Echte Geheimagenten bewegen sich gern unauffällig. Sie fahren langweilige Autos, die im Straßenbild untergehen, oder nehmen den Bus. Nicht so der berühmteste Geheimagent aller Zeiten. Für 007 kommt 08/15 nicht in Frage. Will ein Bösewicht wissen, ob gerade James Bond im Land ist, muss er nur nach dem auffälligsten Auto weit und breit Ausschau halten. Wenn dann noch ein perfekt gekleideter Gentleman mit einem geschüttelten, nicht gerührten Martini in der Hand aussteigt, brauchen Blofeld, Goldfinger, Largo oder Stromberg gar nicht erst weiter zu suchen.
1977 konnte man kaum besser auffallen als in einem Lotus Esprit. Bond-Produzent Albert R. Broccoli hatte einen Prototypen des Wagens entdeckt, der vor den Pinewood-Studios in London geparkt war. Und das wohl nicht ganz zufällig: Don McLauchlan, Marketing-Mann bei Lotus, hoffte, dass der Briten-Keil als Leinwandstar entdeckt würde. Die Rechnung ging auf - ein weiß lackierter Esprit schrieb in "Der Spion, der mich liebte" Filmgeschichte.

Eckig wie ein Türkeil
1972 gab es die erste Konzeptstudie des Esprit auf dem Turiner Autosalon zu bewundern. Das Styling stammte von Giugiaro, der damals nach diversen Maserati-Entwürfen mitten in seiner "Keil-Phase" steckte. So wurde der Esprit eckig wie ein Türkeil und flach wie eine Flunder. Der 1,1 Tonnen schwere Briten-Flitzer hatte einen Vierzylindermotor mit zwei Litern Hubraum und 160 PS. Damit rannte der Lotus immerhin 210 Sachen. Die Kraftübertragung übernahm ein Fünfganggetriebe aus dem Citroën SM. Im Cockpit war der Esprit vor allem eins: eng. "Ein Lotus ohne Kompromisse, für einen Fahrer und einen ausgewählten Begleiter" hieß es denn auch in der Esprit-Broschüre.
Bei Roger Moore alias James Bond heißt die Begleiterin Anya Amasova, russische Geheimagentin und gespielt vom Supermodel Barbara Bach. Der diensthabende Schurke im Film ist der größenwahnsinnige Reeder Stromberg (Curd Jürgens). Stromberg will die Welt in einen Atomkrieg stürzen, um danach in den Tiefen des Ozeans eine Art "Menschheit 2.0" anzusiedeln. Das können Commander Bond, Major Amasova und der Lotus Esprit natürlich nicht zulassen. Auf der Flucht vor Strombergs Schergen jagt Bond den Wagen durch die kurvenreichen Küstenstraßen der Costa Smeralda auf Sardinien. Am Steuer saß bei den Dreharbeiten freilich nicht Roger Moore, sondern ein Testfahrer von Lotus.
Komplette Verteidigungsanlage
Schließlich rast der Esprit von einem Pier mitten ins Meer. Für diese Szene wurde ein Stunt-Wagen mit einer Rakete beschleunigt und an Stahlseilen geführt. Im kristallklaren Wasser dann die Überraschung: Statt für Königin und Vaterland im mediterranen Nass unterzugehen, verwandelt Bond den Esprit mit ein paar Knopfdrücken in ein U-Boot. Außer vier schwenkbaren Propellern hat der U-Lotus natürlich eine komplette Verteidigungsanlage inklusive Raketen und Torpedos an Bord. Die Unterwasserszenen wurden auf den Bahamas gedreht. Die Filmcrew nutzte dafür sowohl Modelle als auch ein Effekt-Fahrzeug in Originalgröße, das von einem Taucher im Innern gesteuert wurde.
Fummeln unmöglich
Natürlich vernascht Bond Major Amasova, nachdem alle Gefahren gemeistert sind. Eine Fummelei im Lotus wäre allerdings schwierig geworden: Der hohe Getriebekanal steht wie die Berliner Mauer zwischen dem britisch-russischen Agentenpärchen, und das Cockpit des Esprit ist ohnehin so knapp geschnitten, dass jeder Liebesakt nur zu blauen Flecken führen würde. Auch sonst ist der erste Esprit ein knochenhartes Auto. Lenkung und Bremsen wollen, dass man kräftig zupackt.
Weil der Esprit die Bond-Fans so begeisterte, fuhr 007 "In tödlicher Mission" 1981 gleich zweimal Lotus, diesmal sogar die neue Turbo-Version mit 210 PS. Auch wenn es für eine Fahrt durch Eis und Schnee wahrscheinlich 500 besser geeignete Autos gegeben hätte, pilotiert Bond einen kupferfarbenen Esprit Turbo samt Skiträgern zum Wintersport-Ort Cortina d’Ampezzo. Der zweite Turbo-Esprit hat nur einen kurzen Auftritt zu Beginn des Films. Ein Schurke will den Agenten-Keil aufbrechen, unterschätzt aber trotz des Warnaufklebers an der Scheibe Bonds Diebstahlsicherung: Der Esprit sprengt sich mitsamt dem Bösewicht in die Luft.
Für 2009 plant Lotus eine Wiedergeburt des Esprit
Böse Zungen behaupten, dass der Esprit ohne James Bonds Agenten-PR nicht so lange überlebt hätte. Obwohl der Briten-Keil unter anderem wegen seiner teilweise anfälligen Motoren nicht gerade einen legendären Ruf genießt, wurde er in verschiedenen Neuauflagen bis 2004 gebaut. Und für 2009 plant Lotus eine Wiedergeburt des Esprit. Vielleicht kann sich ja sogar der aktuelle Bond alias Daniel Craig für den Briten-Keil erwärmen. Schließlich müssen Bond-Cars nicht praktisch sein - auffallen genügt.