Mehr Ladezeit für Facebook Elon Musks Kleinkrieg geht weiter: Twitter bremst Webseiten aus, die der Chef nicht mag

Elon Musk benennt Twitter um
Seit kurzem wurde Twitter von Elon Musk in X umgetauft
© NurPhoto / Imago Images
Seit der Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter versucht Elon Musk, diesen als große Plattform der Meinungsfreiheit zu verkaufen. Doch das galt eine Weile offenbar nicht unbedingt für Seiten, mit denen der Chef gerade Streit hatte. Kurzzeitig wurden diese nur mit Verzögerung geöffnet.

Es ist das große Mantra seit der Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter, seit kurzem bekannt als X: Der Dienst solle der weltweite Marktplatz der Meinungen werden, anders als die Konkurrenten werde man Meinungsäußerungen dort nicht einschränken, verkündete Neubesitzer Elon Musk immer wieder. Nun wurde entdeckt: Einige Seiten wurden von X nur verzögert angesteuert. Und zwar nur solche, mit denen Musk gerade Ärger hatte.

Konkret geht es um Seiten, auf die in X-Posts verlinkt wird. Links, die zu Zeitungen wie der "New York Times", zu Konkurrenten wie Facebook und einigen anderen Seiten führten, öffneten sich nicht sofort, sondern erst nach einer Verzögerung von knapp fünf Sekunden. Das entdeckten zuerst Nutzer des Hackerforums "Hacker News". Mindestens seit dem 4. August ließ sich das Vorgehen demnach beobachten. Auch die "Washington Post" entdeckte eine ganze Reihe von Seiten, die von der Verzögerung betroffen sind. Alle haben eines gemeinsam: Sie wurden in jüngster Zeit von X-Besitzer Elon Musk namentlich attackiert.

Musks Gegner im Visier

Betroffen waren demnach etwa zahlreiche Nachrichtenseiten wie "CNN", die Nachrichtenagentur "Reuters", aber auch Konkurrenten wie Facebook, Instagram und Bluesky. Über alle von ihnen hatte sich Musk in jüngster Zeit öffentlich aufgeregt. Andere Seiten wie die "Washington Post" selbst, "Fox News" und selbst einige Konkurrenten wie Mastodon oder Youtube waren demnach nicht von den messbaren Verzögerungen betroffen. Da X keine Presseabteilung mehr betreibt, bleiben Bitten um Stellungnahmen unbeantwortet. Auch Elon Musk reagierte bisher nicht auf Anfragen.

Dass es sich um einen Fehler handelt, ist eher unwahrscheinlich. Die Verzögerung wurde von mehreren Mitgliedern von "Hacker News" nachgemessen. Sie betrifft ausschließlich Seiten, die von Musk attackiert worden waren. Am 4. August – also als die Sperre gegen die "Times" zuerst beobachtet worden war – hatte Musk diese wegen eines Artikels über die Apartheid in seinem Heimatland Südafrika attackiert – und sogar zum Kündigen der Abos aufgerufen. Ein weiteres starkes Indiz: Nur kürzeste Zeit nach dem Erscheinen der ersten Artikel über die Verzögerung war diese plötzlich verschwunden. "Ich glaube, mit der Berichterstattung  hat X die Verzögerung abgeschaltet", wundert sich einer der "Hacker News"-Nutzer. "Ich konnte sie vorher immer wieder reproduzieren, jetzt geht es nicht mehr."

Verzögerung mit Folgen

Auch wenn fünf Sekunden Ladezeit nicht nach viel klingen, ist der Effekt durchaus spürbar. Öffnen sich alle anderen Seiten nahezu verzögerungsfrei, wirkt jede Wartezeit wie Zeitverschwendung oder ein Fehler. Eine Google-Untersuchung hatte bereits 2016 herausgefunden, dass Internet-Nutzer:innen Webseiten einfach wieder schließen, wenn sie mehr als drei Sekunden Ladezeit benötigen. Seit Jahren optimieren Webseiten und Nachrichtenmedien gezielt die Ladezeit, um das zu verhindern. Die nun bei X beobachtete Verzögerung dürfte die betroffenen Seiten also durchaus einige Besuche gekostet haben.

Technisch basiert sie auf dem von X betriebenen Link-Kürzungs-Dienst TinyURL. Postet man bei dem Kurznachrichtendienst einen Link, wird dieser automatisch auf wenige Zeichen reduziert. Klickt man den Kurzlink an, führt er im Normalbetrieb trotzdem ohne spürbare Verzögerung zum Ziel.

"Besorgniserregend"

Auch bei den Betroffenen war der Fehler bereits entdeckt worden. "Wir haben bereits ähnliche Beobachtungen gemacht", sagte ein Sprecher der "Times" gegenüber der "Washington Post". "Wir kennen zwar nicht das Rational hinter der Umsetzung. Ein gezieltes Aufbauen von Druck auf Nachrichtenmedien wäre aber besorgniserregend." Auch die ebenfalls betroffene Blogseite "Substack" äußerte sich in diese Richtung. "Wir haben 'Substack' gezielt als Reaktion auf derartige Manipulationen durch die Social-Media-Firmen gegründet", klagten die Gründer in einem Statement gegenüber der Zeitung.

Dass Musk gegen ungenehme Nachrichtenmedien und Konkurrenten vorgeht, ist keine neue Entwicklung. Unter dem selbstersannten "Absolutisten der Meinungsfreiheit" wurde etablierten Medien die Verifizierung entzogen und ein Account gesperrt, der die öffentlich einsehbaren Flüge seines Privatjets verfolgte. Konkurrenzseiten wie Mastodon wurden als "unsicher" markiert, wer auf seinem Profil dort verlinkte, konnte gesperrt werden. Das Gegenteil geschah bei Medien und Nutzern, die Musk politisch gelegen waren: Unzählige ehemals gesperrte Accounts aus dem rechten Spektrum wurden unter Musk wieder freigeschaltet. Dem geschassten "Fox News"-Moderator Tucker Carlson bot Musk gar eine ganz neue Bühne. Seine Sendung läuft nun exklusiv bei X.

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