Spezialfahrzeuge Die Pisten-Macher

Zwanzig Liter im Leerlauf, 430 PS für die Ketten und lange Nächte auf schwarzen Pisten. Bully-Fahrer leben einsam und gefährlich, trotzdem ist ihr Job begehrt.

Zwanzig Liter will er haben. "Im Prospekt", grinst Stefan Mangott. "Dann steht er aber nur rum und brummt vor sich." Wenn der Bully arbeiten soll, genehmigt er sich 30 Liter Diesel. In der Stunde! Von hundert Kilometern ist nicht die Rede. 21 Kilometer schafft er damit - höchstens.

Trotz des gewaltigen Durstes ist immer etwas kaputt an den gigantischen Maschinen. Ihr Unterstand in den verschneiten Bergen erinnert mit seiner Größe, den Gängen und dem Beton an einen U-Boot-Bunker. Hinter dem Tor riecht es nicht mehr nach frischen Schnee, Schnitzel und Glühwein, sondern nach Spezialfahrzeugen, schweren Fetten, Hydrauliköl und frisch geflexten Metallstreben. "Das liegt am Leichtbau, dass da immer etwas kaputt geht. In der Ebene würde man jedes Bauteil viel schwerer auslegen. Das geht hier nicht." Also sind zwei Mann im Skigebiet Serfaus ununterbrochen mit Reparaturen beschäftigt. Der "Leitwolf" von Prinoth arbeitet mit einem Zwölf-Liter-Hubraum-Diesel von MAN. 2000 Nm Drehmoment und 430 PS ermöglichen eine Steigleistung von 100 Prozent für das 8,2 Tonnen schwere Fahrzeug. Fast 100.000 Quadratmeter soll er damit in einer Stunde bearbeiten können. "In der Theorie," weiß Ingenieur Mangott, verantwortlich für die Bullies und Pistenbearbeitung. In der Praxis muss man bei allen Werten deutliche Abstriche machen, denn der Berg ist kein Versuchslabor.

Schwerstarbeit in der Nacht

Wozu braucht man diesen Maschinenpark? Damit alles schön glatt ist für den Urlauber. Richtig. Pisten breit wie Autobahnen und genauso eben. Jede Abfahrt wird dafür jeden Tag in der Saison gewalzt. "So wie in Amerika machen wir das hier nicht, wo sie die eine Piste am Montag und die andere am Mittwoch präparieren." Mangott schüttelt sich. Was der Urlauber nicht sieht, ist die viel schwerere Aufgabe, nämlich den Schnee wieder nach oben zu schaufeln. Jeder einzelne Skifahrer kurvt mit jedem Schwung den Schnee die Pisten runter, je steiler umso mehr. Am Ende des Tages kommen Hunderten von Tonnen zusammen. Am Abend und in der Nacht müssen diese Massen wieder nach oben gebracht werden. "Fünf Kubikmeter nimmt der schon auf die Schaufel." Das schaffen nur die stärksten Maschinen und das auch nur mit einer zusätzlichen Seilwinde. Ober auf der Plattform ist ein Kran montiert, an seinem Stahlseil zieht sich der Schlepper die steilen Pisten hoch. "Das dient nicht nur zur Sicherheit, ohne Seil könnte die Maschine dort nicht arbeiten." Denn so breit die Ketten auch sind und so viel Leistung die Motoren aufbieten: Schnee ist nicht beliebig belastbar. "Irgendwann wird die Kraft so groß, dass die Ketten die Piste darunter einfach zerfetzen. Dann gibt es plötzlich keinen Halt mehr." Wenn der Fahrer Glück hat, wühlt sich sein Bully nur ein. Nicht alle haben so viel Glück.

