Kinder- und Jugendschutz Das Ende von Erotik-Webseiten in Deutschland – was die Sperre von "xHamster" für die anderen Porno-Portale bedeutet

Mann sitzt vor Sex-Webseiten im Internet
Wenige Klicks und schon öffnet sich die Welt der Internet-Erotik: Diese Zeiten könnten bald vorbei sein.
© M-Production / Getty Images
Anbieter von Porno-Webseiten machen bei ihren Besuchern keinen Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen – und genau das muss ein Ende haben, findet die Kommission für Jugendmedienschutz. Was das für die bekanntesten Adressen des Internets bedeutet, erfuhr der stern im Interview mit Dr. Marc Jan Eumann.

Der erste Schritt ist getan, Deutschlands beliebteste Webseite für pornografische Inhalte "xHamster" wird gesperrt – zumindest bei den fünf größten Providern. Technisch wird dies über eine sogenannte DNS-Sperre erreicht, sodass die Eingabe der Seitenadresse zu einem Fehler führt. Erreicht hat das die Kommission für Jugendmedienschutz, die zuvor versucht hatte, mit dem Anbieter eine gütliche Einigung zu finden. 

In diesem Streit geht es nicht generell um den Betrieb von Sex-Webseiten, sondern nur mangelhaften Kinder- und Jugendschutz. Bisher fragen Seiten wie "Pornhub", "Youporn" oder eben "xHamster" bei einem Besuch nur mit einem lieblosen Dialog, ob man volljährig sei – was Besucher:innen durch einen Klick auf "Ja" ohne jeglichen Nachweis bestätigen können. 

Pornos schaden der Entwicklung

Das hat nach Ansicht der Jugendschützer und Medienanstalten zur Folge, dass auch Kinder und Jugendliche viel zu leicht an das explizite Material gelangen können, was laut Experten schädlich für die Entwicklung sein kann. Denn das Bild von menschlicher Sexualität, welches in den Inhalten der Webseiten vermittelt wird, entspricht Untersuchungen zufolge selten der Realität, wird aber bei übermäßigem Konsum von jungen Menschen als "normal" empfunden. 

Das bleibt nicht ohne Folgen, meint Dr. Marc Jan Eumann, Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz: "Wir dürfen dabei die Auswirkungen heutiger Pornos auf die kommende Generation nicht unterschätzen. So kann der Konsum sowohl das Frauenbild sowie die Erwartungshaltung an Sex und Beziehungen von Jugendlichen nachhaltig schädigen. Das Max-Planck-Institut hat sogar herausgefunden, dass häufiger Pornografie-Konsum zu einem kleineren Belohnungssystem im Gehirn führen kann: Menschen stumpfen also ab, wenn sie oft Pornos schauen."

Dr. Marc Jan Eumann
Dr. Marc Jan Eumann: "Wir schützen Kinder, nicht das Geschäftsmodell der Pornoindustrie."
© Land NRW / M. Hermenau

Wie geht es mit Erotik-Webseiten weiter?

Doch was bedeutet die Sperre pornografischer Internetseiten für den Betrieb dieser Angebote in Deutschland? Wird es bald keine Pornos mehr im deutschsprachigen Internet geben? Der stern sprach dazu mit Dr. Eumann und erklärt, wie das Verbot und die nun erfolgten Maßnahmen sich auf das Erotik-Angebot im Web auswirken.

Wann rechnet die KJM mit der Sperrung von xHamster?

Die Bescheide stehen am Ende eines zweijährigen Verfahrens und sind sofort zu vollziehen, sodass wir mit einer baldigen Sperrung des Angebots rechnen. Die Internetanbieterinnen können innerhalb der gesetzlichen Frist Rechtsmittel gegen die Bescheide einlegen. 

Welche Provider sind konkret betroffen? Warum nur die fünf größten?

In einem ersten Schritt wurden die relevantesten Anbieter zur Sperre aufgefordert. So wird eine breite, deutschlandweite Abdeckung gewährleistet und ein möglichst großer Schutz sehr schnell entfaltet. Weitere Entscheidungen folgen.

Verfahren gegen drei weitere Porno-Plattformen

Funktioniert die Argumentation auch für andere Webseiten? Ist mit einer Abschaltung von Pornhub, Youporn und weiteren Auftritten zu rechnen?

