Das Auto - angeblich liebstes Kind der Deutschen - leidet. 2007 war hierzulande alles andere als ein gutes Jahr für freie Fahrt und freie Bürger. Schwindende Zulassungszahlen für Neuwagen, Preisexplosion an der Tankstelle, Schmuh mit Spritverbrauchswerten. Klimadebatte und Ungewissheit wegen der Umweltzonen in Innenstädten bestimmten die öffentliche Debatte. Der sprichwörtliche Fahrspaß findet bald nur noch in den Werbespots der Pkw-Hersteller statt.
Dass der öffentliche Personenverkehr währenddessen an Aufmerksamkeit und Akzeptanz gewonnen hätte, lässt sich nicht behaupten. Wenn es mal eine Meldung in die Nachrichten schaffte, handelte die von Tariferhöhung, Streckenstilllegung oder Lokführerstreik. Haben die Betreiber von Bussen und Bahnen die Zeichen der Zeit übersehen?
Im Prinzip ganz einfach
Dabei fällt es nicht schwer, Argumente für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu finden. Jeder, der in der Rush-Hour statt des eigenen Autos den Linienbus nimmt, vermeidet 90 Prozent des Kohlendioxids, das bei der Bewältigung der Strecke anfällt, hat der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ausgerechnet. So ein Bus verbraucht laut VDV je 100 Kilometer und Fahrgast nur rund zwei Liter Diesel, während der Durchschnittsverbrauch der Pkw gegenwärtig bei 6,6 Liter rangiere. Ein Wert, der natürlich durch die Anzahl der Insassen geteilt weden muss. Sparen wollen die Menschen durchaus. Aber offenbar lieber im Pkw, in der Fläche nehmen Fahrgemeinschaften jedenfalls schneller zu, als die Passagierzahlen von Bus und Bahn.
Zuwachs in Ballungsräumen
Zwar hat der Verband im zu Ende gehenden Jahr in einzelnen Ballungsräumen einen Anstieg der Fahrgastzahlen im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) festgestellt - im Hamburger Verkehrsverbund in der Größenordnung von etwa vier Prozent - insgesamt jedoch sind die Auslastungszahlen der Transportmittel nicht berauschend. So basieren die Zahlen über die Verbräuche je Insasse und Kilometer noch immer auf einem Auslastungsgrad von 20 Prozent für den klassischen Linienbus. Das sind, gerechnet im Schnitt über 24 Stunden, werk- wie feiertags, 16 Personen je Fahrzeug. Nahverkehrszüge stehen mit ermittelten 21 Prozent etwas besser da, doch jeder an einer Schranke wartende Autofahrer kann beobachten, welches Optimierungspotenzial besteht. Genau dort liegt für den normalen Kunden auch die Crux. Auf dem flachen Land kutschieren die Busse außerhalb des Berufsverkehrs häufig nur eine Handvoll Fahrgäste durch die Lande, der Pendler auf dem Weg zur Arbeit kann dagegen nur mit einem unbequemen Stehplatz rechnen. Zum gleichen Tarif.
Im Geiste Bahnfahren
Offenkundig gibt es eine Diskrepanz zwischen tatsächlicher und gefühlter Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, denn nach den Ergebnissen einer dieses Jahr vom Forsa-Institut durchgeführten Umfrage müsste es um die Auslastung von Bussen und Bahnen deutlich besser stehen. Immerhin 15 Prozent der Bundesbürger haben angegeben, dass sie "jetzt viel häufiger" (5 Prozent) oder "häufiger" (10 Prozent) Busse oder Bahnen nutzen.
