Die Angst lauert in Outlook Express. Der Killer hat eine E-Mail geschrieben. "Ich weiß, wo Du wohnst", grüßt der Phönix.
Das E-Mail-Programm ist echt. Die Elektropost auch. Doch alles ist ein Spiel. Woran sich jeder alsbald erinnern sollte, der diese Nachricht erhält. Denn sonst verschwindet die Gänsehaut nicht mehr...
Es sind Ereignisse wie diese, die "Das letzte Ritual: In Memoriam 2", zu etwas Besonderem machen. Im Jahr 2003 hatte der französische Entwickler Lexis Numerique den interaktiven Thriller "In Memoriam" veröffentlicht, der die Grenzen zwischen virtueller und realer Welt verwischte. Trotz vor allem in Deutschland schwacher Verkäufe sind die Macher ihrem Konzept treu geblieben, mit allen Stärken und Schwächen. So ist wie Teil eins auch "Das letzte Ritual" eines der außergewöhnlichsten Spiele des Jahres, aber bestimmt nicht jedermanns Geschmack.
Man spielt sich selbst
Hobbydetektive dieser Welt, vereinigt Euch! Unter diesem Motto stand "In Memoriam". Der Spieler übernahm keine Rolle, keinen fiktiven Charakter, sondern beteiligte sich als Privatperson an der Suche nach dem niederländischen Reporter Jack Lorski, der sich in der Gewalt eines Serienkillers namens "Der Phönix" befand. Der spielwütige Mörder hatte seinen Häschern eine CD-Rom voller Rätsel (in Wirklichkeit die CD des Spiels) hingeworfen, die es zu knacken galt. Nun scheint der Phönix zurückgekehrt zu sein. Menschen wurden getötet oder sind verschwunden. Wieder wird der Spieler aufgefordert, bei den Ermittlungen zu helfen, diesmal gibt es eine DVD-Rom, die die Gemeinde der Hilfsbereiten entschlüsseln soll. Dabei ist das Internet das entscheidende Hilfsmittel. Mehr als 500 für das Spiel erstellte, authentisch wirkende Websites wurden geschickt in Suchmaschinen platziert, viele Informationen erhält man von neutralen Netzangeboten wie Wikipedia, und auch Google Maps hilft gelegentlich auf die Sprünge. Außerdem zwingend notwendig: die Registrierung mit einer echten E-Mail-Adresse. Manchmal erhält man von virtuellen Helfern Hinweise zum aktuellen Stand der Ermittlungen, auch Hilfsmittel wie ein Textdecoder und ein Bildanalyse-Tool werden auf diesem Wege angekündigt. Und dann ist da noch der Phönix, der auch gerne Mails schreibt.
Das letzte Ritual: In Memoriam 2
Hersteller/Vertrieb | Lexis Numerique / Frogster Interactive |
Genre | Adventure |
Plattform | PC |
Preis | ca. 40 Euro |
Altersfreigabe | ab 16 Jahren |
Die Killerhatz führt den Ermittler vor dem heimischen PC durch verschiedene Länder und konfrontiert ihn mit jeder Menge christlicher Mythologie, verstorbenen Tempelrittern, geheimen Sekten, alten Philosophen und wahnwitzigen Verschwörungstheorien. Wahrscheinlich hat der Phönix alle Drehbücher von "Akte X" sowie Dan Browns "Sakrileg" unter dem Kopfkissen, eingewickelt in das Grabtuch von Turin. Geht es gerade nicht um das Sammeln von Informationen aufgrund von kryptischen Anweisungen des Psychopathen, folgt man seinem Psychopfad zu kranken Rätseln. Mal gilt es eine Nachricht zu verstehen, die durch das Blinzeln angstvoll aufgerissener Frauenaugen übermittelt wird. Oder es muss der Rücken einer Leiche nach Hinweisen abgesucht werden. Als Belohnung für die Auflösung gibt es - wie im Vorgänger - Teile des Videotagebuchs der Vermissten, die nicht nur die Geschichte weitertreiben, sondern auch wichtige Hinweise für kommende Herausforderungen bieten.
Die Rätsel sind technisch schlicht umgesetzt, die Steuerung mit der Maus nervt manchmal. Es scheint, alles sollte der Schwierigkeitsgrad der teilweise sehr knackigen Aufgaben durch schwierige Bedienung zusätzlich erhöht werden. Außerdem ist die Auflösung der Videotagebücher niedriger, als sie sein müsste. Optisch aber ist jedes Rätsel ein Kunstwerk surrealer Verstörungswut, dazu kommen ein trügerisch sanfter Soundtrack aus sphärischer Musik und gruseligen Geräuschkollagen sowie einige schockierende Filmsequenzen. "Das letzte Ritual" erzeugt eine unheilsschwangere Atmosphäre, der man sich schwer entziehen kann und die auch noch anhält, wenn man das Programm längst geschlossen hat.
Auf die technischen Macken seiner CD kann man den Phönix ja hinweisen, wenn er vor der Tür steht. Nur hat man dann gerade andere Probleme...