen Erreger haben die Forscher des Instituts für Hygiene am Universitätsklinikum Münster identifiziert: „Es handelt sich um einen Vertreter des Typs ‚HUSEC 41’ des Sequenztyps ST678", sagt Institutsdirektor Helge Karch. Der extrem seltene Erreger wird auch Serotyp O104:H4 genannt. Als Serotypen werden verschiedene Varianten eines Bakteriums bezeichnet. Das O beschreibt hierbei die Oberflächenstruktur des Erregers, und das H steht für verschiedene Geißel-Antigene, mit denen das Bakterium sich fortbewegt. „Bei Ehec gibt es 186 O-Antigene und 53 H-Antigene, die in jeglicher Kombination auftreten können", sagt Mikrobiologe Lothar Beutin, Leiter des Nationalen Referenzlabors für Escherichia coli am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Somit gebe es zahlreiche Serotypen.
Gurken trotzdem nicht ungefährlich
Die mit dem Ehec-Erreger belasteten Gurken sind der Gesundheitssenatorin zufolge aber deshalb nicht ungefährlich. Sie trügen einen Ehec-Erreger und könnten damit auch das sogenannte hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) auslösen, das zu akutem Nierenversagen führen kann. Die Gurken seien damit potenziell gesundheitsgefährlich und hätten aus Verbraucherschutzgründen zwingend aus dem Verkehr gezogen werden müssen, sagte die Senatorin. Auch die offizielle Verzehrwarnung sei daher richtig. "Es wäre unverantwortlich, bei einer solchen Zahl von Erkrankungen einen begründeten Verdacht zurückzuhalten."
In Hamburg waren auf vier Gurken Ehec-Erreger entdeckt worden, von denen drei aus Spanien stammten. Bei einer vierten Gurke ist die Herkunft weiter unklar. Sollte die Analyse der anderen Gurken ebenfalls keinen Hinweis auf den für den jüngsten Ausbruch verantwortlichen Keim-Typ liefern, bleibe die Suche nach den Ursachen weiter unklar, sagte der Geschäftsführer des Hamburger Instituts für Hygiene und Umwelt, Hans-Joachim Breetz.
Andere Lebensmittel weiter im Visier
Die Hamburger Behörden untersuchen laut Prüfer-Storcks weiter alle denkbaren Ursachen für die Ehec-Infektionen, auch andere Lebensmittel. "Wir beproben sehr weitläufig", sagte die Senatorin. Die Hansestadt ist bundesweit am stärksten vom aktuellen Ausbruch des gefährlichen Magenkeims betroffen.
Seit Beginn der EHEC-Welle würden am UKE verschiedene Testmethoden zum Erregernachweis kombiniert, erläuterte der Vorstandsvorsitzende des Hamburger Universitätsklinikums Eppendorf (UKE), Jörg Debatin, der dpa. "Hierbei hat sich gezeigt, dass blutiger Durchfall in Hamburg als Epizentrum ein maximal valides Kriterium für die Diagnose EHEC ist." Der von der Universität Münster entwickelte Schnelltest werde daher am UKE derzeit nur sehr bedingt eingesetzt werden. "In anderen Regionen mit sporadischem Auftreten von EHEC-Infektionen ist ein Schnelltest überaus hilfreich", betonte Debatin.
Nach Angaben der Gesundheitsbehörde waren in der Hansestadt bis Dienstag 569 Fälle von Ehec oder Ehec-Verdacht gemeldet worden. 110 Patienten wurden demnach wegen der lebensbedrohlich Komplikation HUS oder dem Verdacht darauf in Hamburger Krankenhäusern stationär behandelt. Es sei "keine Entspannung sichtbar", sagte Prüfer-Storcks.
Bundesweit starben bislang mindestens 15 Patienten nach einer Infektion mit dem Erreger. Auch aus Schweden wurde am Dienstag ein erster Todesfall gemeldet.
Bei der Suche nach der Quelle des EHEC-Ausbruchs halten Experten mittlerweile auch eine Übertragung über Tiere theoretisch für denkbar. "Es könnten Tiere infiziert sein. Es können aber auch Menschen als Überträger in Betracht kommen", sagte Prof. Helge Karch vom Universitätsklinikum Münster (UKM) am Dienstag. Diese Möglichkeiten müssten nun überprüft werden. Möglicherweise könnten Menschen den Keim in sich tragen, ohne dass es zum Ausbruch komme. Es müsse auch der Frage nachgegangen werden, ob entlassene EHEC-Patienten den Keim noch weiter ausscheiden.