Wenn Sheri Turner die Sehnsucht nach ihrer verstorbenen Mutter überkommt, geht sie nicht auf den Friedhof. Die US-Amerikanerin ruft dann die Seite von Google Maps auf und sucht bei dem Online-Kartendienst nach dem Haus, in dem sie aufgewachsen ist. Dort ist in der Street-View-Ansicht ein Bild aus dem Jahr 2009 abgespeichert.
In Turner löst das viele Erinnerungen aus: "In ihrem Schlafzimmer brennt noch Licht. Es ist immer noch ihr Haus, sie lebt noch, ich besuche sie immer noch alle paar Monate", schreibt sie in einem Tweet, der mittlerweile zehntausende Mal geteilt worden ist. "Es gibt noch keine Pandemie, keine anderen Tode, keine unentdeckten Krankheiten." Google Maps ist für Sheri Turner ein wichtiges Instrument, um die Erinnerung an ihre Mutter wachzuhalten und ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen.
Internetuser finden Bilder von Angehörigen
Die Autorin aus den USA ist nicht die einzige, die sich auf diese Weise geliebten Personen verbunden fühlt. Ab 2007 erweiterte Google den Kartendienst Maps sukzessive um das damals nicht unumstrittene Google Street View. Mit Kameras ausgestattete Autos nahmen Bilder von Straßen und Häusern auf, die dann online abrufbar waren. In Deutschland wurden aus Datenschutzgründen nur Großstädte erfasst. Andere Länder hingegen lassen sich fast vollständig via Street View erkunden. Und vielerorts sind nicht nur Straßen, Autos und Gebäude zu sehen, sondern auch Menschen und Tiere, die in einem Alltagsmoment festgehalten wurden.
Internetuser machen sich seit längerer Zeit einen Spaß daraus, kuriose Schnappschüsse auf Google Street View zu entdecken oder Bekannte ausfindig zu machen. Für einige aber haben die Bilder auf dem Google-Dienst eine besondere Bedeutung. Sie finden dort mittlerweile verstorbene Angehörige wieder und fühlen sich ihnen auf diesem Wege nahe – indem sie sie immer wieder in diesen scheinbar zufälligen Augenblick ihres Leben beobachten. Zwar macht Google mittels einer Software die meisten Gesichter automatisch unkenntlich, Nahestehende können die abgebildeten Personen oft dennoch erkennen.
Sechs Bücher für ein würdevolles Sterben

Mein Umgang mit dem Tod. Für ein erfülltes Leben
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Google Maps als Familienalbum
"Mein Vater ist im vergangenen Jahr an Krebs gestorben", schreibt eine Frau, die ein Bild ihres Vaters bei Google Street View gefunden hat. "Ich schaue mir dieses Bild immer wieder an."
"Mein Vater ist immer noch auf Street View zu sehen, wie er den Müll wegbringt", berichtet jemand anders. "Das bringt mich jedes Mal zum Lachen." Andere finden ihre verstorbenen Haustiere auf den Google-Bildern. Eine Userin machte ihren Großvater in der Garage beim Schrauben an seinem Auto ausfindig, ein anderer Nutzer streifte via Google Street View sogar durch die ganze Stadt, bis er seinen Vater gefunden hatte – er war durch das Fenster eines Supermarkts zu sehen.
Sheri Turner hat zur Sicherheit einen Screenshot von ihrem Elternhaus gemacht, für den Fall, dass das Bild eines Tages durch ein aktuelleres Foto ersetzt werden sollte. Allerdings bietet Google Street View auch die Möglichkeit, ältere Bilder aufzurufen. Gleichzeitig wurden als Reaktion auf den berührenden Tweet von Turner auch kritische Stimmen laut, die auf den Datenschutzaspekt hinwiesen: Die Bilder von Toten auf Google Maps zeigten, dass die dort gezeigten Menschen ohne ihr Wissen oder ihre Zustimmung fotografiert worden seien.
Quellen: Sheri Turner auf Twitter / "Vox"