Mit geschlossenem Dach verführen unbändige Fahrleistungen und geduckte Haltung leicht zu einer Fahrweise, die andere Verkehrsteilnehmer als aggressiv und rücksichtslos empfinden, der offene 911 macht es leichter, die sonnigen Seiten der PS-Herrlichkeit zu empfinden.
20 Sekunden und die Sonne Spaniens scheint auf den Porschepiloten. Gut gewählt wurde der Ort in der Nähe von Sevilla für Vor- und Verführung, hier wird die neue Fahrspaß-Referenz der Oben-ohne-Fraktion ins richtige Licht gesetzt. Kaum schnurrt das solide Stoffverdeck zurück, leuchtet der Himmel dramatisch über der Frontscheibe. Gleißendes Weiß, tiefes Blau und schwarze Streifen erschaffen für den Ausritt des 911 Cabrio eine ekstatische Bühne, so als hätte El Greco noch einmal den Pinsel über das Firmament geführt. Die venezianischen Farben, ein Glühen wie vom Feuer der spanischen Mystik, lassen den Fahrer mit gläubiger Ekstase die Serpentinen der engen Kreisstraße bezwingen.
Auf die perfekte Art
Wie schon der Coupé zeigt sich das 911 Cabrio als echter 911. Keine Matschaugen in der Front und überhaupt ist die Verwechslungsgefahr mit dem wesentlich billigeren Boxster gebannt. Der offene 911 ist ein herrlich proportionierter Sportwagen, der seine Rasse nicht versteckt, aber vollkommen ohne pubertäre Kraftmeierei auskommt. Die Heckansicht wirkt von hinten bullig und dominant, passend zu den unter der Haube beherbergten Motoren. Die Seitenansicht des Hecks gefällt bei geöffnetem Verdeck weniger, allzu sehr wölbt sich der Specknacken über dem Motor nach oben. Dabei ist das Cabrio ein echtes Leichtgewicht. Der Rohbau des Wagens kommt mit nur sieben Kilogramm Zusatzgewicht aus im Vergleich zum Coupé. Durch Verdeck und Elektromotoren steigert sich der Cabrio-Ballast auf insgesamt 85 Kilogramm, ein sehr überschaubares Mehrgewicht. Das Cabrio bringt so 1.480 Kilogramm auf die Waage, der Carrera S 1.550 Kilogramm. Im Inneren erwartet die Passagiere Porsche-Perfektion vom Feinsten: Leder, Ziernähte, Metall Applikationen. Das 911 Cabrio wurde - wie von Zuffenhausen gewohnt - ein echter Sportwagen, mit einem Fertigungs-Finish, wie man sonst es nur in Luxuslimousinen geboten bekommt.
Offen auf Knopfdruck
Sehr gut gelöst ist das Stoffverdeck mit integrierter Glas-Heckscheibe, das sich während der Fahrt bis Tempo 50 öffnen oder schließen lässt. Erstmals können auch die kleinen, hinteren Seitenscheiben bei geöffnetem Dach hochgefahren werden. Wer will, kann mit dem Windschott den Sturm im Innenraum nun auch bei hohem Tempo minimieren. Kräfte, um den Sturm zu entfesseln, sind mehr als genug vorhanden. Die Normalversion mit 3,6-Liter-Sechszylinder-Boxermotor liefert 325 PS, die etwa 10.000 Euro teurere S-Variante mit 3,8 Liter Hubraum sogar 355 PS. Der Sprint von 0 auf 100 km/h gelingt damit in 5,2 bzw. 4,9 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeiten liegen bei 285 und 293 km/h. Die reinen Werte der beiden Motorisierungen sind also nah nebeneinander, dennoch bietet die S-Variante subjektiv noch einmal deutlich mehr Wumms in der Beschleunigung. Hinzu kommt ein noch tieferes Röhren und Gurgeln aus dem Kraftraum im Heck. Es drängt sich Gefühl auf, die Geräuschdesigner hätten beim "S" noch einmal besonders tief in die Trickkiste gegriffen. Bei der Preisdifferenz von Normal zu "S" sollte beachtet werden, dass das sehr empfehlenswerte PASM (Porsche Active Suspension Management) in den S-Versionen bereits zum Serienumfang zählt.
Keine Giftmaschine
Praktisch lässt sich das Cabrio sehr sportlich bewegen, ohne die Giftigkeit der früheren 911er. Dieser Elfer klebt geradezu auf der Fahrbahn, das ESP greift dabei erfreulich spät, aber eben nicht zu spät ein. Der Wagen vermittelt einen extrem direkten Kontakt zur Fahrbahn, dennoch kann man das Fahrverhalten ohne Übertreibung auch als "gutmütig" bezeichnen. Ohne Murren und ohne Tücke in der Hinterhand folgt das Cabrio der eingeschlagenen Bahn. Mit der S-Motorisierung geht es deutlich beherzter zur Sache. Neu sind die aus dem Boxster bekannten Kopfairbags, die unterhalb der Seitenscheiben platziert sind. Für den verhinderten Sportpiloten bietet Porsche das so genannte Sport Chrono Paket Plus an. Neben der Möglichkeit, Rundenzeiten zu messen, wird mit ihm das Motormanagement auf eine besonders sportliche Fahrweise umgeschaltet.
Und kein Sparschwein
Ab 85.176 Euro darf man ein 911 Cabrio sein eigen nennen. Der Verbrauch liegt bei beiden Varianten zwischen 11 und 12 Litern. Werte, die sich natürlich mühelos überbieten lassen. Doch auch bei inspirierter Fahrweise bleibt der Verbrauch unter 16 Litern. Gemessen an den Fahrleistungen ist das geradezu knauserig.
<Offen oder nicht offen?
Die Entscheidung fürs Cabrio bleibt letzten Endes eine grundsätzliche Geschmacksfrage. Unabhängig vom Aufpreis ist die Linienführung beim Coupé eleganter gelöst, denn er schleppt keinen Walbuckel auf dem Heck herum, die Karosserie ist verwindungssteifer, doch dafür fliegt man auch nicht direkt unter dem dramatischen Himmel Spaniens dahin.