Aufreißen – zuschlagen, aufreißen – zuschlagen. Immer wieder, rund um die Uhr testen die Roboterarme die hinteren Fahrgasttüren des neuen Taximodells. So simulieren sie in wenigen Wochen das lange Leben, das vor den Türen liegt. Bis zu 400.000 Zyklen muss jeder Mechanismus aushalten, ohne dass die Scharniere nachgeben oder die Schlösser auseinanderfallen. Ein normales Auto schafft oft gerade einmal 50.000.
Für Steve Swift, Chefingenieur bei der London Electric Vehicle Company, ist die Entwicklung des neuen Taximodells TX klar die "interessanteste Aufgabe" seiner bisherigen Laufbahn. Und tatsächlich ist er Zeuge eines kleinen Wunders: Erstmals seit zehn Jahren nimmt eine neue Autofabrik auf englischem Boden den Betrieb auf. "Vor 18 Monaten war hier noch grüne Wiese und Matsch", sagt Swift. Doch schon bald sollen 10.000 Taxen jährlich vom Band rollen – alle ausgestattet mit einem elektrischen Antrieb.
LTC wurde 2013 vom chinesischen Geely-Konzern aufgekauft
Coventry war einst das Herz des britischen Maschinen- und Fahrzeugbaus, das so legendäre Marken wie Triumph, Rover und Jaguar hervorbrachte. Doch vom Glanz der Vergangenheit blieb wenig. Manche Marken gingen unter, andere befinden sich heute im Besitz ausländischer Hersteller. So auch die London Taxi Company (LTC), die in Coventry zum Schluss noch jährlich 1500 ihrer traditionellen Black Cabs herstellte – mit zwei Klappsitzen, also Platz für fünf Fahrgäste, und einem Dieselmotor. Doch auch LTC wurde schließlich 2013 von dem chinesischen Geely-Konzern aufgekauft, zu dessen Reich auch die schwedische Automarke Volvo gehört.

Geely nun hat Ehrgeiziges vor: Bald nach der Übernahme von LTC tauften sie die Firma um in London Electric Vehicle Company (LEVC) und begannen 2015 mit der Entwicklung eines elektrisch angetriebenen Taxis. Bereits zwei Jahre später, im vergangenen Dezember, wurden die ersten Elektro-Taxis an Londoner Unternehmer ausgeliefert, die ihre Flotten nun Stück für Stück erneuern. Bis 2020 soll die Hälfte der rund 22.500 Londoner Taxen durch das neue Modell ersetzt sein.
Hinter dem Engagement der Chinesen steckt auch ihre Erfahrung mit der dicken Luft in den Millionenstädten ihrer Heimat. Weil in fast allen Metropolen rund um den Globus der Zustand der Umwelt kritischer wird, sehen sich mehr und mehr Stadtverwaltungen gezwungen, saubere Antriebe vorzuschreiben. Gerade hat Londons Bürgermeister Sadiq Khan eine "Giftsteuer" in Höhe von zehn Pfund täglich für Fahrzeuge mit hohen Emissionen erhoben – zusätzlich zur City-Maut in Höhe von 11,50 Pfund (12,40 Euro).

Natürlich haben die Stadtväter auch den öffentlichen Verkehr ins Visier genommen, um gleich ganze Flotten durch sauberere Generationen zu ersetzen (siehe Übersicht auf der folgenden Seite). In London dürfen seit dem 1. Januar nur noch Taxen neu zugelassen werden, die mindestens 30 Meilen, gut 48 Kilometer, elektrisch angetrieben zurücklegen können. Geely hat diese Entwicklung offenbar vorhergesehen.
Die Chinesen wollen umweltfreundliche Taxis nicht nur nach London liefern
"LEVC wird ein maßgeblicher Player in dem Geschäft werden, und das in zwei Dritteln der Zeit, die normalerweise vonnöten ist", sagt Chefingenieur Steve Swift.

Die Chinesen wollen ihr umweltfreundliches Taxi nicht nur nach London liefern – es soll die Welt erobern. Für Oslo, die europäische Vorzeigestadt für Elektromobilität, wurde gerade der Vertrag mit einem Importeur unterzeichnet. Aus Amsterdam liegen Bestellungen für 225 Fahrzeuge vor.

Die Lithium-Ionen-Batterie des neuen Taxis hat eine Kapazität von 31 Kilowattstunden und soll eine Reichweite von 80 Meilen ermöglichen, knapp 130 Kilometern. Zu wenig für eine Metropole wie London, deshalb kann ein Dreizylinder-Benzinmotor zugeschaltet werden, der auf Langstrecken Elektrizität produziert. Solche Hybridfahrzeuge müssen, so die neue Regelung, von Benzinmotoren angetrieben werden. Diesel sind nicht mehr erlaubt. Das neue Auto sieht dem klassischen Black Cab zwar sehr ähnlich; es hat dieselbe Silhouette wie seine Vorgänger. Aber die Technik ist völlig anders konstruiert.