Aktuell führen wir gegen drei weitere der relevantesten Porno-Plattformen vergleichbare Verfahren. Ziel unseres Vorgehens ist die gesetzeskonforme Gestaltung von Porno-Seiten, die sich an ein deutsches Publikum richten.

Wie haben die jeweiligen Betreiber bisher reagiert?

Im Fall von xHamster ist man der Aufforderung der KJM, ihr Angebot jugendmedienschutzkonform zu gestalten, nicht nachgekommen. Auch der Host-Provider hat die gegen ihn ausgesprochene Sperrverfügung nicht umgesetzt. Die Sperrverfügungen gegen die Access-Provider – also die Internetanbieter – stellen ein weiteres juristisches Mittel in einem rechtsstaatlichen Verfahren dar und ist für uns der letzte Mittel. 

Welche Form der Altersverifikation hält die KJM für ausreichend? Muss dafür ein Ausweisdokument vorgezeigt oder hochgeladen werden? 

Die KJM hat mittlerweile über 80 Altersverifikationssysteme als geeignet beurteilt. Es gibt also zahlreiche Möglichkeiten für eine gesetzeskonforme Ausgestaltung. Das "AVS-Raster" (PDF) regelt, wie Identifizierung und Authentifizierung aussehen müssen. Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Als Altersprüfung, die unmittelbar vor jeder Nutzung beziehungsweise jedem Zutritt zu einer geschlossenen Benutzergruppe erneut durchgeführt wird ("Einmalschlüssel"), ist zum Beispiel die Nutzung der Altersbestätigung über die eID-Funktion des neuen Personalausweises denkbar. Daneben können – vergleichbar mit der augenscheinlichen Kontrolle in einer Videothek –Verfahren ausreichend sein, die geeignet sind, die Volljährigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit (Plausibilitätsprüfung) festzustellen, etwa Sichtkontrollen durch einen kurzen Video-Chat mit geschultem Personal.

"Gina Wild" alias Michaela Schaffrath
"Gina Wild" alias Michaela Schaffrath
Ex-Pornodarstellerin Gina Wild: Was macht Michaela Schaffrath eigentlich heute?

Soll die Altersprüfung dagegen nur einmal initial erfolgen ("Generalschlüssel"), vonstattengeht die einmalige Identifizierung von Interessent:innen für eine geschlossene Benutzergruppe grundsätzlich durch persönlichen Kontakt. Darunter ist grundsätzlich eine Angesichts-Kontrolle unter Anwesenden ("face-to-face"- Kontrolle) mit Vergleich von amtlichen Ausweisdaten (Personalausweis, Reisepass) zu verstehen. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Verfahren wie "Post-Ident" oder vergleichbaren Verfahren. Möglich ist es auch, unter bestimmten Bedingungen auf eine bereits erfolgte "face-to-face"-Kontrolle zurückzugreifen. 

Von einer Angesichts-Kontrolle unter Anwesenden kann abgesehen werden, wenn die Identifizierung mittels einer Software erfolgt.

Pornos okay, aber eben nur für Erwachsene

Ist die Ära anonymer Erotik-Webseiten im deutschen Internet vorbei?

Die aktuelle Entscheidung der KJM ist ein wichtiges und richtiges Signal den Schutz von Schutzbedürftigen umzusetzen. Das ist unser gesetzlicher Auftrag, das verlangt das Grundgesetz und die UN-Kinderrechtskonvention. Anbieter:innen, die sich an ein deutsches Publikum wenden, müssen den deutschen Kinder- und Jugendschutz beachten. Angebote sind weiter möglich, wenn sie in geschlossenen Benutzer:innengruppen stattfinden.

Was sind die nächsten Schritte der KJM – ganz konkret?

Wir setzen uns dafür ein, dass jugendgefährdende Inhalte nicht frei für Kinder im Netz verfügbar sind. Hartnäckig und mit langem Atem auch über Landesgrenzen hinaus. Das betrifft neben pornografischen Inhalten zum Beispiel auch Hass und Hetze oder Gewalt. Wir kämpfen für ein Netz, in dem Menschenwürde und Jugendschutz gewährleistet sind.

PRODUKTE & TIPPS