Leere Innenstädte, volle Versandlager: Seit Jahren verschiebt sich der Handel immer mehr ins Netz. Dass wir soviel online kaufen, liegt aber nicht nur daran, dass es oft bequemer und günstiger ist, als von Laden zu Laden laufen zu müssen, um das richtige Angebot zu finden. Die vielen Shopping-Webseiten schubsen uns auch subtil dazu, mehr bei ihnen zu kaufen.
Dabei machen sie sich psychologische Tricks zunutze, die Experten als Dark Patterns bezeichnen. Vereinfacht gesagt nutzen diese aus, dass Menschen Situationen und verfügbare Informationen unbewusst auf bestimmte Arten verarbeiten und bewerten. Und manipulieren diese Bewertung dann bewusst. Das passiert auf Webseiten im großen Stil, zeigte eine Studie der Elite-Uni Princeton aus dem letzten Jahr.
Dunkle Muster überall
Einige Varianten von Dark Patterns sind wohl jedem Internetnutzer schon untergekommen. Buttons etwa, die geklickt werden sollen, sind prominent hervorgehoben, unerwünschte Optionen dagegen werden vermeintlich ausgegraut. Obwohl die Buttons natürlich funktionieren würden. So lotsen die Betreiber die Nutzer auf die gewünschten Interaktionen.
Der Großteil der Dark Patterns macht sich klassische psychologische Denkmuster zu Nutze. So fällt es den meisten Menschen schwer, sich vollkommen von einem ersten Eindruck zu lösen. Dieser Ankereffekt lässt sich nutzen, um zukünftige Erwartungen zu beeinflussen. Auch, dass viele Nutzer Produkte lieber kaufen, die auch andere gekauft haben, oder dass Menschen gerne die Voreinstellungen beibehalten, lässt sich wunderbar ausnutzen.
Nicht nur online zu finden
Dark Patterns finden sich natürlich nicht nur im Online-Handel. Auch im Supermarkt werden einem die teureren Produkte meist auf Augenhöhe präsentiert, während uns der Griff nach den günstigeren zum Bücken zwingt. Trotzdem sehen die Forscher einen entscheidenden Unterschied. "Anders als klassische Ladengeschäfte können Online-Shops Nutzerdaten auswerten und sammeln, die Interaktionen mit den einzelnen Nutzern gestalten und sie proaktiv ansprechen", so die Studie. Das beinhaltet etwa, einzelne Nutzer darauf hinzuweisen, dass ein Produkt, das sie einmal betrachtet hatten, nun günstiger zu bekommen ist.

Auch bei der Gestaltung der einzelnen Produktseiten haben die Online-Shops mehr Möglichkeiten. Demnach lässt sich bei vielen Menschen durch ein Gefühl der Knappheit oder der besonderen Beliebtheit eines Produkts ein höherer Kaufanreiz auslösen. Die Folge hat jeder Online-Shopper schon einmal gesehen: In vielen Shops findet sich neben dem Produkt ein Hinweis, dass es nur noch wenige Exemplare gibt, bei manchen steht gar eine konkrete Zahl. Andere Shops weisen darauf hin, dass andere Nutzer gerade dieselbe Produktseite betrachten oder es sogar bereits in den Einkaufswagen gepackt haben. Das muss nicht immer stimmen, zeigt die Studie: Die in vielen Shops gezeigten Zahlen seien willkürlich generiert, zeigte die automatische Untersuchung. Sie lassen also keinen Schluss auf die tatsächliche Verfügbarkeit oder das Verhalten anderer Nutzer zu.
Die Forscher unterschieden in ihrer Studie fünf generelle Typen von Dark Patterns in Online-Shops:
- Asymmetrie: Eine Option wird gegenüber einer anderen deutlich hervorgehoben. Hier kann es sich um farbliche Hervorhebung der gewünschten Option gegenüber einer schlechter sichtbaren Alternative handeln. Oder auch mit unterschiedlichen Schriftgrößen gearbeitet werden.
