Social Media Der Tiktok-Trend Kia Boyz sorgte für zehntausende Autodiebstähle – jetzt wurde der erste Teenager verurteilt

Ein USB-Kabel steckt in der Zündung eines Fahrzeugs der Marke Kia
Der Tiktok-Nutzer "dh_dingers" demonstriert in einem Video, wie einfach es ist, einen Kia zu starten. Laut seiner Aussage reicht es, unter der Verkleidung ein USB-Kabel anzustecken und damit das Fahrzeug zu starten.
© https://www.tiktok.com/@dh_dingers/video/7125610552042278149
Sie stehlen innerhalb von Minuten Autos und rasen durch die Stadt. Die sogenannten Kia Boyz sorgen bei Tiktok für Furore. Nun hat die irre Diebstahlserie gleich mehrfach rechtliche Folgen.

Ein roter Hyundai ballert durch die enge Seitenstraße. "Das waren mindestens Tempo 100", freut sich ein jugendlicher Zuschauer. Als er mit quietschenden Reifen abbiegt, kracht der Wagen mit dem Heck gegen ein Straßenschild, die Front verpasst haarscharf einen Hydranten. Dann rast er davon. So zu sehen in einem viralen Youtube-Video. Für den Fahrer hat die Spritztour im gestohlenen Wagen nun rechtliche Folgen. Doch das Problem ist größer.

Seit Ende 2021 gehen in sozialen Netzwerken und vor allem bei Tiktok die sogenannten Kia Boyz (auch Kia Boys) viral. Das Prinzip ist stets das Gleiche: Mit einfachsten Mitteln knacken die meist sehr jungen Akteure Wagen von Hyundai und dessen Tochtermarke Kia. Und rasen dann mit ihnen in hochriskanten Manövern durch die Stadt – inklusive Verfolgungsjagden und meist in einem Crash endend. Immer wieder gibt es wegen der gefährlichen Fahrten Totalschäden, Verletzte und sogar Todesopfer.

Riesige Welle an Autodiebstählen

Zehntausende Autos wurden in Folge der Viralvideos in den letzten Jahren gestohlen. Die Videos haben einen spürbaren Effekt, warnt etwa die Polizei von Milwaukee. Demnach wurden 2019 in der im Bundesstaat Wisconsin liegenden Stadt insgesamt 3500 Autos gestohlen, der addierte Anteil von Hyundai und Kia lag nur bei etwa sechs Prozent. 2021 waren es über 10.000 – und der Anteil beiden Marken war auf 67 Prozent gestiegen. Nach Angaben von "The Verge" sollen 2022 schon bis November über 8000 Wagen gestohlen worden sein. Auch diesmal mit großem Vorsprung Wagen der beiden Hyundai-Marken. Auch in New York und Philadelphia haben sich die Diebstähle der beiden Automarken verfünffacht.

Dass die Diebe es vor allem auf die beiden Marken abgesehen haben, ist kein Zufall – sondern einer der wichtigsten Faktoren des verstörenden Trends. Der entstand nur, weil einige Teenager einen schockierend einfachen Weg entdeckten, zwischen 2011 und 2021 hergestellte Modelle der Marken zu knacken. Dazu reicht es aus, die Lenkradkonsole zu öffnen und einen Gegenstand in die Zündöffnung zu stecken. Zufällig passt ein klassischer USB-Stecker perfekt. Weil die Wagen keine elektrische Wegfahrsperre besitzen, lassen sie sich dann starten. Sobald diese Info im Netz ankam, fanden sich rasant Nachahmer. Die Kia-Boys-Challenge ging viral.

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Ein Jahr Haft für minderjährigen Kia Boy

Am Mittwoch wurde der erste nun verurteilt. Markell H. hatte gestanden, im Alter von 17 Jahren einen Wagen gestohlen und damit durch die Stadt gebrettert zu sein. Dabei sei er auch auf Privatgrundstücke gedriftet, habe fast zwei Passanten überfahren. Er wurde nun wegen zwei schwerer Straftaten verurteilt, muss drei Jahre unter besonderer Beobachtung leben. Die Haftstrafe von einem Jahr hat er bereits abgesessen: Weil er bereits ein Jahr in Untersuchungshaft saß, wurde das mit der Strafe verrechnet.

Dass seine Tat auf Video festgehalten wurde, war reiner Zufall: Der Youtuber Tommy Gerszewski hatte gerade eine Dokumentation zu Kia Boyz gedreht und auf der Straße einige von ihnen interviewt, als H vorbeifuhr. In dem Clip geben sich seine jugendlichen Gesprächspartner uneinsichtig, einer berichtet von Freunden, die schon "Hunderte" Autos geknackt hätten. Die Vertreter der älteren Generation stehen indes fassungslos daneben.

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Hyundai zahlt Millionenvergleich

Rechtliche Folgen hatte die irre Viral-Challenge indes nicht nur für die jungen Täter. Auch Hyundai wurde im Frühjahr von einem New Yorker Gericht wegen der fehlenden Sicherheitsmaßnahmen verklagt. Der Konzern legte die Klage in einem Vergleich bei, muss nun 200 Millionen Dollar zahlen, wobei 145 Millionen davon als Schadensersatz für die Opfer der Diebstahlserie eingeplant sind. Um weitere Diebstähle schwerer zu machen, hat das Unternehmen bereits ein Software-Update für einige Wagen bereit gestellt, auch ein kostenloser Tausch der Schlösser wurde angeboten.

Der Ruf der Autohersteller dürfte indes nachhaltig gelitten haben. "Wenn du einen Kia oder Hyundai fährst, wird er gestohlen werden", fasst einer der Interviewten in der Dokumentation die Wahrnehmung der Öffentlichkeit zusammen. Selbst in Rapsongs taucht das Thema mittlerweile auf. "Wenn ich einen Kia sehe – nehme ich ihn einfach", reimt Rapper Marry Mac in "Shake yo Nay Nay". Es ist die erste Zeile des Songs.

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