Scheibes Kolumne Unnütze Witze in der Mail

Stern.de-Mitarbeiter Scheibe würde lieber arbeiten. Aber ständig bellt der Hund seines E-Mail-Programms und verkündet neue Post. Nicht selten handelt es sich bei diesen Botschaften um Witze, lustige Videos und Schabernack-Präsentationen. Was könnte Scheibe alles schaffen, gäbe es diese Mails nicht.

Ist die DSL-Verbindung zusammengebrochen? Mitnichten. Es ist früh morgens, kurz nach acht Uhr, und ich kann genau sehen, wann es meine Bekannte Tini in die Uni geschafft hat. Ich weiß, wann sie ihren Mantel aufgehängt und sich einen Kaffee gemacht, den Computer eingeschaltet und ihre ersten Mails abgerufen hat. Dann bekomme ich nämlich Post von ihr. Große Post. Eine halbe Stunde lang schlagen die Megabyte-Bomben wie Geschosse auf meiner Festplatte auf.

Und obwohl ich nicht anders kann, muss ich sie mir alle anschauen. Da ist zunächst eine Powerpoint-Präsentation dabei, die aufzeigt, warum Frauen nie Lust auf Sex haben. Das ist komisch, vor allem deswegen, weil es so wahr ist. Dann gibt es eine Bilderserie mit gepiercten Männern - wobei alle Piercings in einem ganz bestimmten Körperteil stecken. Das tut dem männlichen Betrachter schon vom Hinsehen weh. Eine weitere Powerpoint-Präsentation zeigt Dutzende Cartoons von Uli Stein. Lustig. Aber findet Uli Stein das auch witzig? Der guckt auf seinen Fotos immer so grimmig. Ich kenne das Foto, weil ich seine Bücher "in echt" in meinem Schrank zu stehen habe.

Fernsehen kann ich selber

Ärgerlich bin ich dann doch Tini. Da schickt die mir glatt einen Film von „Verstehen Sie Spaß“. Zehn Megabyte rauschen da durch die Leitung. Und dann sehe ich so einen spaßfreien Scherz, den ich schon im Fernsehen immer wegklemme. Ich maile ihr zurück, dass sie mir bitte nichts mehr schickt, was auch im TV läuft. Darauf kann ich verzichten.

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Inzwischen ist es schon wieder neun Uhr. Das weiß ich genau, weil jetzt Conny online geht. Die arbeitet in der Presseabteilung einer deutschen Spieleschmiede. Sie schickt mir den neuesten Schwung Fun-Dateien zu, bestimmt 20 oder 30 Megabyte insgesamt. Da lädt eine Firma X mich via Powerpoint-Präsentation zu einer tollen Weihnachtsfeier mit leckeren Bikinihasen in die Südsee ein. Angesichts der idyllischen Bilder kommt man ja schon ins Träumen. Es folgen männerfeindliche Textwitze und ein Schwung kleiner Videos mit den besten Werbefilmchen aus anderen Ländern. Gut sind die 30 Fun-JPGs, die unsichere Arbeitsbedingungen auf einem Foto festhalten. Da gibt es wirklich Menschen, die stapeln mehrere Gabelstapler übereinander, um auf diese Weise gewisse Höhen zu überwinden.

Auch Conny hat zumindest per Mail keine Probleme mit dem Sex. Eine Präsentation zeigt Zwillinge, seit der Geburt getrennt. Links sind ganz dünne halbnackte Frauen zu sehen, die sexy posieren, rechts daneben extreme Dickerchen in genau der gleichen Pose. Da hat sich jemand aber mächtig Mühe gemacht, diese Bilder zusammenzusuchen.

Nur das Beste wird weitergeleitet

Ich verteile die besten Dateien munter weiter, während ich alle miesen Beiträge gleich lösche. Es gibt mehrere Verteiler, an die ich meine Spaßdateien schicke. Kleine Dateien gehen an alle, größere nur an die, die auch wirklich Freude daran haben und die noch dazu in der Lage sind, die virtuelle Gaudi per DSL abzugreifen. Aufpassen muss ich nur, dass keine Kinder unter den Empfängern sind. Denn während wir Erwachsenen predigen, immer hübsch redlich zu sein, nicht zu lästern und vor allen Dingen tolerant zu sein, machen wir uns via Mail über Dicke, Hässliche und sexuell Frustrierte lustig. Und so habe auch ich keine Hemmungen, die PDF-Datei weiterzuleiten, die eine Frau fortan ausfüllen und sich von ihrem Mann abstempeln lassen muss, wenn sie das Haus verlassen möchte, um sich mit ihrer Freundin zu treffen. Und die Fotos zum Thema "Frauen und Auto" schicke ich gleich hämisch lachend hinterher.

Es muss Schluss sein... irgendwann

Gut, ich schäme mich. Vor allem deswegen, weil nun schon wieder der halbe Vormittag vergeudet ist und ich noch nichts Wichtiges weggeschafft habe. Ich muss dringend damit aufhören, diese Spaßmails zu empfangen und auch zu versenden. Allein der volkswirtschaftliche Schaden ist unglaublich. Morgen höre ich auf. Spätestens übermorgen. Oder ich nehme es mir als Vorsatz fürs kommende Jahr vor. Oder fürs übernächste.

Jetzt muss ich aber Schluss machen. Es ist 17 Uhr, und meine Bekannte Bärbel kommt nach Hause, um hier ihre privaten Mails durchzusehen. Sie wissen schon, woran ich das merke, oder?

Eine Glosse von Carsten Scheibe, Typemania

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