- Unterjubeln: Das Interface leitet Nutzer auf bestimmte Kaufvarianten. Ein Beispiel sind zusätzliche Optionen, die nur dazu dienen, die eigentlich gewünschte besser aussehen zu lassen. Die teure Luxusedition eines Produkts soll sich etwa nicht unbedingt verkaufen - sondern nur die anderen Varianten im Vergleich günstiger aussehen lassen.
- Trügerisches Vorgehen: Oft sollen Elemente den Nutzer unter Druck setzen, indem sie ihm einen falschen Eindruck hinterlassen. Als Beispiel nennen die Wissenschaftler Timer, die vermeintlich das Ablaufen eines Rabatts zeigen sollen. Lädt man die Seite neu, startet allerdings auch der Timer von vorne, der Rabatt ist nur vorgeblich zeitlich begrenzt. Auch vermeintliche Knappheit wie eine Anzeige eines geringen verbliebenen Vorrates fällt in diese Kategorie.
- Versteckte Informationen: Oft verschleiern oder verzögern Webseiten bewusst zusätzliche Informationen, die eigentlich für die Kaufentscheidung notwendig wären. Ein Beispiel sind zusätzliche Kosten, etwa in Form von Versandkosten, Gebühren für Zahlungsarten oder Service-Gebühren, die erst zu einem späteren Zeitpunkt des Kaufprozesses auftauchen.
- Einschränkung: Manche Shops beschränken bewusst die Optionen der Nutzer, bieten etwa nur den Login mit existierenden Accounts von anderen Diensten an. So zwingen Shops die Nutzer, zusätzliche Informationen über sich freizugeben, wenn sie fortfahren wollen.
Weit verbreitet - vor allem bei den Großen
Den Forschern ging es bei der Suche weniger darum, sich theoretische Dark Patterns auszudenken. Sie wollten nachweisen, dass diese wirklich auf Webseiten genutzt werden. Und tatsächlich: In einer automatisierten Abfrage von etwa 11.000 großen Shoppingseiten konnten sie auf 1254 der Seiten mehr als 1818 Beispiele für Dark Patterns aufstöbern. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass mit der Automatisierung längst nicht alle Varianten gefunden wurden - die eigentliche Zahl also noch deutlich höher liegt. Interessant: Je beliebter eine Webseite, desto größer war auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie die psychologischen Tricks einsetzte.
Dark Patterns finden sich allerdings nicht nur in Shopping-Seiten, sondern auch in zahlreichen anderen Bereichen. Versteckte Kosten im Kleingedruckten gehören ebenso dazu, wie bewusst missverständliche Sätze in Verträgen, oder die Option, in Games nervige Level gegen Geld zu überspringen. Auch viele Betrugsmaschen bedienen sich dieser Tricks, weshalb auch viele Dark Patterns längst gesetzlich verboten sind.
Nicht nur beim Shopping wird manipuliert. Die Privatsphäre-Einstellungen bei Facebook galten dem US-Datenschutzverein EFF sogar so sehr als Extrembeispiel, dass sie eine eigene Dark-Pattern-Variante nach ihm benannten. Bringt man seine Kunden durch vermeintliche Datenschutzoptionen dazu, noch mehr Daten preiszugeben, handelt es sich dabei frei nach Facebook-Chef Mark Zuckerberg um "Privacy Zucking".
Dass sich die Dark Patterns auch anders herum nutzen lassen, zeigte gerade die Corona-Krise. Weil Amazon in den USA mit dem Ausliefern der Bestellungen nicht mehr hinterherkam, entschied sich der Konzern laut dem "Wall Street Journal", die Zahl der Bestellungen zu senken. Die Folge: Die Kunden bekamen erstmals mehr Optionen vorgesetzt, die den Kaufanreiz verringern sollten, statt ihn zu vergrößern.
Quelle:Princeton-Studie