TV-Kritik "Germany's Next Topmodel" Der Meister muss pinkeln

  • von Mark Stöhr
Unsere Dummerchen sind in Los Angeles angekommen. Sind alle happy? Nein, total schlecht drauf. Wegen der neuen Frisuren. Ein Fall für Wolfgang Joop. Doch der malt lieber und trinkt zu viel Cola.

Schni Schna Schnappi. Endlich kommt mal Leben in die Bude. War ja nicht zum Aushalten diese ewige Casterei. Alle blond. Alle mager. Alle heißen irgendwie Laura. Doch beim "Umstyling", dem ersten dramatischen Höhepunkt der Staffel, trennt sich traditionell die Spreu vom Weizen. Die eine Hälfte heult, weil die Haare anders gemacht werden. Die andere Hälfte heult, weil die Haare so bleiben, wie sie sind. Die Lagerhalle in Los Angeles, in dem die Kandidatinnen gestern umlackiert wurden, war in Nullkommanix nass. Alles voller Augenpipi.

Holland in Not mitten in Amerika. Eine wimmerte der Stylistin in die Schere: "Ich mag keine Stufen", als stünde sie vor dem Aufgang zum Ulmer Münster. Eine andere flippte aus vor Angst, dass ihr beim Färben die Locken ausfallen könnten. Die hatte sie sich nämlich mithilfe eines "Chemical Straighteners" – super Bandname, nebenbei bemerkt – schon vorher so gründlich versaut, dass kaum noch Herztöne aus der Naturkrause kamen. Die Haare hielten am Ende, man muss fast schon sagen: leider. Denn nun waren sie lila. Mit einer Frauenhaus-Frise in die Fashionmetropolen New York, Mailand und Paris. Spitzenidee.

Während also im einen Teil der Halle Tine-Wittler-mäßig rumgewütet wurde, machte sich im anderen eine zweiköpfige Abordnung auf den Weg. Man hätte da mal eine Frage. Ob es denn irgendetwas zu bedeuten habe, dass die einen eine Typveränderung spendiert kriegen würden, die anderen aber nicht. In Bezug aufs Weiterkommen und so. Natürlich nicht, log Juryvize Thomas Hajo und strich sich durch sein schütteres Haar, das wieder so aussah, als habe jemand seinen Mittagsschlaf darauf verbracht. "Da haben sich zwei aber Gedanken gemacht", analysierte er amüsiert in die Kamera, nachdem die beiden Grazien wieder in ihren Bereich zurückgewackelt waren. Gedanken, so Hajos Subtext, sind nur unnötige Extensions an den frisierten Köpfchen. Braucht kein Mensch.

Joop, der Albtraum für jeden Aufnahmeleiter

Meanwhile in der Drogerie Joop: Psst, nicht stören, der Meister malt. Wolfgang Joop porträtierte an einem Seitenpult in schnell hingeworfenen Strichen die Modelschülerinnen. Da sei seine Art, sie kennenzulernen. "Ich stelle dar, was ich in diesem intimen Moment empfinde", sagte er mit seiner brüchigen Stimme, während um ihn herum ein Amoklauf nach dem anderen stattfand. Die ersten Umgestylten hatten sich im Spiegel gesehen.

Joop ist wahrscheinlich ein Alptraum für jeden Aufnahmeleiter und hinter seiner renovierten Fassade so tatterig, wie es einem 70-Jährigen zusteht. Er ist jedoch nach wie vor das schöngeistige Zentrum in diesem Schönheitszirkus. Old Europe in der Neuen Welt. Kollege Hajo muss dagegen schuften. Manchmal muss er auch ein bisschen schauspielern. Das kann er aber nicht so gut. Eigentlich gar nicht.

Kiki ist so helle wie ihr Haar

Gestern hielt die Regie offenbar für die jungen Zuseherinnen zu Hause einen Telekolleg-Einschub für nötig. Thema: Sedcards. "Eine Sedcard ist die Visitenkarte für jedes Model", dozierte Heidi Klum. Und Thomas Hajo stürzte sich in einer gnadenlos schlecht gestellten Szene auf Kristian Schuller, den "Sedcard-Fotografen", und textete ihn zu mit Sachen wie: "Wir brauchen auf jeden Fall super Sedcards." Und: "Ich werde die ganzen Sachen rausschicken, gleich international, damit die Mädels nicht nur Jobs kriegen in New York und L.A." Alles klar. Schuller grinste sich eins, während Hajo nach Luft schnappte. Man fürchtete gar, er hyperventiliere gleich vor lauter Laienschauspiel. Volle Emotion, null Atemtechnik. Der typische Anfängerfehler.

Das Zwischenfazit zum Feld der Kandidatinnen fällt eher ernüchternd aus. Darya: doof. Lena: doof. Erica: voll doof. Jovana: okay. Jüli: okay. Lisa: voll okay. Die anderen: egal. Zwei der 21 mussten gestern ihre Koffer packen. Eine hieß tatsächlich Laura. Einzig die Österreicherin Kiki sticht bislang heraus. Sie kommt aus – oh mein Gott, klingelt da was? – Braunau und ist – oh mein Gott, kann das Zufall sein? – blond. Die 17-Jährige hat für ihr Alter eine gute Reife, ist so helle wie ihr Haar und extrem bodenständig. Daheim arbeitet sie in einer Röhrenfabrik, was keine ihrer Püppchen-Kolleginnen von sich behaupten kann.

Auch Heidi Klum hat ein Auge auf die Blondine geworfen. In ihrer gewohnt prägnanten Art formulierte sie es so: "Kiki ist ein außergewöhnliches Mädel. Es laufen nicht so viele Mädels rum wie Kiki." Allerdings. Doch wir müssen das Programm unterbrechen für Wolfgang Joop: Der Meister muss pinkeln. "Ich glaube, ich habe ein Nierenversagen", verkündete er. Es war der beste Witz des Abends. Joop darf jetzt in Zukunft nicht mehr so viel Cola trinken.