Scheibes Kolumne Mal wieder die Festplatte auswuchten

stern.de-Kolumnist Scheibe findet, dass das Computern einfach zu ernst geworden ist. Er erinnert an grandiose Scherzprogramme wie HD-Unwucht und fragt sich, wann wohl endlich Feng Shui 1.0 für Windows erscheinen wird. Zeit wird's.

Damals, in den goldenen DOS-Zeiten, war der Computer echt noch ein großes Mysterium, das es zu erforschen galt - mit dem dicken 1000-Seiten-Handbuch und den neuesten PC-Magazinen auf den Knien. Niemand konnte damals ahnen, wie sehr der PC unser aller Leben verändern sollte. Trotzdem: Das hinderte viele kluge Köpfe nicht daran, den PC nach Kräften zu verscheißern. Nie werde ich die WIN-Kolumne von Ralph Möllers vergessen, in der er davor warnte, dass die Rechtsradikalen Microsoft übernehmen könnten, auf dass es dann nur noch den Rechtsklick gibt und der Linksklick generell verboten wird.

Mehr von Carsten Scheibe

In seiner Freizeit geht Carsten Scheibe golfen - und arbeitet daran, dass der Golfball auf der selben Bahn ankommt, von der er abschlägt. Wenn's mit dem Spielen nicht so gut klappt, schreibt er lieber - für das eigene, kostenfrei in den Golf-Clubs ausliegende Magazin "Mein Golf-Heft". Das gibt's mit allen Artikeln auch im Internet. Natürlich ist der PC auch hier ein Thema.

Kultig und unvergessen war auch das DOS-Programm HD Unwucht, das den Anwendern tatsächlich suggerierte, dass ihre Festplatten ausgewuchtet werden müssen, da sie sonst nicht rund laufen und nur allzu schnell verschleißen. Da laut Software die Einsen der Bits schwerer sind als die Nullen, musste eine entsprechende Umverteilung der Daten vorgenommen werden - wie eine dem Defragmentieren nicht unähnliche Grafik auf dem Bildschirm auch gleich demonstrierte. In besonders schlimmen Fällen platzierte das Tool auch schon einmal die gesammelten Werke von Shakespeare als "schwere Literatur" an einer strategisch wichtigen Stelle auf der Festplatte, um so für ein Gegengewicht zu sorgen. Als "leichte Kost" hätte man dann sicherlich auch die Songtexte von Modern Talking verwenden können.

HD Unwucht stand laut Aussagen der Scherzbetreiber kurz davor, in das Betriebssystem DOS 9.0 aufgenommen zu werden. Aber dann kam ja Windows. Unter Windows wurden die Scherze nun ganz ernsthaft gemacht. Es gab tatsächlich eine Software offiziell im Handel zu kaufen, die ernsthaft vorgab, den RAM-Speicher des Rechners auf virtuelle Weise zu verdoppeln, um so die Geschwindigkeit des Rechners zu potenzieren. Die Anwender kauften das Programm wie verrückt. Bis bei einem Benchmark-Test herauskam, dass die Software rein gar nichts am PC änderte - trotz toller Status-Grafiken und vieler Optionen zum Anklicken. Der erste Software-Placebo war geschaffen. Dass dieser Scherz allerdings herauskam, war sicherlich nicht im Sinne der Erfinder.

Heute ist es ruhig geworden an der Spaßfront. Nix passiert. Wenn es hochkommt, bekommt der Anwender ein paar Spaß-Mails von seinen Freunden zugeschickt oder installiert ein Nonsense-Tool, das die Anzahl der Mausklicks misst. Gibt es denn keine Programmierer mehr, die sich etwas Spaß zutrauen? Nun, ich habe eine Idee. Letztens habe ich einen Freund angerufen - und die Verbindung war richtigmiserabel. Das lag daran, dass seine Frau eine Metallhaube über die Sendestation seines drahtlosen Haustelefons gedeckt hatte, um streng nach Feng Shui böse Strahlungen zu neutralisieren. Das tat die Haube so gut, dass auch das Telefon nicht mehr funktionierte.

Da kam mir die Idee für Feng Shui 1.0. Ein Scherzprogramm für Windows, das dafür sorgt, dass alle Vorgänge am PC nur noch nach Feng Shui durchgeführt werden. Da kann man dann etwa dafür sorgen, dass alle Business-Icons auf dem Bildschirm so weit weg wie möglich vom Tower-Gehäuse entfernt platziert werden - damit das geschäftliche Geschick des Anwenders nicht vom Lüfter eingesaugt und dabei zerhackt wird. Bildschirmschoner mit fließendem Wasser und Wolkenbildern sind Pflicht, um das eigene Karma zu verbessern. Und der Drucker muss im Nachbarraum stehen, weil er sonst die kreative und runde Atmosphäre mit seinen eckigen Formen stören könnte. Wie auch immer: Hier gibt es eine Humor-Baustelle, die dringend beackert werden muss.

PRODUKTE & TIPPS