Scheibes Kolumne Virtuelle Mutti

Immer mehr Frauen finden sich am Computer ein, um mit langen Fingernägeln auf der Maus herumzuklimpern. Ist das gut oder ist das bereits der Untergang des Abendlandes? Frauenversteher Carsten Scheibe hat die Antennen ausgefahren.

Im Internet entstehen immer mehr Spieleportale wie Deutschland-spielt.de (www.deutschland-spielt.de) oder GamePueblo.de (www.gamepueblo.de). Sie bieten kurzweilige "Casual Games" an, die sich nach dem Herunterladen sofort starten und spielen lassen. Die Lektüre eines Handbuchs kann dabei komplett entfallen. Eine Studie von GamePueblo brachte es an den Tag: Über 70 Prozent der Spieler, die sich die online angebotenen Mittagspausenspiele herunterladen, sind weiblich und dann auch noch über 30 Jahre alt.

Das bedeutet für die Kids: Macht mal den Stuhl frei, Mama will auch mal an den PC. Sie spielt dann Spiele wie "Cake Mania", in denen es etwa darum geht, ganz schnell per Mausklick einen Kuchen zu backen und ihn einem wartenden Gast zu kredenzen.

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Erste komplette Frauen-Simulation ist nicht mehr weit

Ist das die Zukunft? Die Aliens aus den Ballerspielen dürfen wieder nach Hause fliegen, die Monster aus den Rollenspiele trollen sich in den Zauberwald und die Panzer aus den Echtzeit-Strategiespielen verrosten, weil sie nicht mehr über den Bildschirm bewegt werden? Fast hat es so den Anschein. Die Spiele, mit denen Deutschland-spielt.de und GamePueblo so viele Frauen ködern, haben mit Gewalt in verbaler oder körperlicher Form rein gar nichts mehr zu tun. In den Spielen, die zwischen 9 und 19 Euro kosten, geht es stattdessen darum, drei gleichfarbige Weihnachtsgeschenke in eine Reihe zu bekommen, bunte Tangram-Mosaike zu legen oder dem angestaubten Klassiker Tetris neues Leben einzuhauchen. Als aggressiv gilt es in diesem Markt bereits, eine animierte Schlange aus bunten Kugeln zu zerrupfen, indem man neue Kugeln in die Kette hineinschießt.

Spiele wie "Cake Mania" bringen mehr Leben und Realismus in die Frauen-Spiele. Längst gibt es ähnliche Simulationen, in denen die Spieler eine Bar im Wilden Westen führen, Limonade an einem Stand verkaufen oder aber Kaffee in einem Coffee-Shop anrühren müssen. Zieht man die Gerade im Kopf weiter, so wird es nicht mehr lange dauern, bis die erste komplette Frauen-Simulation auftaucht, in der es einzig und alleine darum geht, die Kinder zu erziehen, das Haus zu putzen oder den Mann anzumeckern. Schon jetzt haben viele Männer, die sich keinen eigenen Toast buttern können, Angst davor, dass ihre Frauen nur noch virtuell in der Bude wienern und all diese Aufgaben im wahren Leben an Mann und Kinder delegieren.

"Habt ihr euch auch schon die Hände gewaschen?"

Und wie geht es weiter? Übernehmen dann die Frauen auch immer mehr Jobs bei der Entwicklung neuer Software? Man stelle sich ein neues Windows-System vor, das von Müttern über 30 programmiert wurde. Dann wird die Benutzerverwaltung gleich an ein Erziehungsprogramm gekoppelt. Kinder werden dann beim Log-in gefragt: "Habt ihr euch auch schon die Hände gewaschen?" Und die Ehemänner lesen auf dem Bildschirm: "Erst die Arbeit, dann das Vergnügen" - zusammen mit der Liste der aktuellen ToDos, etwa Müll rausbringen.

Eine Dystopie? Ja, noch. Aber GamePueblo.de und Deutschland-spielt.de sind Schuld daran, dass es nicht mehr lange dauert, bis sie Wirklichkeit wird. Carsten Scheibe, Typemania

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Carsten Scheibe

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