Sicherheit geht vor

Vorsichtig kann man nie genug sein. "Sobald Leute auf der Piste sind, schicken wir die Maschinen nicht raus." Bei Neuschnee beschweren sich manchmal die Gäste, dass überhaupt nichts gemacht werde auf den Pisten. "Das wurmt uns schon, denn zwei Stunden früher waren wir ja da. Jede Nacht. Aber raus fahren bei Schneefall und Publikum und ohne Sicht? Niemals. Bei uns nicht." Mangott zeigt auf die Ketten mit den Schneelammellen. "Zuerst gerät man da vorne rein, dann rast das ganze Ding über den Fahrer drüber." Das kann man bei weichem Untergrund noch überleben. Aber am Ende kommt eine Fräse mit handbreiten Metallzähnen. Sie hackt den Schnee komplett auf und glättet in wieder neu. 150 PS gehen allein in diesen Häcksler und Glätter. "Wer da rein kommt, steht nimmer mehr auf."

Nachts ist der Berg ganz ruhig und dunkel. Nur die Scheinwerferbatterie leuchtet das Feld voran taghell aus. Unermüdlich ziehen die Maschinen ihre Runden. Einsam ist der Job. "Die Fahrer haben Radio und Funk. Vom LKW her sind sie das Alleinsein aber gewohnt." Dafür stehen die Fahrer im Status bei den Seilbahnen weit oben. "Der Job ist sehr begehrt, trotz der Nachtarbeit." Alle Fahrer wollen die großen Maschinen fahren, ganz allein auf die Spitzen von Oberer Scheid und Lansegg fahren, sich anseilen und dort den Schnee wieder hinauf schaffen.

Kein Führerschein notwendig

Dabei geht es so einfach. Schlüssel umdrehen und starten. Das Cockpit mit Joystick und Steuertasten begreift jeder, der etwas Playstation Erfahrung mitbringt. Danach gibt es eine Einweisung und dann geht es die schwarze Piste hinauf. Nur das Anseilen nicht vergessen, sonst rauscht der "Everest" trotz meterbreiter Ketten wieder runter ins Tal. "Einen speziellen Kurs muss man nicht belegen, um 400 PS die Berggipfel hinauf zu treiben. "Richtig, eigentlich braucht man keinen Führerschein", wundert sich der Herr der Maschinen. Zumindest sieht es der Gesetzgeber so. Aber um in Serfaus Bullyfahrer zu werden, muss man einen LKW-Führerschein vorlegen. "Dann hat man wenigstens schon mal so ein großes Gerät bewegt." Und dann fängt man langsam an, auf den leichteren Maschinen und im Konvoi mit erfahrenen Fahrern. Nach Jahren geht es auf die großen Geräte und der Fahrer darf allein durch die Nacht pflügen. "Wir sind sehr vorsichtig. Darum hatten wir auch noch nie einen Unfall." Abergläubisch ist man auch, der Ingenieur springt zur Seite, um auf Holz zu klopfen, damit der prahlerische Satz nicht das Unglück anziehen kann.

Skigebiet

Serfaus-Fiss-Ladis

Untere Dorfstraße 13
6534 Serfaus
Tel. +43 (0)5476/6239
Fax +43 (0)5476/6813

Rentnersuchen im Wald

Plötzlich wird das Räumprogramm unterbrochen. Ein 70jähriger Skifahrer ist "abgängig" – verschwunden, nicht am Treffpunkt erschienen. Dass muss nicht viel sagen, die meisten Vermissten gehen nicht unter einer Lawine verloren sondern beim unangemeldeten Apres-Ski. Bullies fahren die denkbaren Abfahrten ab, die Bergwacht wird alarmiert. Je dunkler es wird, umso nervöser werden die Telefonate. Es ist eisig kalt, die Nacht im Schnee überstände ein Mann in dem Alter nicht. Ganz ohne Maschinen und auf Skiern fährt Mangott jetzt die Waldränder ab. Irgendwann wird der verirrte Skifahrer entdeckt. Nicht in Gefahr und nicht auf der Piste. Er hatte sich im Ort verlaufen und wurde am Sportplatz aufgegriffen. Ob er daran denkt, weil viele Menschen ihn in der Nacht gesucht haben? Vermutlich nicht. So ist eben auf dem Maschinendeck des Tourismus.