Scheibes Kolumne Erfolg ist tödlich

Finanzminister Eichel wundert sich: Die Arbeitslosenquote steigt, die Steuereinnahmen sinken dramatisch. Kolumnist Scheibe winkt ab: Kein Wunder. Das Leistungsprinzip gilt anscheinend nicht mehr länger. Wer richtig malocht und mit der eigenen Hände Kraft etwas aufbaut, wird für seinen Erfolg nicht belohnt, sondern umso härter bestraft. Da macht es natürlich keinen Spaß mehr, sich zu engagieren.

Finanzminister Eichel wundert sich: Die Arbeitslosenquote steigt, die Steuereinnahmen sinken dramatisch. Kolumnist Scheibe winkt ab: Kein Wunder. Das Leistungsprinzip gilt anscheinend nicht mehr länger. Wer richtig malocht und mit der eigenen Hände Kraft etwas aufbaut, wird für seinen Erfolg nicht belohnt, sondern umso härter bestraft. Da macht es natürlich keinen Spaß mehr, sich zu engagieren.

Selbst und ständig arbeiten

Eins habe ich gelernt in den letzten zehn Jahren: Geld gibt es nicht geschenkt. Es lässt sich nicht mal eben im Lotto gewinnen oder an der Börse verdienen. Es muss hart erarbeitet werden, Euro für Euro. Meine Frau und ich haben uns außerhalb von Berlin ein Haus gebaut. Um die Raten für die Bank abzuzahlen, muss ganz schön gekeult werden. So gut wie jedes sonnige Wochenende geht dabei fast vollständig für die Arbeit drauf. Und Feiertage gelten für einen Selbstständigen leider auch nicht. Der arbeitet selbst - und das ständig. Viele Freunde sind zwar ein wenig neidisch und würden auch gerne ein Haus besitzen. Ich stelle dann aber immer gerne die Frage: "Bist du dafür auch bereit, fast deine gesamte Freizeit in die Arbeit zu investieren, um das über 30 Jahre zu finanzieren?" Nein, dazu sind die Freunde nicht bereit. Sie sonnen sich lieber am Baggersee. Und haben ein paar Euro weniger im Geldbeutel.

Gewichtiger Steuerfall

Der im Büro verdiente Umsatz wird natürlich ordentlich versteuert. Wir können wenig absetzen und füttern den Fiskus deswegen immer wieder mit horrenden Summen, die dankend abgebucht werden. Und hier beginnen die Probleme. Für meinen Einsatz, immer noch ein wenig mehr zu schuften, werde ich umgehend abgestraft. So erhielt ich gleich nach meinem Umzug von Berlin nach Brandenburg ein amtliches Schreiben vom Finanzamt, das mich als neuen Bürger des Bundeslandes begrüßte. Aber anstatt mir zu gratulieren, dass ich mit meinen Steuern vielleicht Kindergärten, Straßen und andere Einrichtungen finanziere, wurde mir nur lapidar mitgeteilt, dass ich ein "vom Steueraufkommen her gewichtiger Steuerfall" bin. Und: "Die den Angehörigen der steuerberatenden Berufe von der Finanzverwaltung eingeräumten verlängerten Fristen für die Abgabe von Steuererklärungen ihrer Mandanten schließen nicht aus, dass die Finanzämter bestimmte Erklärungen vorzeitig anfordern können". In der Folge wurde mir ein vorgezogenes Stichdatum aufgedrückt, bis zu dem ich meine Steuererklärung abzugeben hatte. Ergo: Bei mir gibt es etwas zu holen, also muss ich zusehen, dass ich mein Geld schneller an den Fiskus abdrücke als der Rest der Nation: "Nach den bestehenden Weisungen bin ich gehalten, auch im Interesse der Steuergerechtigkeit eine zeitnahe Veranlagung durchzuführen."

