YOUNGTIMER Sieben Reifen für 250 DM: Renault 5 im Selbstversuch

Große Klappe, viel dahinter: Im Vergleich zu einem Golf C war mein R5 üppig ausgestattet. Leider war er auch ein bisschen marode, aber eben nur ein bisschen.

Keine Ahnung, wie der R5 vor meinen Augen so lange überlebte hatte. Eine Anzeige im »Heißen Draht«, ein Anruf, und nun stand er vor mir: Baujahr 1981, ehemals knallrot und das Dach mit schwarzen Vinyl bezogen. 300 Mark wollte der Verkäufer haben, und obwohl ich kein Orientale bin, habe ich ihn um 50 Mark runtergehandelt. Nun hatte ich es, das Auto, das meinem persönlichen Lastenheft entsprach: Es musste sechs Monate halten, billig und zuverlässig sein. Der Technik habe ich sofort vertraut - die Restlaufzeit des TÜV belief sich auf drei Monate; danach, so sagte ich mir, kostet es 60 DM Bußgeld, wenn ich erwischt werde, was ich für einen fairen Preis hielt. Ich wurde nicht erwischt.

Mischbereifung

Das auffälligste am kleinen Franzosen war diese unglaubliche Weichheit, die durch den Verschleiß sämtlicher Dämpfer und Fahrwerkslager noch verstärkt wurde. Die Spitze des Komforts markierte allerdings das Drei-Gang-Automatikgetriebe. Der drehmomentstarke 1,4-Liter-Motor harmonierte perfekt mit der - ebenfalls dank der Abnutzung - sanft die Gänge wechselnden Schaltbox. Ich fuhr also nach Hause und schmiss die drei Reifen aus dem Kofferraum in den Keller. Überhaupt, so ein Unsinn: Einer war ein Sommerreifen, einer ein Winterreifen und der dritte ein Ganzjahresmodell. Der Schock ereilte mich dann beim Blick auf die aufgezogenen Pneus. Vorne waren zwei Sommerreifen in 135er-Breite und hinten zwei Winterreifen in 145er-Breite. Mit einer ähnlichen Kombination hat Norbert Haug vor zwei Jahren versucht, die Drifter-Challenge zu gewinnen.

Ungefähre Lenkvorschläge

Aus Sicht aller Mitfahrer war das Fahrwerk auch sonst katastrophal, was ich zu »gewöhnungsbedürftig« herunterspielte. Das klitzekleine Problem war, das die Lenkkopflager vorne total ausgeschlagen, die Lenkung ab Werk bereits indirekt und der Motor längs zur Fahrtrichtung eingebaut war. Sie werden sich fragen, warum das mit dem Längsmotor ein Problem ist. Ganz einfach: Die Kurbelwelle im Motor saß natürlich auch längs in der Karosse. Der daraus resultierende Effekt stellte sich ein, sobald ich vom Gas ging: Der Wagen hüpfte einen Meter nach rechts, was kein Problem war, denn wenn ich wieder auf's Gas drauf stieg, ging es den gleichen Meter nach links. In Verbindung mit der schon erwähnten Mischbereifung a la Lotus Elise ergab sich ein höchst diffiziles Fahrverhalten. Na ja, irgendwie wollte dann keiner mehr mit mir mitfahren, wenn er nicht musste.

Gefühle

Ich hatte mich inzwischen total in den Wagen verguckt und lallte dauernd was von »guter Substanz«. Die Seitenschweller und Fahrwerksaufnahmen an der Karosserie - alles ohne Rost. Die Erstbesitzerin war die Gattin eines ortsansässigen Bauunternehmers, und die hatte immer für Nachschub bei der Hohlraumversiegelung gesorgt. Die Bleche waren ab Werk hauchdünn, aber in top Form, wenn sie nicht gerade durch einen ungnädigen Daumendruck zerdellt wurden. Auch das Interieur nahm mich sofort in seinen Bann. Hellbeige Weichsitze, die bei Renault Sportsitze hießen. Und alles war so herrlich französisch. Die Hupe saß im Blinkhebel und der Dachhimmel war in Rauten abgesteppt. Sonst eher pedantisch, habe ich mich nie gemüßigt gefühlt, den überfüllten Aschenbecher zu lehren, obwohl ich Nichtraucher bin. Die lockere Verarbeitung, der verdreckte Innenraum und das ungehorsame Fahrwerk übertrugen sich wohltuend auf mich.

Absoluter Verlass

Einmal bin ich liegen geblieben. Der permanente schleichende Platte schlich plötzlich etwas schneller, und schon fand ich mich mit einem Radkreuz am Straßenrand wieder. Der R5 hatte tatsächlich nur drei Muttern pro Felge - das gibt es heute nur noch beim Smart. Ich ließ mir die drei übrigen Reifen aus dem Keller kommen, von denen einer fahrbereit war, was ausreichte. Ansonsten war der Schlitten die Zuverlässigkeit selbst; kein Ölverbrauch, kein Wasserverbrauch, nie waschen, nur Sprit einfüllen, toll. Fahren wie Gott in Frankreich, nur eben bei den Deutschen, die ich im R5 alle als verklemmte Spießer empfand.

Träne im Knopfloch

Als der TÜV schon zwei Monate abgelaufen war, wurde es mit dem Getriebe schlimmer. Sobald das Öl warm war, fuhr der Wagen im zweiten Gang an, schaltete bei 45 km/h unter gequältem Jaulen in den ersten, um sich dann schnell und mit Krachen in den dritten zu flüchten. Muss ich mir heute vorwerfen lassen, dass ich zum Schrott gefahren bin? Schließlich war mir klar, dass da ein Youngtimer heranwuchs. Doch es war zu spät. Schrottmann Hanusa hatte den Metalldorn bereits in den Tank gerammt und den Restsprit abgelassen. Der herrliche R5 wurde ein Opfer der Presse. Trauer? Nix da, Männer weinen nicht, schluchz, und außerdem, dieser Gaullistenexpress, diese Franzosenschleuder, das ging doch nicht.

Miss You

Heute bin ich ein anständiger Mensch und fahre Golf. Der ist zwar auch schon 16 Jahre alt, aber die Substanz ist echt Spitze! Gut, die Kopfdichtung schwitzt, das Schiebedach leckt, aber ich lebe in einer Stadt, und da wird man doch nur depressiv, wenn man ein neues Auto hat und nichts als Kratzer, Beulen und hartnäckige Taubenscheiße auf einen warten. Und manchmal, wenn ich mal wieder beim Einparken aus purer Bosheit gegen den Hintermann gebollert bin, wünsche ich mir den Renault zurück. Der knirschte dann immer so freundlich.

Christoph M. Schwarzer