Shakira Kolumbiens Stolz

Der Präsident ihrer Heimat empfängt sie. Sie singt auf Spanisch, auf Englisch, sie ist weltweit ein Superstar: Im stern spricht Shakira über ihre Freundschaft mit Gabriel Garcia Márquez, schnüffelnde Straßenkinder und, klar, über Sex.

Shakira, Sie sind nicht nur eine der erfolgreichsten Sängerinnen der Welt, Sie werden vor allem als Sexsymbol verehrt. Was, glauben Sie, mögen die Männer an Ihnen?

Da mache ich mir keine Illusionen. Die lateinamerikanischen Männer sind als Machos weltbekannt. Und ich kann sagen, viele machen ihrem Ruf alle Ehre. Die wollen nur meinen Arsch sehen und wie ich den auf der Bühne kreisen lasse.

Ihre US-Konkurrentin, die Latino-Diva Jennifer Lopez, hat sich ihr Hinterteil versichern lassen. Sie sagt: "Mein Arsch ist eine Kapitalanlage." Stimmen Sie dieser Aussage zu?

Journalisten lieben es, hübsche Sängerinnen auf ihren Körper zu reduzieren. Sie verstehen nicht, dass Sex nur ein gezielt eingesetztes Mittel ist, um Erfolg im Showgeschäft zu haben. Wie viel Anteil hat Sex an Ihrem Erfolg? Ich bin ein braves Mädchen. Fast schon bieder. Aufgezogen wurde ich von katholischen Nonnen in einer Mädchenschule. Ich mache Musik und ziehe mich dazu sexy an. Das ist alles. Ich verkaufe keine schlecht ausgeleuchteten Hotelzimmer-Pornos wie Paris Hilton.

Ihr neues Video, "La Tortura", erinnert allerdings schon sehr stark an einen Softporno. Da wälzen Sie sich halbnackt im Schlamm herum. War das Ihre Idee?

Ja. Gefällt es Ihnen?

Ich würde nicht umschalten, wenn ich es im Musikfernsehen sehen würde...

...dann habe ich ja mein Ziel erreicht. Die Leute sollen über mich reden, dafür mache ich solche Videos.

Ihre Kollegin Courtney Love soll mal gesagt haben: "Das Musikgeschäft ist eine moderne Zuhälterversammlung, dessen Hauptaufgabe darin besteht, minderjährige Mädchen flachzulegen." Eine treffende Beschreibung?

Wenn du nicht aufpasst, kann dir so etwas passieren.

Ist das alles, was Sie dazu sagen können?

Das Showgeschäft ist für manche Menschen eine wunderbare Therapie. Spaß und Sex gelten da als ein Mittel gegen das ständige Nachdenken darüber, was im Leben schief gelaufen ist. Die Musikmanager sind da sehr hilfsbereit. Sie wollen dir weismachen, wenn du nicht rund um die Uhr Spaß und Sex hast, dann hast du ganz schlimme Probleme.

Sie sind seit vier Jahren mit Antonio de la Rœa zusammen. Er ist der Sohn des ehemaligen argentinischen Präsidenten Fernando De la Rœa, dem Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen wird. Als bekannt wurde, dass Sie mit seinem Sohn ausgehen, wurden Ihre CDs in Argentinien boykottiert...

...was mich gekränkt hat, weil ich diese Vorwürfe für böse Gerüchte halte. Es gab Menschen, die mir geraten haben, meine Beziehung mit Antonio zugunsten meiner Karriere aufzugeben. Sie redeten auf mich ein: Shakira, dieser Mann wird dich in den Abgrund reißen! Trenn dich von ihm! Er will nur deinen Ruhm und dein Geld! Ich habe nicht hingehört. Antonio ist der Mann meines Lebens.

Warum haben Sie nie über Ihre früheren Beziehungen gesprochen?

Weil sie eine Katastrophe waren! Alle!

Was lief schief?

Ich war ein Horror für Männer. Ich wollte immer reden. Über alles, ständig. "Komm, Schatz, lass uns mal über unsere Probleme reden." So ging das die ganze Zeit. Nie konnte ich der Liebe trauen. Ich war ziemlich fordernd und ungerecht den Männern gegenüber.

Sie haben es ja gerade schon gesagt: Lateinamerikanische Männer geben sich gern als Machos. Wer macht denn bei Ihnen daheim die Hausarbeit?

Ich habe zwei Damen, die sich um den Haushalt kümmern. Wenn ich mal zu Hause bin, dann liebe ich es allerdings, im Garten zu arbeiten. Nach den Pflanzen zu schauen, die Rosenhecken zu schneiden É aber was erzähle ich hier. Ich muss auf Sie wie die langweiligste Frau der Welt wirken.

Finden Sie sich denn selbst langweilig?

Manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste meine Jugend nachholen. Ich war immer so konzentriert auf mein Ziel, eine Sängerin zu werden. Als meine Freundinnen mit 16 Jahren begannen, sich ordentlich herauszuputzen, um abends in die Disco zu gehen, da blieb ich zu Hause. Ich sagte ihnen: "Ich hab morgen früh eine Tanzstunde. Tut mir leid, ich kann nicht."

Sie sind eine Streberin.

