Schon heute können manche Automodelle von allein den Abstand zum Vordermann halten oder lassen das Lenkrad vibrieren, wenn der Fahrer unbeabsichtigt die Spur verlässt. Schleudersituationen verhindert das ESP im Ansatz und selbst das automatische Rückwärtseinparken regelt die moderne Elektronik.
Sie soll, geht es nach den Forschern bei Volkswagen, in Zukunft dem Autofahrer noch viel mehr abnehmen. Beispielsweise, wenn dieser geistig unter- oder auch stark überfordert ist. Letztere wäre eine Situation (z.B. Kreuzungsunfall), bei der auch die schnellste menschliche Reaktionszeit nicht mehr ausreicht, um auf die Bremse zu treten. Hier würde "PyroBrake" zum Einsatz kommen. In den letzten 300 Millisekunden vor dem Aufprall (bei Tempo 50 wären das noch rund fünf Meter) zündet eine Sprengstoffkapsel am ABS-Steuergerät und leitet eine Notbremsung ein. Messungen ergaben, dass die Aufprallgeschwindigkeit um bis zu fünf km/h vermindert werden konnte. "Energetisch gesehen sind das Welten", sagt Dr. Mark Gonter von der VW-Forschung, "die Verletzungsschwere kann dadurch erheblich reduziert werden."
Alles im Blick: Auto lenkt selbst ums Hindernis
Unterfordert (Langeweile) ist der Autofahrer dagegen im Stau oder im monotonen Kolonnenverkehr auf der Autobahn. Auch hier soll die Elektronik helfen und den Fahrer entlasten. Das schon heute eingesetzte Abstandsradar hilft dabei. Nur bis runter auf Tempo Null funktionierte das System bislang nicht. In einem Forschungs-Passat klappt dies bereits. Von alleine fährt der Wagen wieder an, sobald auch der Vordermann dies tut. Stereo-Kameras überwachen zudem die Spurhaltung. Zwar gibt es einen Lane Assist bereits für einige Modelle bei Lexus, Citroen und VW (Passat CC) zu kaufen, doch alle haben nur stur die Spur im Blick. Ein Hindernis, wie beispielsweise ein parkendes Auto, das leicht in den rechten Fahrbahnrand ragt, erkennt das System nicht. Volkswagen hat nun den Lane Assist und das Abstandsradar zu einem neuen System kombiniert. Wie von Geisterhand bewegt "sieht" der Test-Passat den vor ihm stehenden Golf, bremst leicht ab und lenkt selbstständig um ihn herum.
Einparken per Fernbedienung
Wie gut die elektronischen Assistenzsystem vom Kunden angenommen werden, zeigt bei Volkswagen der Verkaufsanteil des "Parkassist". Über 30 Prozent wählt diese Hilfe beim Rückwärtseinparken. Parkassist funktioniert jedoch nur für Lücken parallel zur Fahrbahn. Die VW-Forscher sind dabei, ein automatisches System auch fürs Querparken zu entwickeln, wie es auf Parkplätzen vor Supermärkten üblich ist. Der Fahrer muss dafür nicht einmal im Auto sitzen, sondern kann seinen Wagen von außen, per Tastendruck auf den Zündschlüssel, selbsttätig einparken lassen. Damit lassen sich auch sehr schmale Lücken nutzen, in denen man normalerweise nicht mehr die Tür weit genug öffnen könnte, um auszusteigen. Kommt man vom Einkauf zurück, genügt wieder ein Druck auf den Schlüssel, der Motor startet und das Auto fährt aus der Lücke heraus. Eignen würde sich solch ein System auch in Parkhäusern.
Dort zeigen Lackspuren an Betonpfeilern aber auch, das viele Autofahrer den Wendekreis ihres Wagens falsch einschätzen und oft seitlich gegen den Pfeiler schrammen. Hierzu wird VW schon bald den "Parking Garage Assist" anbieten. Je acht Ultraschallsensoren vorn und hinten in den Stoßfängern übernehmen praktisch eine 360-Grad-Überwachung. Das System ist so intelligent, dass es sich die Pfeilerposition merkt, selbst wenn man mit dem Vorderwagen schon vorbei ist. Wird jetzt zu stark eingeschlagen, piept ein Warnton und auf dem Display erscheint exakt jene Stelle, wo gleich eine Schramme droht.
Autos "reden" miteinander
Fast nach Sience Fiction klingt es, wenn sich zukünftig Autos sehen können und gegenseitig aufeinander achten. Dass so etwas funktioniert, hat VW bereits vergangenes Jahr in Amerika gezeigt. Im Rahmen der "Urban Challenge" in Kalifornien fuhr ein Passat autark und fehlerfrei in einem simulierten Stadtverkehr. In reduzierter Form soll "Car-to-X-Communication" bei Volkswagen mittelfristig Einzug in die Autos halten. Durch die Vernetzung des Wagens und der Kommunikation in Echtzeit mit seiner Umgebung (Schilder, Ampeln, Kreuzungen) und anderen Autos wäre es möglich, brenzlige Situationen schon im Vorfeld zu erkennen. Der Autofahrer weiß plötzlich, was 100 Meter vor dem Lkw passiert, der ihm die Sicht versperrt oder "sieht" den Rettungswagen aus der Seitenstraße früher als er ihn hört.
Zehn Prozent sind Selbstmörder
Ob ABS, Airbag, Gurtstraffer und ESP, ob Bremsassistent, PyroBrake, Abstandsradar oder Spurhaltung, all die Elektronik und Assistenzsysteme sollen letztlich dem Autofahrer helfen, Unfälle zu vermeiden oder deren Schwere zu mindern. Geschehen ist schon viel. Die Anzahl der Getöteten im deutschen Straßenverkehr hat sich in den vergangenen 40 Jahren um rund 75 Prozent verringert. Dass man sie bei aller modernen Technik nicht auf Null bekommt, wissen natürlich auch die Forscher von VW. Dr. Mark Gonter: "Etwa zehn Prozent der im Verkehr Getöteten sind Selbstmörder."