Aus für Kult-Ermittler Das ist nicht mehr mein "Tatort"! – Abschiedsbrief an Ivo Batic und Franz Leitmayr

Die beiden "Tatort"-Darsteller Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec
Ermitteln seit über 40 Jahren als Kommissare Leitmayr und Batic: die beiden "Tatort"-Darsteller Udo Wachtveitl (li.) und Miroslav Nemec
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Die beiden Münchner "Tatort"-Darsteller Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec machen Schluss mit der Serie. Warum das dramatisch ist, schreibt Miriam Hollstein in einem Abschiedsbrief.

Lieber Udo Wachtveitl, lieber Miroslav Nemec, 

ihr macht also mit mir Schluss! 

Mit mir und rund neun Millionen weiteren "Tatort"-Zuschauern, die euch regelmäßig zuschauten, wenn ihr als die beiden Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr Mordfälle aufgeklärt habt.

Ab kommendem Jahr wollt ihr uns sonntagabends nicht mehr in unseren Wohnzimmern besuchen kommen. DAS ist also der Dank für mehr als 30 Jahre Treue, seit ihr 1991 erstmals in München ermittelt habt? 

Fachkräftemangel auch beim "Tatort"

Ich weiß nicht, ob es ein Trost sein soll, dass ihr die 100 (also die 100. Folge) noch vollmachen wollt. Das ist, wie wenn ein Mann zu seiner Ehefrau sagt, dass er auszieht, aber erst im nächsten Jahr.

Ich verstehe, dass Sie, Herr Nemec, mit 69 über die Rente nachdenken. Aber wir brauchen nun mal gute Fachkräfte in diesem Land, das gilt auch für "Tatort"-Kommissare! Da muss man auch mal bei der Altersgrenze etwas großzügiger sein. Und Sie, Herr Wachtveitl, haben erst recht keinen Grund zu gehen. 65 Jahre sind Sie gerade erst geworden und sehen aus wie Mitte 50. Außerdem sind Sie "top in shape", wie Wolfgang Joop bei "Germany’s next top model" urteilen würde. Noch voll fit. Wo ist die Rente mit 67, wenn man sie mal braucht?

Der Irre im Fahrstuhl

Nach allem was wir miteinander durchgemacht haben! Ich habe mit Ihnen gezittert, Franz, als Sie mit diesem Irren im Fahrstuhl festsaßen, er Ihnen irgendwas gespritzt hatte und Sie dachten, sterben zu müssen (Folge 603: Außer Gefecht). Und wer war an Ihrer Seite, Ivo, als Sie nach einem Unfall orientierungslos herumirrten und dann auch noch unter Mordverdacht gerieten (Folge 749: Wir sind die Guten)? Richtig: ich!

Die "Tatort"-Darsteller Udo Wachtveitl, Ulrike Folkerts und Miroslav Nemec
Im "Tatort: Kleine Diebe" ermittelten sie gemeinsam: Udo Wachtveitl (li.),vMiroslav Nemec und Ulrike Folkerts, die die Kommissarin in Ludwigshafen spielt.

Ich war mit Ihnen von diesem übermotivierten jungen Kollegen Gisbert genervt und habe mit Ihnen geweint, als er plötzlich tot aufgefunden wurde (Folge 865: Der tiefe Schlaf).

Niemand hat die Fälle mit so großer philosophischer Leichtigkeit und zugleich Tiefe gelöst wie Sie. Nirgendwo habe ich mehr Vertrautheit und Freundschaft in einem "Tatort"-Team gespürt.

Sie wurden älter, grauhaarig, melancholischer. Aber das machte nichts. Wir wurden es ja alle.

Ich erkenne meinen "Tatort" nicht wieder

Aber es geht noch um mehr. Ich sag’s Ihnen ehrlich: Ich habe Angst. Nicht wegen der Mordfälle (auch, wenn Ihre Aufklärungsquote nicht schlecht war). Das können Jüngere machen, da habe ich Vertrauen. Ich habe Angst davor, meinen "Tatort" nicht mehr wiederzuerkennen.

Immer öfter sieht man da jetzt so Jungspunde. Die gendern, während sie ermitteln. Oder immer über ihre privaten Probleme reden wollen. Denen die "Work-Life-Balance" wichtig ist. 

Geh, bitte. Wie kann man einen Mord mit Work-Life-Balance aufklären?

Die "Tatort"-Darsteller Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec
Die "Tatort"-Darsteller Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec in jungen Jahren und schlecht sitzenden Sakkos

Und dann sind da die vielen Abgänge! Der Joachim Król und die Nina Kunzendorf in Frankfurt. Die Karin Hanczewski in Dresden. Der Andreas Hoppe in Ludwigshafen. Oder noch schlimmer: die, die uns einfach weggemordet wurden. Die Martina Bönisch in Dortmund, die Franziska Lüttgenjohann in Köln.

Nicht mit meiner Einschaltquote

Aber Sie und die Kollegen aus Köln und die Lena aus Ludwigshafen waren immer da. Sie haben uns Halt und Orientierung gegeben und die Gewissheit, dass sich nicht alles ändert in dieser Welt der Transformation. Wenn Sie jetzt gehen, dann ist das nicht mehr mein "Tatort"! Sagen Sie Ihren Chefs, dass die dann nicht mehr mit meiner Einschaltquote rechnen sollen! Dann gucke ich sonntags irgendso eine billige Netflix-Nummer! 

Wobei… Ich höre, der Kalli, Ihr Assistent, soll jetzt vielleicht übernehmen? Also, der ist natürlich noch sehr jung, aber ein ganz ein Fleißiger und auch ein Netter. Und klug finde ich ihn auch. Wenn der jetzt noch eine interessante Partnerin an die Seite bekommt, vielleicht überlege ich es mir dann nochmal. Man muss der Jugend ja auch mal eine Chance geben!

Der "Tatort"-Darsteller Ferdinand Hofer
Wird er der nächste "Tatort"-Ermittler in München? Bislang spielt Ferdinand Hofer den Assistenten "Kalli"

Ein heiliges Versprechen

Aber nur, wenn Sie mir etwas hoch und heilig versprechen. Dass Sie – Ruhestand hin oder her – nicht ganz bei mir ausziehen. Dass ich Sie in anderen Filmen wiedersehe. Bei Lesungen. Oder im Theater. Wir können doch über alles reden!

Bis dahin bleiben Sie gesund. Lassen Sie sich nicht brutal aus dem "Tatort" rausschreiben. Gehen Sie mit Stil und Würde.

Wir sehen uns (hoffentlich) auf der anderen Seite.

Ihre Miriam Hollstein

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