Vielleicht auch das. Ich wollte meine Eltern stolz machen.

Was war die wichtigste Lektion, die Sie von Ihren Eltern fürs Leben gelernt haben?

Als ich elf Jahre alt war, führte mich meine Mutter zu einem Park in meiner Heimatstadt Barranquilla in Kolumbien. Sie sagte: Schau dir diese Straßenkinder an! Sie haben nichts zu essen, nichts zum Anziehen. Sie schnüffeln Klebstoff. Sie sind verloren! So etwas kann dir auch passieren, wenn du nicht die Finger von Drogen lässt. Das hat mich geprägt. Es war eine Schocktherapie.

Dabei heißt Ihr großes Idol Kurt Cobain. Der Nirvana-Sänger hat seine Kreativität regelmäßig mit Drogen angekurbelt. Wie anfällig sind Sie heute für diese Verlockung?

Ich mache einen Bogen um Drogen. Es ist langweilig und armselig, die eigene Stimmung von Drogen abhängig zu machen.

Sprechen Sie aus Erfahrung?

Ich habe Freunde, die sind durch Drogen auf die schiefe Bahn geraten. Das hat mich genug abgeschreckt. Neulich erzählte mir ein Freund aus Kolumbien, dass die Polizei in seiner Nachbarschaft den größten Drogenfund der Geschichte gemacht habe. 14 Tonnen Kokain! Schwarzmarktwert 350 Millionen Dollar! Es ist furchtbar für mich, zu sehen, wie meine schöne Heimat Kolumbien im Drogensumpf versinkt. Der kolumbianische Staatspräsident Alvaro Uribe hat Sie vor kurzem in seinen Palast eingeladen. Wie kam es dazu? Seine Kinder sind Hardcore-Shakira-Fans. Ich glaube, sie haben ihn davon überzeugt, mir einmal zuzuhören. Ich hatte ihm einiges über unser Land zu sagen.

Nur mal angenommen, Sie hätten die politische Macht in Kolumbien, was würden Sie sofort ändern?

Es ist sinnvoll, dass die USA Kolumbien zur Bekämpfung der Kokain-Kriminalität 600 Millionen Dollar geben möchten. Das kann helfen, dieses Problem zu lindern. Viel entscheidender aber ist die Sicherheit. Seit vier Jahrzehnten herrscht ein Guerilla-Krieg zwischen der Armee und linksgerichteten Paramilitärs in Kolumbien. Die Menschen haben Angst, auf die Straße zu gehen. Ich glaube, in einer funktionierenden Demokratie müssen sich die Menschen sicher fühlen. Solange die Menschen in Kolumbien Angst haben, bei einem Ausflug ins Grüne erschossen zu werden, wird es keine wirkliche Demokratie geben. Wir brauchen mehr Polizei und Sicherheit.

Sie haben Ihre eigene Stiftung "Pies Descalzos" ("barfuß") gegründet, die sich um Straßenkinder in Lateinamerika kümmert. Hat Ihnen Ihr Reichtum ein schlechtes Gewissen gemacht?

Ich bin nicht so reich, wie Sie denken. Enrique Iglesias hat mehr Geld.

Sie kokettieren. Sie haben mehr als 26 Millionen CDs verkauft.

Ja, ich weiß nur nicht, wo das ganze Geld geblieben ist. Aber im Ernst: Ich bin nicht so reich, wie viele denken. Ich bin aber auch nicht so arm, wie ich mich hier darstelle. Was mir wichtig ist: Ich möchte meine Berühmheit nutzen, um auf Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Dabei geht es mir besonders um die Straßenkinder in Kolumbien. Deshalb habe ich diese Wohltätigkeitsorganisation gegründet. Ich habe kein schlechtes Gewissen. Ich möchte nur helfen.

Literatur-Nobelpreisträger Gabriel Garc'a Márquez hat einmal über Sie geschrieben: "Shakiras Musik hat eine persönliche Note, die keiner anderen gleicht. Niemand kann singen und tanzen wie sie - mit solcher unschuldigen Sinnlichkeit, die ihre eigene Erfindung zu sein scheint." Ist der 77-jährige Márquez der 28-jährigen Shakira verfallen?

Es hat mich tief gerührt, was Gabriel über mich geschrieben hat. Aber wir sind nur gute Freunde, mehr nicht. Wir telefonieren alle paar Wochen einmal. Leider werden unsere Telefonate immer kürzer, weil er gesundheitlich ziemlich angeschlagen ist.

Singen Sie ihm Ihre Songs am Telefon vor?

Ich schicke ihm meine CDs. Und manchmal auch einen Liedtext. Dabei komme ich mir etwas lächerlich vor.

Warum?

Gabriel ist ein Wortmeister, ein großer Philosoph des Lebens. Hätte ich nur eine seiner Geschichten geschrieben, ich würde mich nie wieder trauen, etwas Neues zu schreiben. Dagegen bin ich nur ein kleines Licht.

Sind Sie deswegen unglücklich?

Nein, ich bin sehr zufrieden. Nur mit Gabriel Garc'a Márquez vergleiche ich mich nicht. Aber wenn Sie mich so fragen: Ich würde mein Leben weiterempfehlen.

print
Hannes Ross

PRODUKTE & TIPPS