In Amerika verschickte Amazon.com jüngst 250.000-mal den vierten Band der Harry-Potter-Saga per Kurier an alle Besteller, die das begehrte Buch bereits am Erstverkaufstag in den Händen halten wollten, ohne dabei beim Buchladen Schlange zu stehen. Hinzu kam, dass Amazon.com nicht nur den Kurier bezahlte, sondern auch noch satte 40 Prozent Rabatt auf das Buch einräumte da freute sich der Kunde. Amazon.com nahm das als gelungene PR, die freilich mit satten fünf Millionen Dollar Verlust zu Buche schlug.
Auch hier zu Lande wundert man sich oft über kundenfreundliche Angebote im Web, die in der Buchhaltung garantiert nur Miese verursachen. Dass im Web bestellte Bücher generell versandkostenfrei verschickt werden, ist eine tolle Sache, die jeden Buchhändler mit eigenem Laden neidisch mit den Zähnen knirschen lassen. Nicht umsonst bestellen viele Onliner inzwischen gleich ein Buch mit, wenn sie sich im Mischwaren-Onlineshop einen Stapel CDs zusammengeklickt haben. Dann fallen sofort das Porto und das Geld für die Verpackung flach. Komisch, dass diese Gebühren beim Bestellen von Musik-CDs immer noch zu zahlen sind. Vermutlich haben sich die Online-Shops untereinander abgesprochen, sich im aktuellen Preiskrieg diese Bürde nicht auch noch aufzulasten.
Aber einmal ganz ehrlich: Der Wegfall des Portos, das kann doch noch nicht alles sein, was uns in Good Old Germany geboten wird. In den USA ist gerade ein Start-up-Unternehmen in die Presse geraten, das seine Risikokapital-Millionen einfach unter den Besuchern der Homepage verteilt, um so möglichst schnell auf möglichst viele Visits zu kommen. Denn viele Visits sind das Maß der Dinge im Web. Das ist doch einmal eine Firmenstrategie, an der Kunden unmittelbar partizipieren können. Wer macht uns zu Web-Millionären per Mausklick?
Und was gibt es stattdessen bei uns? Manche CD-Shops halten eine Niedrigpreis-Garantie für alle Titel aus den Top 100. Packen eine Tüte Gummibärchen kostenlos zur Bestellung dazu. Sägen an der Preisbindung der Bücher. Verschicken kostenlos Faxe, E-Mails oder SMs. Sicherlich gibt es verschiedene Schnäppchenseiten, die Waren des alltäglichen Lebens günstiger verkaufen als der Laden um die Ecke. Aber so richtig Kohle ist im Web derzeit noch nicht zusammenzuklicken.
Dabei könnte man das Kapital doch besser investieren als in teure Medienkampagnen. Wer im Online-Sexshop bestellt, bekommt seine Waren fortan persönlich von einem halb nackten Playmate überreicht. Was halten Sie von Carsten Scheibes Ideen? Ihre Meinung im
Computerforum von stern.de
Wer im Web eine Reise bucht, erhält den Mietwagen gratis dazu. Jede dritte Audio-CD beim Online-Shopping ist umsonst. Was, das würde Millionen kosten? Na und? Zahlt doch eh alles die Börse. Die meisten Online-Shops halten sich doch ohnehin nur deswegen im Netz, weil sie Millionen verpulvern, um den Kunden von morgen schon heute zu binden.
Die meisten Surfer wissen, was sie wert sind. Ihre Klicks verschaffen den Anbietern Page Impressions, die sich in klingende Werbemünze umwandeln lassen. Klar, dass man von diesem Geld ein bisschen was abhaben möchte. Die bekannten Angebote, wie etwa eine Mark pro Surfstunde bezahlt zu bekommen, wenn man sich Werbung in einem Extrafenster anschaut, sind lausig. Die Kosten für auflaufende Telefonund Providergebühren werden davon nicht abgedeckt. Es sei denn ... bei einer Flatrate von 50 Mark rechnet sich das bezahlte Werbefenster schon nach 50 Stunden. Danach ist man gratis im Netz.
Aber wir wollen nicht immer nur an uns denken. Stellen Sie sich einmal vor, Microsoft und Netscape würden in ihre Browser eine Charity-Taste einbauen. Würde sie freiwillig gedrückt, erschiene ein Werbebanner im Browser-Fenster, das permanent sichtbar bliebe. Da fast jeder Onliner einen der beiden Browser einsetzt, wäre die Werbewirkung enorm. Und jetzt stelle man sich vor, Microsoft und Netscape würden diesen Werbeplatz vermieten und alle Einnahmen an eine gemeinnützige Stiftung weitergeben für wohltätige Zwecke. Auf diese Weise kämen Millionen, ja Milliarden zusammen, ohne dass wir Anwender auch nur einen Pfennig lockermachen müssten. Milliarden für die Krebsoder AIDS-Forschung, für die Ausbildung von Kindern, für die Ernährung von Obdachlosen. Schade nur, dass es gerade diese einfachen Ideen sind, die niemals umgesetzt werden.
Carsten Scheibe
Typemania@compuserve.com