Ein Taxi fährt an den Straßenrand, gerufen mit der zugehörigen App. Doch statt vom Fahrer begrüßt zu werden, schauen die Fahrgäste nur auf einen leeren Vordersitz. Was hierzulande nach Science Fiction klingt, ist in San Francisco seit einigen Jahren Realität: Mit Waymo und Cruise konkurrierten gleich zwei Unternehmen darum, die Fahräste autonom durch die Stadt zu kutschieren. Doch San Francisco hat genug von den dadurch entstehenden Problemen.
Das geht aus einem Brief der Stadtverwaltung hervor. Die für den öffentlichen Personenverkehr zuständigen Beamten wenden sich an die kalifornischen Gesetzgeber. Und fordern sie dazu auf, der stetigen Expansion der Roboter-Taxis in der Stadt Einhalt zu gebieten.
Taxis ohne Fahrer
Die haben sich langsam aber sicher in der Stadt ausgebreitet. Begonnen hatte die zu General Motors gehörende Firma Cruise mit 30 Wagen. Die durften zu Beginn nur zeitlich begrenzt autonom fahren: Zwischen 22 und 6 Uhr musste kein Fahrer den Wagen begleiten. Also dann, wenn auf den Straßen am wenigsten los ist. Mittlerweile gibt es aber eine Genehmigung, diese Zeiten auszuweiten. Es fehlt nur noch das endgültige Okay der Kalifornischen Verkehrsbehörde.
Das will die Stadtverwaltung allerdings ausbremsen. "Wir bevorzugen ein langsames Ausrollen mit schrittweisen Erweiterungen statt einer unbegrenzten Erlaubnis", schrieben drei Bedienstete der Stadt letzte Woche in dem oben genannten Brief über den Cruise-Antrag. Ein zweiter Brief bezog sich mit derselben Forderung auf den Konkurrenten Waymo.

Nicht ohne Probleme
Dass die Stadt es lieber langsamer angehen lassen will, liegt an den durchaus bestehenden Problemen mit den selbstfahrenden Taxen. Im Sommer etwa waren fast 20 Cruise-Taxen im Nachtbetrieb auf einen Schlag einfach stehen geblieben und hatten den Verkehr in Teilen der Stadt zum Stillstand gebracht. Schuld war ein Problem mit dem Steuer-Server, hier erfahren Sie mehr über den skurrilen Vorfall.
Seitdem gab es immer wieder Probleme. Eine Gruppe von Cruise-Taxis machte im September eine Straße so unpassierbar, dass ein Bus mit 45 Passagieren festhing. Eines der Taxen versuchte sich bei anderer Gelegenheit einer Kontrolle durch die Polizei zu entziehen - indem es einfach vor den Polizisten davonfuhr. Nur um 50 Meter weiter doch wieder stehenzubleiben. Videos der Vorfälle zeigen die Reaktionen der Passanten auf die Taxen. Sie fallen überwiegend negativ und hämisch aus.
Das zu Googles Mutterkonzern Alphabet gehörende Waymo hat bislang weniger Probleme. Was vor allem daran liegen dürfte, dass seine Taxis zwar autonom durch die Stadt fahren, aber aus Sicherheitsgründen trotzdem stets ein menschlicher Fahrer hinter dem Steuer sitzt, um eingreifen zu können. So lassen sich die vorkommenden Ausfälle ohne großes Aufheben lösen.
Lieber nichts überhasten
Wohl auch, um die Akzeptanz der Bevölkerung zu erhöhen, wollen die Behörden der Stadt lieber nichts überstürzen. Die Taxis sollen weiterhin nicht alleine direkt im Stadtzentrum fahren dürfen, auch die Rush Hour zum Start und Ende des Arbeitstages soll weiter von menschlichen Fahrern bestritten werden. Zudem fordert die Stadt mehr Zugang zu den internen Daten der Betreiber, um die Fehleranfälligkeit der selbstfahrenden Wagen besser bewerten zu können.
Das ist durchaus auch eine politische Entscheidung. San Francisco hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum nächsten Jahr die Zahl der Verkehrstoten auf Null zu senken. Davon ist man bisher noch weit entfernt – und bewegt sich sogar in die falsche Richtung. Als das Ziel 2014 beschlossen wurde, hatte es in dem Jahr noch 31 Tote durch Verkehrsunfälle gegeben. 2022 waren es 37.
Risikofaktor Mensch
Auch wenn die beiden Taxi-Unternehmen Cruise und Waymo bisher keine tödlichen Unfälle verursacht haben, werden sie durchaus als Gefahrenquelle wahrgenommen. Obwohl die Software der selbstfahrenden Wagen in der Theorie sicherer und zuverlässiger fahren sollte als ein menschlicher Fahrer, tut sie es in der Praxis oft nicht. Das liegt vor allem am Faktor Mensch, der für die künstliche Intelligenz schwer zu lesen ist.
Weil die KI hinter dem Steuer in der Regel mit sehr klaren Regeln trainiert wird, kann sie mit den oft chaotischer agierenden menschlichen Verkehrsteilnehmern schlechter umgehen, argumentiert der Brief. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Menschen durch den fehlenden Fahrer schlicht irritiert sind. "Sie können andere Fahrzeuge zu gefährlichen, abrupten Fahrbahnwechseln bringen, plötzlich abbremsen oder beschleunigen. Oder in die Fahrradspur kommen", erklären die Beamten ihre Sorge.

Das macht die Situation etwas paradox: Um wirklich fahren üben zu können, müssten die Wagen am Verkehr teilnehmen dürfen. Solange die Mehrzahl der Verkehrsteilnehmer aus Menschen besteht, ist die Gefahr von Unfällen aber größer. Gleichzeitig wird es immer unwahrscheinlicher, dass es eine vollständige Automatisierung gibt – weil mit der Zahl der Roboter-Autos noch auch die Gefahr der durch sie entstehenden Unfälle steigt. Und damit ihr Ruf leidet. Das langsame Herantasten San Franciscos erscheint da ein sehr vernünftiger Ansatz,
Für den US-Verkehrsminister Pete Buttigieg führt trotz der Risiken auf Dauer kein Weg an selbstfahrenden Autos vorbei. Das bekräftigte er im Herbst gegenüber "Quartz". "Ich finde es schwer, mir vorzustellen, wie sie noch schlechter fahren sollen als Menschen", sagte er in Bezug auf zukünftig sicher fahrende autonome Autos. "Menschliche Fahrer sind nicht nur ein Problem. Sie sind mörderisch."
Quellen:Brief der Verkehrsbehörde San Francisco , SF Gate, Quartz, NBC