Scheibes Kolumne Konfuser Jugendschutz

Als wäre die IT-Branche noch nicht gebeutelt genug. Viele haben längst ihren Job verloren, und die Prognosen für die Zukunft sehen auch nicht gerade rosig aus. Doch denen, die noch ausharren, wird das Leben trotzdem mit Gewalt schwer gemacht. Ein Beispiel dafür ist der neue Jugendschutz, meint Kolumnist Scheibe.

Als wäre die IT-Branche noch nicht gebeutelt genug. Viele meiner Kollegen und Freunde haben längst ihren Job verloren und die Prognosen für die Zukunft sehen auch nicht gerade rosig aus. Doch denen, die noch ausharren, wird das Leben trotzdem mit Gewalt schwer gemacht. Ein Beispiel dafür ist der neue Jugendschutz.

Keine Frage, die Jugend muss geschützt werden. Vor allem vor sich selbst. Seit die Ermittler in den Kinderzimmern jugendlicher Amokläufer gelegentlich brutale Ballerspiele gefunden haben, steht der universelle Sündenbock fest: Die möglicherweise aggressiv machenden Ballerspiele sollen weggeschlossen werden, sodass die Kiddies sie erst dann spielen können, wenn sie alt dafür sind.

Alles muss gecheckt werden

Mit dem 1. April dieses Jahres ist deswegen ein neues Jugendschutzgesetz in Kraft getreten. Ab sofort müssen nicht nur Videokassetten und Filme von den Obersten Landesbehörden geprüft und mit einer Alterseinstufung versehen werden, sondern auch Trägermedien, die Filme sowie Film- und Spielprogramme enthalten. Das bedeutet, dass die Heft-CDs der Computerzeitschriften ebenfalls kontrolliert werden müssen. Da wir in unserem Büro eben diese CDs zusammenstellen, ist das eine Sache, mit der wir uns zwangsläufig beschäftigen müssen.

Verwirrung und Terminprobleme

Das Problem ist: Niemand weiß jetzt, 14 Tage nach Inkrafttreten des Gesetzes, so ganz genau, was eigentlich Sache ist und um was es überhaupt geht. Ständig ist wieder jemand am Telefon, der neue Fakten und Gerüchte kennt: Panik breitet sich aus, weil die Erscheinungstermine aller neuen Hefte auf einmal in Gefahr sind.

So war es früher

Bevor das neue Verfahren vorgestellt wird, soll hier kurz das alte erklärt werden. Bislang mussten alle Heft-CDs von einem Anwalt des Zeitschriftengrossos kontrolliert und für den Handel freigegeben werden. Der Prüfer agierte sehr streng und sorgte dafür, dass keine indizierten Spiele und keine jugendgefährdenden Inhalte auf die CDs kamen. Im Grunde genommen stellte der Mann sicher, dass alle Heft-CDs die Alterseinstufung "Freigegeben ab 16 Jahren" erhielten. Fotos nackter Frauen und Ballerspiele waren erlaubt, aber eben nur im vorgegebenen Rahmen. Wir alle wussten, was der Anwalt passieren lässt und was nicht. Alles ging seinen gewohnten Gang. Auf den Heft-CDs der letzten Jahre gab es eigentlich keine Inhalte, die streng genommen zu beanstanden wären. Dafür sorgte bereits die Selbstzensur der um ihr Image besorgten Verlage, die blutige Ballerspiele gar nicht erst veröffentlichten – oder eben nur in abgemilderten Versionen "ab 16 Jahren".

Wer macht was?

Jetzt ist auf einmal alles anders. Alle Heft-CDs, die Filme oder Spiele enthalten, müssen auf einmal von der USK geprüft werden. Die kümmert sich aber nur um Spiele und Filme, nicht aber um Erotikfotos oder um Lernprogramme, Tools und normale Anwendungen. Wenn die USK also Spiele auf einer CD testet und sie "ab 6 Jahren" freigibt, wer kümmert sich dann eigentlich um die scharfen Bilder auf der gleichen Silberscheibe? Müssen die separat beim altgedienten Anwalt eingereicht werden? Oder werden sie ab sofort nicht mehr geprüft? Anwalt und USK stehen jedenfalls in Konkurrenz zueinander – beide verlangen Geld für die Prüfung. Muss man jetzt zwei Dienstleister bezahlen, um ihre Logos auf die CD aufbringen zu dürfen?

Unterschiede zwischen Sonderheften und Periodika

Das Problem: Einmalig erscheinende Sonderhefte und Periodika werden vom Gesetzgeber völlig unterschiedlich behandelt. Bei beiden Medien müssen komplette Filme und Spiele-Vollversionen immer von der USK geprüft werden. Bei Periodika kann aber die Prüfung von "Auszügen von Computerspielen oder Filmen" entfallen. Das bedeutet: Bei einem einmaligen Sonderheft müssen Shareware-Spiele und Spieledemos von der USK geprüft werden, bei einem Reihentitel aber nicht. Und was ist eigentlich mit Freeware-Spielen? Niemand weiß es, es gehen aber Gerüchte um, dass sie inzwischen auch als Vollversionen gewertet werden.

Schlange stehen bei der USK

Bei der USK stehen die verzweifelten Verlage inzwischen Schlange. Zehn Werktage dauert es, bis ein neuer Titel geprüft ist. Oft ist das viel zu lange, die CDs müssen schließlich so schnell wie möglich ins Presswerk. Außerdem wurden gerade die eh schon happigen Preise für eine Untersuchung verdoppelt. Jetzt bekommt die USK für einen Test bald mehr Geld als die Personen, die die CD zusammengestellt haben.

Wer trägt die Kosten

Während die Verantwortlichen in den Verlagen die Budgets für die Hefte neu kalkulieren, Erscheinungstermine verschieben und einen universellen Bann über alle Spiele und Videos auf einer Heft-CD aussprechen, geht das Chaos munter weiter. Was ist eigentlich mit den alten Remittenden, also den nicht gleich am Kiosk verkauften Heften? Viele Verlage bündeln sie in einem "Pack" und bringen sie dann noch einmal an den Kiosk. Müssen die CDs dieser Hefte auch nachträglich von der USK geprüft werden oder gibt es so etwas wie einen Übergangsschutz? Niemand weiß es.

Der Jugend ist nicht wirklich geholfen

Es wäre schön, wenn neue Gesetze die Sache einfacher und nicht komplizierter machen würden. Zumal der Jugend kein bisschen geholfen wird. Die fischt sich die in Deutschland verbotenen Metzelspiele weiterhin aus dem Internet und verteilt sie dann auf frisch gebrannten CDs auf dem Pausenhof der Schule. Über die Bemühungen des Gesetzgebers, die "bösen" Spiele hinter Schloss und Riegel zu setzen, lacht sich die ach so gefährdete Zielgruppe jedenfalls längst scheckig. Und wir dürfen keine Knobel- und Lernspiele mehr auf die CDs aufbringen, weil der Test durch die USK zu teuer für den Verlag ist.

<a class="link--external" href="mailto:scheibe@typemania.de">Carsten Scheibe</a>

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