Das subjektive Erlebnis
Mit der Bahn in die Stadt. Die Anbindung von Hamburg Blankenese ist hervorragend, während der Rush-Hour komme ich mit der Bahn in etwa genauso schnell von Tür zu Tür wie mit dem Auto. An der Station litt der Fahrkartenautomat unter Münzallergie. Klopfen und Münzen "befeuchten" (also "Anspucken") half nicht. Nur mit Gehetze und Gefluche kam ich noch zu einer Karte. Der Wagon war fast leer, dennoch rettete ich mich ans äußerste Ende. Ein Betrunkener und Bierlache reichen, den Spaß zu verleiden. Ab der Station Altona blieb es nicht bei einer Schnapsleiche, das Abteil füllte sich mit dem bekannten Geruch aus kaltem Rauch und hartem Alkohol, der langsam durch Haut und Kleidung sickert. Kein schönes Erlebnis auf leerem Magen am Samstagmorgen. Genausowenig wie die lautstarken Auseinandersetzungen jetzt im Abteil. Zum Glück war ein Spätheimkehrer so klar im Kopf, seinen Kumpan von mir fortzuziehen. Dann "Landungsbrücken": endlich aussteigen. Mag sein, dass Bahnfahren vernünftig ist, aber Spaß macht es nicht. Kra
Modell: Jobticket
Um gemeinsam mit der Wirtschaft Einfluss auf die Politik zu nehmen, suchte der VDV zur Jahresmitte demonstrativ die Nähe zu Unternehmen. Mit einer Bustour durch mehr als 40 Städte sollte auf die Thematik aufmerksam gemacht, gleichzeitig die Nutzung von Bussen und Bahnen durch die Mitarbeiter der Betriebe gefördert werden. Ergebnis: Nicht einmal ein Drittel der Beschäftigten der befragten Unternehmen gaben sich als ÖPNV-Fahrer zu erkennen. Dennoch wertet der VDV die Aktion als Erfolg. Sprecher Friedhelm Bihn: "Wir haben die Unternehmen sensibilisiert und teilweise eine verstärkte Nutzung von Jobtickets erreicht".
Gerade für Pendler, so Bihn, sei das Rechenexempel einfach. Für 50 Euro, also den Kosten einer Kleinwagen-Tankfüllung, könne man in den meisten deutschen Städten einen Monat lang kreuz und quer durchs Liniennetz fahren. Darüber hinaus würden die Verkehrsverbünde auch für Strecken außerhalb der Stadtgrenzen attraktive Angebote machen.
Schöngerechnet
Die ÖVP-Rechnung geht aber vor allem dann auf, wenn man komplett auf das Auto verzichten kann. Unter 300 Euro im Monat lässt sich kaum ein Fahrzeug finanzieren, da bleibt also etwas übrig. Derjenige, der auf seinen Untersatz nicht komplett verzichten will oder kann, rechnet leider anders. Bei einem Arbeitsweg von zehn Kilometern einfacher Fahrt und durchschnittlichen 17 Arbeitsagen im Monat, kommen 340 Kilometer zusammen. Schaut man nur auf die Tankquittung, bleibt man leicht unter 50 Euro.
Sprit bringt Steuern, die Bahn verschlingt welche
Die Zersplitterung der des ÖPNV-Angebots in hunderte lokale und regionale Betreiber macht einen geschlossenen Auftritt gegenüber den Kunden schwer. Der Dauerberieselung der Autoindustrie mit der Fahrspaß- und Dynamik-Reklame hat der Nahverkehr nichts entgegenzusetzen. Stößt man doch einmal auf Plakataktionen sind diese häufig geradezu hilflos altmodisch.
Auf der anderen Seite beackern außer dem VDV auch andere Verbände das Feld der Lobbyarbeit. Einer davon ist die Allianz pro Schiene, dazu gehört der Fahrgastverband Pro Bahn e.V.. Zum Leidwesen der Bahn sieht der Verband seine Aufgabe darin, von der Bahn ein besseres Angebot zu fordern, und nicht das Bild einer rosaroten Schienenwelt zu verbreiten. Es sei Sache der Bahn, so Sprecher Andreas Barth, das Angebot bedarfsgerecht zu verbessern. Volle Züge und dürftiger Service seien hinderlich, zusätzliche Fahrgäste zu gewinnen, auf manchen Strecken sei das auch gar nicht möglich, denn "die fahren schon an der Kapazitätsgrenze".
Einig sind sich die Verbände in der Forderung an die Bundesregierung, durch Schaffung von besseren Rahmenbedingungen den Autofahrern den Umstieg ins öffentliche Netz zu erleichtern. Doch das Interesse des Staates, seine Bürger verstärkt zu Bus- und Bahnfahrern zu machen, ist gering - aus nachvolllziehbaren Gründen: Nach Lohn- und Mehrwertsteuer macht die Mineralölsteuer den drittgrößten Anteil an den gesamten Einnahmen des Finanzministers aus.