Gerne würde ich jetzt gleich ins Internet gehen und die neuesten Nachrichten abrufen. Aber: Noch ist es nicht so weit. Um 20 Uhr 59 an einem Freitag im Dezember 2005 sitze ich Däumchen drehend vor dem Rechner. Zwar sind wir inzwischen alle rund um die Uhr mit dem Internet verbunden und können im Bruchteil eines Augenblicks mehrere Megabyte Daten auf einmal empfangen. Doch leider kostet jetzt jedes Byte, das ich mir aus dem Internet herunterlade, saftige Steuern. Die Bundesregierung verdient beim Surfen kräftig mit. Dank der Steuern ist meine Online-Rechnung schon wieder auf happige hundert Euro im Monat angewachsen. Zum Glück gilt ab 21 Uhr der halbe Steuersatz. Das muss man ausnutzen.
Kopieren geht gar nicht mehr
Im CD-Laufwerk des Rechners dreht sich die fünfte CD von Sarah Connor. Sie weist keinen Kopierschutz mehr auf. Da gab es in den letzten Jahren doch viel zu viel Ärger mit den Kunden, die längst keinen klassischen CD-Player mehr besaßen und stattdessen vergeblich versuchten, die kopiergeschützten Scheiben im Rechner oder im DVD-Player abzuspielen. Die Musik- und Filmindustrie hat vor kurzem einen Deal mit den Prozessorherstellern der Computer abgeschlossen. In allen neuen Prozessoren sind inzwischen Routinen eingearbeitet, die jeden Kopier- und Ripp-Vorgang auf der Stelle unterbinden, insofern er nichts mit der klassischen Datensicherung im Office-Bereich zu tun hat. Die Bundesregierung hat diesen Vorstoß unterstützt und deswegen ein neues Gesetz erlassen: Die Verwendung von Computern ohne die neuen Chips ist nun schon seit drei Monaten verboten. Ich habe zwar noch ein altes Notebook ohne diese Sperre im Bettkasten versteckt. Aber was nützt es: Rohlinge nehmen inzwischen nur noch Office-Dateien entgegen und verweigern das Speichern von Musiken und Videos. Arnold Schwarzenegger konnte übrigens nach der Amtsniederlegung als Gouverneur von Kalifornien einen riesigen Coup landen: Für seinen ersten Film nach der Pause bekam er 40 Millionen Dollar. Der Filmindustrie geht es anscheinend wieder blendend.
Sexseiten - doppelt und dreifach gesichert
Schade, dass das mit dem Online-Sex auch nicht mehr so gut klappt. Ich war jetzt bei meinem Fachhändler und habe mir eine amtliche Sex-Freischalteinrichtigung für 250 Euro zugelegt. Die wird über USB 3.0 an meinen Rechner angeschlossen. Noch im Laden musste ich meinen Ausweis vorlegen, einen Daumenabdruck abgeben und das Gerät stimmkodieren. Wenn ich jetzt eine erotische Homepage aufrufen möchte, muss ich meinen Daumen in den 3D-Abtaster der Hardware stecken und zugleich "Scharfe Biene" in das Mikrofon des Gerätes sprechen. Erst dann werden die Erotikseiten im Netz für mich freigeschaltet - natürlich zum doppelten Steuersatz. Leider ist das Angebot nicht mehr so üppig wie die Oberweiten der online strippenden Frauen. Die meisten Sexanbieter sind vor den strengen neuen Gesetzen ins Ausland geflüchtet. Die neuen Internet-Barrikaden erlauben es mir leider nicht, über den deutschen Bereich des Internets hinauszusurfen. So soll verhindert werden, dass ich im Ausland Waren kaufe, die hierzulande einfach teurer sind.
Freeware ist pfui
Neulich habe ich glatt Ärger mit meinem Sohn bekommen. Der lernt jetzt in der Schule "Rechtskonformes Computern". Der hat doch tatsächlich entdeckt, dass ich nicht das "Microsoft Office" verwende, sondern das kostenfreie "OpenOffice.org". Das ist natürlich nicht erlaubt, seitdem die Regierung doch zur Förderung der Wirtschaft das Herstellen, die Verbreitung und den Einsatz von Freeware verboten hat. Dummerweise hat mein Sohn die Software nicht nur gelöscht, sondern das auch gleich noch seinem Lehrer gemeldet. Der hat mich jetzt angezeigt. Zehn Tage habe ich offiziell Zeit, um mir eine richtige Office-Version zu kaufen. So ein Mist. Was das wieder kostet.
Eine Glosse von Carsten Scheibe