Brutto schmilzt zu Netto

Ich bin es ja bereits gewöhnt, nur auf der Basis meines Bruttoeinkommens keine Bauförderungen zu erhalten, dreimal so hohe Kitabeiträge wie die übrigen Eltern zu bezahlen und auch sonst bei allen Aktionen leer auszugehen, bei denen der Staat einmal Geld verteilt. Dafür, dass ich mir die Nächte um die Ohren schlage, werde ich also von allen Seiten geschröpft, wo es nur geht. Wenn ich in manchen Monaten sehe, wie ein stolzes Brutto nach dem Abzug der Gehälter, der Steuern und der übrigen Ausgaben auf ein mickriges Netto zusammenschmilzt, dann frage ich mich manchmal, ob sich der ganze Aufwand lohnt. Schließlich trage ich auch das Risiko. Im Seuchenjahr 2002 habe ich etwa dreimal weniger verdient als meine eigenen Mitarbeiter. Ohne finanzielle Rücklagen hätte ich mir die Insolvenzkugel geben können. Die Kitabeiträge wurden trotzdem nicht angepasst.

Insolvenzgeld

Doch es geht ja immer noch eine Nummer heftiger. So flatterte uns vor ein paar Tagen die "Anlage zum Beitragsbescheid 2002" für die "Insolvenzgeld-Umlage der Bundesanstalt für Arbeit" ins Haus. Insolvenzgeld zahlt die Bundesanstalt immer dann den Angestellten aus, wenn eine Firma pleite geht und die Löhne nicht mehr zahlen kann. Amtlich formuliert klingt das so: "Arbeitnehmer erhalten Insolvenzgeld, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Das Insolvenzgeld ersetzt den Nettolohn". Das ist schön, dass die Bundesanstalt die Löhne weiterhin bezahlt. Aber was habe ich damit zu tun? Der Brief zeigt es auf: "Die Mittel für das Insolvenzgeld werden von den Unfallversicherungsträgern über Beiträge der Unternehmer aufgebracht. Das eingezogene Insolvenzgeld wird an die Bundesanstalt für Arbeit überwiesen." Das bedeutet, dass ich mein hart verdientes Geld für das Unvermögen vieler Unternehmer abdrücken muss, die ihre Firma an die Wand gefahren haben. Ich zahle also für das Gehalt von Menschen, die ich gar nicht kenne, und die nichts für meine Firma tun. Angesichts der Tatsache, dass jeder Depp eine Firma aufmachen und in die Pleite treiben kann, halte ich diese Umlage für sehr fahrlässig und gefährlich. Die Summe, die ich zu zahlen habe, fällt in diesem Jahr dramatisch hoch aus: "Bei der Insolvenzgeldumlage ist die konjunkturelle Entwicklung ausschlaggebend. Die Insolvenzen in der Bundesrepublik Deutschland sind 2002 um mehr als 71 Prozent gestiegen und haben den bisher höchsten Stand erreicht. Dadurch hat sich der Anteil an der Insolvenzgeldumlage gravierend erhöht." Na, vielen Dank. Zum Glück ist Eichel noch nicht auf die Idee gekommen, seine Schulden auch noch auf die letzten Unternehmer umzulegen, die noch selbst auf wackeligen Beinen stehen können.

Arbeiten macht arm

Warum machen wir es denn dann nicht gleich richtig? Ich arbeite am Computer und könnte doch als potenzieller Raubkopierer gleich noch pauschal für die Umsatzausfälle der Platten- und Filmindustrie herangezogen werden? Oder man könnte es doch auch so angehen, dass beim Kauf eines neuen Computers der eigene Steuerbescheid vorgelegt werden muss. Wer ein wenig mehr verdient als die anderen, könnte ja auch mehr für seinen Rechner bezahlen. Und so die marode PC-Industrie wieder auf Kurs bringen. Ich bin gespannt, welche Post mir der Postbote heute wieder bringen wird. Ich glaube, das nächste Wochenende mache ich lieber blau. Arbeiten bringt ja eh nur Nachteile mit sich.

<a class="link--external" href="mailto:scheibe@typemania.de">Carsaten Scheibe</a>

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